Guccio Gucci kam 1881 als Sohn eines Strohwarenhändlers in Florenz zur Welt. Die Geschäfte liefen nicht gut, der Vater ging bankrott, und der Sohn musste auf einem Frachtschiff nach London anheuern, um der Armut zu entkommen. Er schlug sich erst als Tellerwäscher, Kellner, Hotelpage und Concierge durch, bis er schließlich im Luxushotel Savoy eine Anstellung als Liftboy fand. Das Savoy war damals das erste Hotel weltweit, das einen elektrischen Aufzug besaß - und das erste Hotel mit elek trischem Licht, fließend warmem Wasser und Telefon.
Im Savoy gingen Prominente aus aller Welt ein und aus. Hier speisten gekrönte Häupter, und die Reichen und Schönen feierten rauschende Feste. Gucci beobachtete in seinem Aufzug - damals noch "fahrendes Zimmer" genannt - den Habitus der vornehmen Gäste, prägte sich ihre Kleidung, ihre Accessoires und ihren Schmuck ein, vor allem aber ihre hochwertigen Gepäckstücke aus Leder.
1920 kehrte er in seine Heimatstadt Florenz zurück und eröffnete ein Jahr später an der Via della Vigna Nuova ein kleines Lederwarengeschäft. Er investierte dafür seine ganzen Ersparnisse und nahm zusätzlich Kredite auf. Zunächst konzentrierte er sich auf die Herstellung von edlen Sätteln, Satteltaschen und Reitzubehör. Denn, so seine Überlegung: Der Reitsport war die Freizeitbeschäftigung der Reichen und das Pferd ein Symbol für Wohlstand und Stil. Erfolgreich war er aber vor allem mit seinen Reisekoffern, Hutschachteln, Kosmetiktaschen, Schuhen und Gürteln, die in den 20er-Jahren bei der Florentiner High Society sowie in Europas Fürsten- und Königshäusern beliebt waren. Er entwarf auch das berühmte Gucci-Muster - miteinander verbundene dunkelbraune Rauten, deren Knotenpunkt seine Initialen GG darstellen.
Ab 1935 wurde Leder knapp, nicht zuletzt wegen der Handelssanktionen gegen das Mussolini-Regime. Gucci musste improvisieren. Mit Materialien wie Hanf, Leinen, Jute und Bambus, die noch bis heute Bestandteil des unverwechselbaren Gucci-Designs sind. Seine Produkte vereinten kosmopolitische Inspiration mit italienischem Handwerk. Vor allem die inzwischen zur Ikone gewordene Gucci-Handtasche "Bamboo Bag", 1947 entwickelt, erwies sich als Verkaufsschlager.
Der Firmengründer hatte 1901 die 24-jährige Schneiderin Aida Calvelli geheiratet, die ihm sechs Kinder gebar, von denen besonders zwei später eine wichtige Rolle spielen würden: Aldo, der älteste Sohn, der das Unternehmen zu einer weltweit operierenden Marke machte, und sein Bruder Rodolfo. Rodolfo wollte eigentlich mit dem Familienunternehmen nichts zu tun haben und stattdessen Schauspieler werden. Den großen Durchbruch schaffte er aber nicht. Aldo dagegen war der geborene Unternehmer, "ein Mann, der in der Lage wäre, seine eigene Mutter an die Beduinen zu verkaufen", wie es in der Familie hieß.
Gucci eröffnete neue Filialen in Italien und im Ausland. Aldo und Rodolfo waren persönlich bei der Eröffnung der ersten New Yorker Boutique im Savoy-Plaza Hotel anwesend. Überschattet wurde das glanzvolle Event jedoch vom Tod ihres Vaters 15 Tage später. Das Unternehmen expandierte nun bis zum extravaganten Rodeo Drive in Beverly Hills, eröffnete Läden in London, Tokio, Paris und Hongkong, wobei die Arroganz der Verkäufer in den Gucci-Boutiquen ebenso legendär war wie die ausgestellten Signature Pieces.
"La Famiglia", das Erfolgsrezept italienischer Modeimperien wie beispielsweise Benetton, Fendi oder Missoni, schien bei den Guccis nicht so recht zu funktionieren. Nach dem Tod des Gründers kam es ständig zu Streitigkeiten und Eifersüchteleien zwischen Brüdern und Cousins, zwischen Vätern und Söhnen. Der ganze Clan suhlte sich in Habgier, Intrigen und Rachegelüsten.
Sogar Aldo Gucci, der nach dem Tod des Gründers zum eigentlichen Patriarchen des Unternehmens und zum Garanten des wirtschaftlichen Erfolgs wurde, entging diesen Familienfehden nicht: Sein eigener Sohn lieferte ihn wegen Steuerhinterziehung der amerikanischen Justiz aus. Aus Rache, weil er sich vom Vater aus der Firma gedrängt fühlte. Der ehrgeizige junge Staatsanwalt, der damals die Anklage vertrat, war übrigens Rudolph Giuliani, der spätere Bürgermeister von New York. Mit 81 Jahren musste Aldo eine Haftstrafe von einem Jahr und einem Tag im Bundesgefängnis Eglin in Florida antreten.
1987 wurde Aldo aus der Haft entlassen. Inzwischen hatte Maurizio - Sohn von Rodolfo und einst das schwarze Schaf der Familie - seinen Onkel Aldo vom Thron gestoßen und sich zum Vorsitzenden des Unternehmens aufgeschwungen. 1970 hatte er die attraktive Patrizia Reggiani, Tochter eines Speditionsunternehmers, kennengelernt und drei Jahre später geheiratet. Für das Partygirl war diese Ehe eine Eintrittskarte in eine Welt, die ihr sonst verschlossen geblieben wäre.
Patrizia, die in der Mailänder Gesellschaft als "volgarotta", als "ordinär" und geldgierige Aufsteigerin galt, wurde schnell zum schillernden Mittelpunkt des Gucci-Clans. Ihr Spitzname: "Liz Taylor" - sie glich mit ihrem Hang zu teurem Schmuck, auffälligen Kleidern und dem schwarzen Haar, aber auch mit ihren Launen der Hollywood-Diva.
Schon Mitte der 80er-Jahre war die Ehe am Ende. Ein endloser Rosenkrieg begann. Als Maurizio in der Mailänderin Paola Franchi, ein Ex-Model, das jetzt als Innenarchitektin arbeitete, eine neue Liebe fand, blieb Patrizia allein und verbittert zurück, erkrankte sogar an einem Hirntumor. Sie sann auf Rache. Ein Gerichtsgutachter sollte ihr später eine "narzisstische Persönlichkeitsstörung" nachweisen.
Dem Unternehmen ging es damals nicht gut. Maurizio Gucci verkaufte in der Not seinen 50-Prozent-Anteil an der Firma an die in Bahrain ansässige Investcorp. Am 27. März 1995 wurde der damals 47-jährige Maurizio auf den Stufen vor seinem Büro in der eleganten Via Palestro in Mailands Innenstadt erschossen. Zwei Jahre später verhaftete die Polizei seine Ex-Frau Patrizia. Sie wurde beschuldigt, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Patrizia - inzwischen "Schwarze Witwe" genannt - wurde zu 29 Jahren Gefängnis verurteilt. 2016, nach 18 Jahren, kam sie frei. Hollywood hat die Geschichte jetzt verfilmt - mit Adam Driver in der Rolle des Maurizio und Lady Gaga als Patrizia.
Inzwischen gehört Gucci zur Kering-Gruppe, einem französischen Luxus-Megakonzern. "Die Marke steht heute für ein Leben, das man sich kauft, von dem man weiß, dass man es sich eigentlich nicht leisten sollte und dass es eigentlich nichts für einen ist", schrieb der "Spiegel".