Nikos Mavrikos ist ein guter Seismograph für den Zustand der griechischen Wirtschaft. Seit 2010 musste er jeden zweiten Mitarbeiter seines Familienunternehmens, das Fähren, Kreuzfahrt- und Containerschiffe mit Getränken und Lebensmitteln beliefert, feuern. Im Februar kam die Wende: Erstmals seit vier Jahren stellte Mavrikos wieder ein. "Langsam gewinnt Griechenland Vertrauen zurück", sagt der Geschäftsmann.

Seinem Land geht es ganz ähnlich. Vor zwei Jahren stand es am Rande der Staatspleite und vor dem Austritt aus der Euro-Währungsunion, deren Ende damit wohl eingeläutet worden wäre. Jetzt - nach harten Einschnitten bei Löhnen und Staatsausgaben - ist das Land ganz offensichtlich wieder attraktiv für Anleger. Am Donnerstag wagte sich Athen erstmals seit mehr als vier Jahren wieder an den Kapitalmarkt und die Nachfrage der Investoren für die Anleihe war sehr groß.

"Das Image von Griechenland im Ausland hat sich drastisch gewandelt", sagte Ministerpräsident Antonis Samaras vorige Woche der Nachrichtenagentur Reuters. "Und jetzt ändert sich auch die Stimmung in Griechenland." Die Arbeitslosigkeit steige zumindest nicht mehr, viele Unternehmen wollten wieder einstellen.

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ES WIRD NICHT MEHR SCHLIMMER

Doch trotz einiger ermutigende Signale liegt noch einiges im Argen. Tausende Unternehmen haben allein im vergangenen Jahr aufgegeben, die Arbeitslosenquote liegt auf dem Rekordniveau von 28 Prozent. Und der Schuldenberg ist enorm: Er entspricht 175 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Um ihn wie geplant bis 2020 auf 110 Prozent zu drücken, bedarf es eines kräftigen Wirtschaftswachstums.

Die Industriestaaten-Organisation OECD kann jedoch noch keine nachhaltige Konjunkturerholung erkennen. Immerhin: In diesem Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt erstmals seit sechs Jahren wieder wachsen, wenn auch nur um magere 0,6 Prozent, prophezeit die EU-Kommission. Dabei ist der Nachholbedarf immens. Denn seit 2008 hat das Land etwa ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung verloren, die Griechen sind heute fast 40 Prozent ärmer als vor fünf Jahren.

Viele Unternehmer bleiben daher skeptisch. "Seit 50 Jahren höre ich, dass sich die Dinge ändern in Griechenland", sagt Mimis Vanos, der ebenso wie sein Kollege Mavrikos Schiffe beliefert. "Das werde ich erst glauben, wenn ich es auch sehe."

Ein Handicap ist die Finanzierung der Privatwirtschaft und der Haushalte. Kein anderer Euro-Staat ist so stark auf Bank-Kredite angewiesen wie Griechenland. Zwischen 2000 und 2008 deckte der Privatsektor 40 Prozent seines Finanzierungsbedarfs mit klassischen Darlehen ab - und damit nicht mit eigenen Mitteln oder durch Transaktionen am Kapitalmarkt. Im Schnitt der Euro-Zone waren es dagegen nur 33 Prozent. Doch die Kredite fließen seit 2011 immer spärlicher. Im Februar schrumpften sie noch einmal um vier Prozent. Auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise in der Euro-Zone war es für viele Firmen nahezu unmöglich, frisches Geld zu bekommen.

"Das stoppte plötzlich", erinnert sich Mavrikos. Ihm blieb keine andere Wahl, als knapp die Hälfte seiner 40-köpfigen Belegschaft zu entlassen. Doch Ende 2013 begann sich der Wind zu drehen. Das Passagieraufkommen im größten griechischen Hafen Piräus erhöhte sich im vergangenen Jahr um 11,1 Prozent, das Containergeschäft auf der Strecke Europa-Asien zog um 3,7 Prozent an. Jetzt würden die ausländischen Geschäftspartner auch wieder Bankgarantien akzeptieren. "Das gibt uns Luft", so Mavrikos. "Wir können wieder Waren importieren und unsere Rechnungen begleichen."

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CHINESEN INVESTIEREN IN PIRÄUS

Und noch mehr Nachrichten stimmen den Familienunternehmer optimistisch. COSCO Holdings, der Betreiber der größten Containerflotte in China, baut sein Geschäft in Piräus aus. Die Kapazität des Hafens dürfte sich dadurch in den kommenden sieben Jahren um rund zwei Drittel erhöhen.

Griechenlands Konjunktur aber steht und fällt mit der Kreditvergabe, sagt auch Mavrikos' Kollege Vanos. "Vor der Krise haben uns die Banken innerhalb von einer Woche die Summe gegeben, die wir nachgefragt haben", sagt er. "In den vergangenen drei Jahren haben wir nicht einen Cent bekommen. Solange die Banken nicht sagen 'Nehmt, was ihr braucht', hat sich nichts verändert."