Nachhaltig wirtschaften, das hat die Corona-Pandemie vor Augen geführt, bedeutet nicht nur einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und nachhaltiges Konsumieren. Die Vorreiter in Sachen ökologische und soziale Standards schneiden auch an den Finanzmärkten besser ab. So hat der MSCI World Sustainability Index, das global wichtigste Börsenbarometer für Nachhaltigkeit, seit Jahresanfang um rund elf Prozent zugelegt und damit den MSCI World hinter sich gelassen, der um rund sechs Prozent stieg (in US-Dollar).
Für Richard Schmidt, den Nachhaltigkeitsexperten bei DJE Kapital, hat die Corona-Krise Anlegern eine wichtige Erkenntnis gebracht: "Sie haben gesehen, in welchem Maße Unternehmen aus weniger nachhaltigen Branchen wie Öl, Gas, Automobil und Tabak in der Corona-Krise hinter dem Markt zurückgeblieben sind. Gewinne kollabierten, Dividenden wurden gestrichen, und der Ausblick ist immer noch düster. Dagegen sehen wir eine sehr starke Outperformance bei Technologie- und Gesundheitsfirmen - und das spielt dem ohnehin starken Nachhaltigkeitstrend weiter in die Hände."
Unternehmen aus den Branchen Technologie und Gesundheit hatten bereits in der Zeit vor Corona eine deutlich bessere Ökobilanz. Bereits 2019, hat das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) in seinem jüngsten Jahresbericht ermittelt, ist in Deutschland das Volumen nachhaltiger Investmentfonds und Mandate um 37 Prozent auf 183,5 Milliarden Euro gestiegen. Mit einem Gesamtvolumen von 269,3 Milliarden Euro (siehe Grafik) hat der Marktanteil nachhaltiger Fonds und Mandate mehr als fünf Prozent erreicht. Das Wachstum wird sich in den nächsten Jahren beschleunigen. Fonds, die die Themen Gesundheit, Umwelt und digitale Technologien miteinander verbinden, haben in den letzten Monaten besonders starke Mittelzuflüsse verzeichnet, erläutert Simone Schieg, Analystin bei der Fondsratingagentur Scope. "Nachhaltige Aktienprodukte werden einmal mehr ihrem Ruf gerecht, Risiken zu reduzieren", erklärt die Expertin.
Kriterien für Nachhaltigkeit
Umweltschutz, soziale Verantwortung und eine transparente Unternehmensführung sind die zentralen Bestandteile der sogenannten ESG-Kriterien, die die Richtlinien für Nachhaltigkeit festlegen. Während grüne Technologien vor allem bei den jüngeren Generationen schon länger die Anlageentscheidungen prägen, spielen im Zuge der Corona-Krise das S (Soziales) und das G (Governance, zu Deutsch: Unternehmensführung) eine größere Rolle. "In der aktuellen Krise sind gesellschaftlich relevante Themen wie soziale Verantwortung wieder stärker in den Vordergrund getreten", sagt Scope-Expertin Schieg. Wie Unternehmen mit ihren Mitarbeitern umgehen, wie sie etwa am Arbeitsplatz die Infektionsrisiken minimieren, Lieferketten sichern und wie sie Kunden und Zulieferer behandeln, seien nun mehr denn je zentrale Fragestellungen. Um zu definieren, was nachhaltig ist oder nicht, greifen die Fondsgesellschaften auf Ausschlusskriterien und normbasierte Screeningmethoden zurück. Bei besonders kontroversen Bereichen wie Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen oder Rüstung werden sich Ausschlusskriterien weiterhin bewähren. Zugleich gewinnen im Auswahlverfahren jene Aspekte immer mehr an Bedeutung, die das proaktive Engagement von Firmen etwa bei der Reduzierung von Klimarisiken berücksichtigen.
Die rasche Verbreitung von Nachhaltigkeitsinvestments betrifft auch die ETF-Branche. Entwickelt werden immer mehr Indizes, die Unternehmen anhand von immer spezifischer definierten ESG-Kriterien umfassen. Gefragt sind vor allem ETF-Produkte mit Unternehmen, die beim sozialen Engagement zu den Vorreitern zählen oder die sich durch besonders niedrige Kohlendioxidmissionen auszeichnen.
Klar ist auf jeden Fall, dass der Boom mit nachhaltigen Produkten erst am Anfang steht. Fonds, ETFs sowie Aktien von Firmen, die sich besonders in den verschiedenen Spektren der Nachhaltigkeit engagieren, gehören deshalb in jedes Anlegerportfolio. Stefan Riedel
Fonds: Ein ausgedehntes Universum
Welche Fonds als nachhaltig gelten, dazu gibt es bislang jede Menge Verwirrung, aber keine einheitlichen Regeln. Doch das soll sich bald ändern, zumindest innerhalb der EU. Anhand eines Klassifizierungssystems soll künftig die Einordnung möglich sein, wie nachhaltig verschiedene wirtschaftliche Aktivitäten sind. Damit sollen endlich Standards dafür geschaffen werden, welche Fondsprodukte die Bezeichnung "nachhaltig" tatsächlich verdienen. Bei den Mindestanforderungen für nachhaltige Fondsprodukte werden die Änderungen der zweiten europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid II ab März 2021 also zu einer klaren Vereinheitlichung führen.
In der Summe lassen sich aktiv verwaltete Investmentfonds in zwei Kategorien unterteilen. Da wären erstens ökologische Themenfonds: Sie investieren in Firmen, die in den verschiedenen Gebieten der Umwelttechnologie zu den Vorreitern zählen. Die Bandbreite dieser Themen ist groß. Sie erstreckt sich von den erneuerbaren Energien und der effizienten Energienutzung über Elektromobilität und digitale Verkehrstechnik bis hin zur Wasseraufbereitung und dem Abfallrecycling. Zweitens stehen Investoren Nachhaltigkeitsfonds zur Verfügung. In diesem Bereich hat die Zahl an neuen Produkten in den letzten Jahren stark zugelegt. Fonds aus diesem Sektor konzentrieren sich bei der Titelauswahl auf Firmen, die bei einzelnen ESG-Kriterien führend sind.
Eine gute Mischung
Der AB Global Sustainable Thematic ist eine Kombination dieser beiden Welten. Er zählt zu jenen Fonds, die bei der Titelauswahl zum einen auf Nachhaltigkeitsfilter und zum anderen auf bestimmte Themen setzen. Technologie, Gesundheit und Industrie geben auf der Branchenseite den Ton an, während bei der Ländergewichtung die USA mit knapp 50 Prozent dominieren. Zu den größten Positionen zählen der deutsche Verpackungshersteller Gerresheimer, der niederländische Bezahldienstleister Adyen und der dänische Biotechnologiekonzern Chr. Hansen.
Der im Januar 2007 aufgelegte LBBW Global Warming R ist inzwischen ein Klassiker unter den Umweltfonds und glänzt mit einer durchschnittlichen Fünfjahresperformance von 12,5 Prozent. Mit einem Portfolioanteil von 35 Prozent sind Technologietitel wie Microsoft oder Nvidia klar übergewichtet, gefolgt von den Branchen Finanzdienstleister, Gesundheit und Industrie. Der Technologiefokus zeigt sich auch in der Ländergewichtung, wo die USA fast zwei Drittel aller Firmen stellen.
Ein weiterer Umweltfonds ist der ÖkoWorld Klima C Acc. Er liegt auf der Kostenseite etwas über dem Durchschnitt, weist dafür aber eine glänzende durchschnittliche Dreijahresperformance von 18,2 Prozent auf. Dieser Fonds setzt neben Branchenführern wie dem amerikanischen Hygienespezialisten Ecolab oder dem Solartechnikexperten Enphase Energy verstärkt auf Nebenwerte. Mit einer hohen Cashquote von aktuell zehn Prozent hält sich dieser Fonds alle Optionen offen, um auf kurzfristige Gelegenheiten flexibel reagieren zu können.
Der vom Franziskanerorden 2000 aufgelegte terrAssisi Aktien hat die Verantwortung für die Natur, wie sie vom Ordensgründer Franz von Assisi gelebt wurde, als Richtschnur für seine Anlage- und Ausschlusskriterien vorgegeben. Das rund 70 Titel umfassende Fondsportfolio ist nach Ländern und Branchen breit gestreut. Diese Vielfalt bei der Titelauswahl zeigt sich zudem bei den größten Fondspositionen. Die Technologiegiganten Microsoft und Nvidia zählen ebenso dazu wie der US-Versicherer UnitedHealth und der Kreditkartenkonzern Visa.
Bei den Mischfonds überzeugt der im Juni 2012 aufgelegte UniRak Nachhaltig A im Hinblick auf Kostenquote und Wertentwicklung. Im breit gestreuten Portfolio liegt die Anleihequote aktuell bei 35 Prozent. Bei den Bonds geben europäische Staatsanleihen klar den Ton an, während bei den Aktien Unternehmen aus den Sektoren Gesundheit, Technologie, Finanzdienstleister und Industrie dominieren. Nach Regionen dominieren hier die USA, gefolgt von Frankreich und der Schweiz.
Indexfonds: ETF-Trio mit unterschiedlichen Ansätzen
Die erste Generation von Nachhaltigkeits-ETFs bildete in erster Linie Best-in-Class-Indizes ab. Das bedeutet: Sie berücksichtigten Unternehmen, die innerhalb ihrer jeweiligen Branche anhand der definierten Richtlinien am besten abschnitten. Es bedeutet aber auch, das sämtliche Sektoren, also auch solche mit problematischen Umweltstandards wie etwa Öl oder Kohle, berücksichtigt wurden.
Wer sichergehen will, dass kritische Themenbereiche wirklich ausgeklammert bleiben, sollte darauf achten, was beim Produktnamen unter dem Zusatz "Ex" aussortiert wird: "ex Tabak" oder "ex Glücksspiel" heißt, dass keine Firmen aus diesen Bereichen enthalten sind. Dank der kontinuierlich sich verbessernden Datenqualität sind heute vielfältige Indexkonstrukte möglich, die sich an Positivkriterien - etwa in der Unternehmensführung - orientieren.
Allein in Europa existieren aktuell 33 Nachhaltigkeitsindizes, die die Grundlage für 39 ETFs bilden. Der physisch replizierende und quartalsweise ausschüttende iShares MSCI Europe SRI beinhaltet europäische Bluechips wie SAP, Allianz, Roche, Siemens oder ASML. Deutschland ist auf Länderebene mit 23 Prozent am höchsten gewichtet, gefolgt von Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz. Auf Sektorebene entfällt das größte Gewicht aktuell auf nichtzyklische Konsumgüter, Gesundheitsversorger und Finanzdienstleister. In puncto Anlagefokus eindeutig ökologisch ausgerichtet ist der Amundi Index Equity Global Low Carbon ETF. Dieses ebenfalls physisch replizierende Produkt bildet Unternehmen ab, die hinsichtlich einer möglichst niedrigen CO2-Emission zurzeit global führend sind.
Starker US-Fokus
Die Toptitel im ETF sind die großen US-Techkonzerne Apple, Amazon, Tesla, Alphabet und Microsoft. Die USA sind entsprechend mit über 66 Prozent am höchsten gewichtet, gefolgt von Europa. Kommt es allerdings, wie in der vergangenen Woche, zu einem Ausverkauf der großen Techwerte, leidet der ETF mit seiner Techfokussierung darunter. Dagegen setzt der thesaurierende ETF UBS MSCI ACWI Socially Responsible auf die Wertentwicklung von Firmen, die weltweit im Hinblick auf ökologische Standards, soziale Fragen und Unternehmensführung mit der besten Bilanz überzeugen. Der ETF bildet den Index MSCI ACWI SRI 5% Issuer Capped with Developed Markets 100% hedged to EUR nach. Die größten Positionen sind neben Microsoft Taiwan Semiconductors, Home Depot und Procter & Gamble. Immerhin zwei Europäer finden sich unter den Top Ten: SAP und Roche. Auf Länderebene stellen die USA knapp die Hälfte der Gewichtung. Auf Branchenebene haben IT- und Softwarefirmen sowie Hersteller zyklischer Konsumgüter das größte Gewicht.
Alfen: Geballte Power aus den Niederlanden
Einer der großen Profiteure der Energiewende in Europa könnte Alfen sein. Bereits früh wiesen wir auf die Aktie der Niederländer hin. Unter anderem war sie ein Favorit der Redaktion für das Jahr 2020. Anfang Januar haben wir sie zu 16,40 Eu- ro empfohlen. Damals lag der Titel noch unter dem Radar größerer Investoren. Die Corona-Krise ist nahezu spurlos am Unternehmen vorbeigegangen. Alfen ist Spezialist für intelligente Stromnetze und entwickelt unter anderem Ladestationen für Elektroautos. Letztere haben sich im zweiten Quartal besonders stark verkauft: Um 150 Prozent ging es nach oben. Regierungen in ganz Europa fördern die Vehikel mit hohen Summen. Die Infrastruktur und somit die Ladestationen rücken deswegen in den Fokus. Mittlerweile können die Autos mit einer EC-Karte anstatt wie bisher mit einer speziellen Ladekarte aufgeladen werden. Große Alfen-Kunden sind Vattenfall und die Renault-Gruppe. Das Wachstum sollte weiterhin hoch bleiben. Für das Gesamtjahr rechnet Alfen mit einem Umsatz zwischen 180 und 200 Millionen Euro. Das wäre ein Plus von rund 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Margen dürften in den kommenden Jahren kräftig zulegen. Die Analysten von Berenberg gehen von einem durchschnittlichen Plus vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von knapp 40 Prozent jährlich aus. Wir erhöhen das Kursziel und ziehen den Stopp nach.
First Solar: Solarkrösus wittert wieder Morgenluft
Wenig Einfluss hat die Pandemie auf das Geschäft des US-amerikanischen Solarkonzerns First Solar. Er gehört zu den Pionieren und ganz wenigen Herstellern dort. Seit jeher konzentriert sich das Unternehmen auf sogenannte Dünnschichtmodule, die vor allem auf großen Flächen und bei Gewerbekunden platziert werden. Profitieren würde der Konzern, wenn Joe Biden der nächste US-Präsident würde. Denn er hat bereits angekündigt, dass er zwei Billionen Dollar in saubere Energie stecken will. "Ein Sieg von Biden würde den Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft fördern", sagt Simon Webber, Portfoliomanager für globale Aktien bei Schroders. Doch auch ohne Biden läuft es rund bei First Solar. Im vergangenen Quartal übertrumpfte der Konzern locker die Analystenschätzungen um sieben Cent und erwirtschaftete 35 Cent je Aktie. Aktuell betreiben die US-Amerikaner drei Werke in den USA, Malaysia und Vietnam mit einer Fertigungskapazität von zusammen 5,5 Gigawatt. Ein Atomkraftwerk hat eine Nennleistung von etwas mehr als einem Gigawatt. Auch scheint der Preisdruck für Solarmodule etwas nachzulassen. First Solar baut darauf, etwas höhere Preise durchsetzen zu können. Nachdem der Titel kürzlich aus dem Seitwärtstrend ausgebrochen war, fiel er wieder etwas ab. Anleger nutzen die aktuell etwas ermäßigten Kurse für den Einstieg.
Signify: Lichtkonzern mit großem ESG-Potenzial
Ambitionierte ESG-Pläne stellte das niederländische Unternehmen Signify vor. Noch in diesem Monat will der Lichtspezialist CO2-neutral werden, und das in der kompletten Gruppe - deutlich vor der bislang genannten Frist. Vor allem für große Fonds, die "ESG" auf ihrem Label stehen haben, spielt das ein große Rolle. Bei der ehemaligen Philips Lighting finden sie sehr gute Voraussetzungen: Der Konzern hat mit einem Umsatzvolumen von rund 5,5 Milliarden Euro eine gute Größe und wächst stetig. Für das kommende Jahr rechnen Analysten mit einem Wachstum von knapp zehn Prozent. Technologisch sind die Niederländer zudem führend: Ältere Lichtsysteme werden sukzessive durch energiesparende ersetzt. LED-basierte Leuchten sind umweltfreundlich. Sie können auch entscheidend dazu beitragen, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen oder die Kriminalitätsrate zu senken. Mit ultraviolettem Licht können zudem Keime abgetötet werden, was aktuell in der Corona-Krise sehr wichtig sein kann, unter anderem bei Lebensmitteln. Seit dem Absturz im März hat sich der Titel wieder deutlich erholt. Allerdings ist er von seinen Höchstkursen immer noch ein gutes Stück entfernt. Weitere Kursgewinne sind drin, denn der Titel ist noch günstig bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2021 liegt knapp über zwölf. Und die attraktive ESG-Geschichte ist auch noch nicht im Kurs beinhaltet.