Bei der Volksbefragung hatten die Griechen ihrer Regierung im Streit über die Auflagen für weitere Hilfen klar den Rücken gestärkt. Allerdings finden seit dem Ende des zweiten Hilfsprogramms am 30. Juni keine Verhandlungen mehr statt. Formell lehnten die Griechen die letzten Reform-Vorschläge der Geldgeber ab, die seitdem aber obsolet sind.
Die Regierung in Athen hatte vor dem Referendum angekündigt, den Gesprächsfaden mit den Geldgebern sofort wieder aufzunehmen und eine Einigung binnen 48 Stunden anzustreben. Unter dem Titel "Kein Minister mehr!" schrieb Varoufakis in seinem Internet-Blog, ihm sei von Vertretern der Euro-Gruppe signalisiert worden, dass sie es vorzögen, wenn er nicht mehr an den Treffen der Euro-Finanzminister teilnehme. Aus Sicht von Regierungschef Alexis Tsipras könnte dies "hilfreich sein, um eine Vereinbarung zu erreichen". Es sei seine Pflicht, Tsipras zu helfen, das Kapital auszunutzen, das die Bürger der griechischen Regierung mit dem Referendum gegeben hätten. "Und ich werde die Abscheu der Geldgeber mit Stolz tragen", schrieb der linke Ökonom.
In den praktischen Verhandlungen mit den Geldgebern spielte Varoufakis schon seit Monaten keine entscheidende Rolle mehr. Er hatte vor allem mit heftigen Angriffen auf die Gläubiger von sich reden gemacht und diesen noch am Samstag "Terrorismus" und "Erpressung" vorgeworfen. Über Varoufakis' Nachfolge sollte noch am Montag entschieden werden. Als aussichtsreichste Kandidaten galten der Koordinator der Gespräche mit den Gläubigern, Euklid Tsakalotos, und Wirtschaftsminister Georgios Stathakis. Das Land hat seit 2010 fast 240 Milliarden Euro von seinen europäischen Partnern und dem IWF erhalten.
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EURO-STATTEN WOLLEN NEUE LAGE ANALYSIEREN
Ob es überhaupt zu neuen Verhandlungen über weitere Hilfe kommt, war offen. Auf dem Euro-Sondergipfel soll zunächst die Lage analysiert werden. Ein deutscher Regierungssprecher sagte nach einem Telefonat von Merkel und Hollande, beide seien sich einig, "dass das Votum der griechischen Bürger zu respektieren ist". Vize-Kanzler Sigmar Gabriel sieht kaum noch Chancen für einen Kompromiss, wie er dem "Tagesspiegel" sagte. Tsipras habe die letzten Brücken eingerissen, über die sich Europa und Griechenland auf eine Verständigung zubewegen könnten.
Unklar ist derzeit auch, worüber nach der Ablehnung der bisherigen Reformvorschläge überhaupt gesprochen werden könnte. In EU-Kreisen hieß es: "Es finden derzeit keine Verhandlungen mit Griechenland statt." Für Gespräche brauche es aufseiten der EU-Institutionen ein Mandat, und das gebe es seit dem Ende des zweiten Programms nicht mehr. Dass Vertreter der Athener Regierung bereits am Montag nach Brüssel kämen, sei angesichts der morgigen Eurogruppe und des Euro-Gipfels nicht auszuschließen.
Frankreichs Finanzminister Michel Sapin sagte dem Sender Europe 1, es sei nun an den Griechen, neue Vorschläge zu machen. Ein Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone sei keineswegs ein Automatismus. Es gebe weiterhin eine Basis für den Dialog. Der EZB legte Sapin nahe, ihre Nothilfen für griechische Banken nicht zu kappen. Es wurde erwartet, dass der EZB-Rat im Tagesverlauf über die ELA-Hilfen berät. Insidern zufolge liegt der Rahmen für die Hilfen bei rund 89 Milliarden Euro. Ohne die ELA-Kredite droht den Banken das Geld auszugehen, weil viele Unternehmen und Privatleute Konten geräumt haben. An Geldautomaten gelten Auszahlungslimits, auch Überweisungen ins Ausland sind kaum möglich. Bei einer Staatspleite würden die Banken in den Abgrund gerissen - und damit die ganze Wirtschaft.
Der Euro sackte als Reaktion auf das Referendum am Morgen um knapp einen US-Cent auf 1,1022 ab. Der erste Schreck der Börsen-Anleger über das "Nein" der Griechen schwand schnell. Der Dax und der EuroStoxx50 grenzen ihre Verluste ein und notieren am Vormittag nur noch gut ein Prozent im Minus.
Reuters