Der Finanzskandal um den mittlerweile insolventen Zahlungsabwickler Wirecard habe auch eine gute Seite, sagte die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. "Endlich konnten wir Maßnahmen beschließen, die bisher am Druck der Lobby gescheitert sind. Dazu gehören kürzere Rotationsfristen und höhere Haftung für Wirtschaftsprüfer." Dem Wirtschaftsprüfer EY wird vorgeworfen, den Bilanzbetrug nicht entdeckt und die Wirecard-Bücher jahrelang testiert zu haben.
Kiziltepe sagte, wie im Rest von Europa werde es für Prüfer künftig bei Unternehmen von öffentlichem Interesse eine unbeschränkte Haftung bei grober Fahrlässigkeit geben. "Doch das ist nicht das Ende der Fahnenstange: Bei den Wirtschaftsprüfern besteht weiterhin Handlungsbedarf. Perspektivisch brauchen wir eine noch stärkere Trennung von Beratung und Prüfung."
CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer sagte Reuters, die Union habe durchgesetzt, dass kleine und mittelständische Wirtschaftsprüfer faktisch keiner unbegrenzten Haftung bei Fahrlässigkeit unterliegen und deren Tätigkeit damit versicherbar bleibe. "Die unbegrenzte Haftung für grobe Fahrlässigkeit verbleibt bei der Prüfung von Kapitalgesellschaften von öffentlichem Interesse - und trifft damit weitestgehend nur die großen Prüfungsgesellschaften. Bei der Prüfung anderer Unternehmen wird diese Haftung auf 32 beziehungsweise zwölf Millionen Euro angehoben."
Wichtig sei, dass die Konzentration auf dem Markt für Wirtschaftsprüfer, der von vier Anbietern dominiert wird, nicht noch größer werde, so Hauer. Abschlussprüfer müssten nun bereits nach zehn Jahren wechseln. Außerdem müsse es eine interne Rotation des verantwortlichen Prüfers spätestens nach fünf Jahren geben.
BILANZKONTROLLE KÜNFTIG ALLEIN BEI BAFIN ANGESIEDELT
Mit dem sogenannten Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) soll auch die Finanzaufsichtsbehörde BaFin mehr Biss bekommen. Ihr wird ebenfalls vorgeworfen, in dem Fall versagt zu haben. Sie soll künftig allein für die Bilanzkontrolle zuständig sein. Die als Bilanzpolizei bekanntgewordene privatwirtschaftliche DPR sei damit Geschichte, so Kiziltepe. "Das zweistufige Verfahren der Bilanzkontrolle durch BaFin und den privaten Verein DPR hat sich nicht bewährt", sagte auch Hauer. Forensische Möglichkeiten fehlten. Auch hier werde der Gesetzentwurf jetzt nachgeschärft.
Laut "Handelsblatt" sieht der Bundesrechnungshof im Fall Wirecard ein Gesamtversagen. Das gehe aus einem Geheimbericht hervor, so die Zeitung. "Keiner der Akteure - Bundesfinanzministerium, Bundesjustizministerium, Deutsche Bundesbank, Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR - hat die Brisanz des Falles Wirecard frühzeitig erkannt und seine Handlungsoptionen ausgeschöpft, um die Aufklärung mit Nachdruck voranzutreiben und Fehlverhalten zu unterbinden", heißt es dem Bericht.
Der frühere Dax-Konzern war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Mehrere Ex-Manager von Wirecard sitzen in Untersuchungshaft, ein früherer Vorstand ist auf der Flucht.
rtr