Der mögliche Verkauf oder ein Spin-off der Sparte Marine Systems und die Aussicht auf ein IPO der Wasserstofftochter Nucera im Sommer beflügeln den Kurs
Einen belastbaren Plan für eine Zukunft der Stahlsparte von Thyssenkrupp zu entwickeln, bleibt schwierig. Die deutlich höheren Energiekosten erschweren die Suche nach einer tragfähigen Lösung für die energieintensive Stahlproduktion. Das Geschäft benötigt grundsätzlich viel Kapital und ist stark zyklisch. Der Umbau der Herstellung ist zudem mit hohen technologischen und finanziellen Risiken behaftet: Zwei Milliarden Euro für eine wasserstoff betriebene Anlage für umweltfreundlich erzeugten "grünen" Stahl sind bereits eingeplant. Die Kosten für den klimafreundlichen Umbau aller Anlagen wird auf sieben bis zehn Milliarden Euro geschätzt.
Das umweltfreundlich hergestellte Produkt besitzt die gleichen Eigenschaften wie herkömmlicher Stahl, ist aber viel teurer. Bleibt die Frage: Warum sollten Industriekunden diesen Stahl in den notwendigen großen Mengen dauerhaft kaufen? Und dann gibt es auch noch hauseigene Herausforderungen bei Thyssenkrupp: rund drei Milliarden Euro Pensionsverpflichtungen in der Stahlsparte, eine starke Arbeitnehmerschaft sowie den Großaktionär Krupp-Stiftung, der viel Wert auf stetige Dividenden legt. Was das unter dem Strich bedeutet, zeigt das Angebot von Finanzinvestor CVC für das Stahlgeschäft einschließlich der Pensionsverpflichtungen. Einen Euro wollen die Luxemburger zahlen.
Kurstreiber Verkäufe und IPOs
Die Pläne für Verkäufe von Konzernteilen beflügeln dennoch den Aktienkurs. Dazu gehört auch die Sparte Marine Systems. Nach Information der "Financial Times" werden mögliche Interessenten nach Ostern Gebote einreichen. Auch eine Abspaltung des Schiff baus als börsennotiertes Unternehmen, ein Spinoff, sei eine Option, sagte Spartenchef Oliver Burkhard der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Sowohl bei Marine Systems als auch bei Stahl seien erhebliche Investitionen nötig, so Burkhard. Beides sei in den Strukturen des Verbunds von Thyssenkrupp nicht möglich.
Währenddessen berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider, dass Thyssenkrupps Tochter Nucera im Juni den Gang an die Börse wagen könnte. Die Dortmunder entwickeln große Produktionsanlagen für Wasserstoff, sogenannte Elektrolyseure. Nuceras Wert zum IPO wird auf zwei bis fünf Milliarden Euro geschätzt. Die breite Spanne signalisiert große Unsicherheit. Thyssenkrupp ist mit 66 Prozent beteiligt. Die übrigen Anteile hält der Elektrodenhersteller und Partner Industrie De Nora aus Mailand.
Thyssenkrupp - deutlich mehr wert als aktuell an der Börse
Für Anleger interessant ist die Bewertung der Thyssenkrupp-Sparten durch die US-Finanzanalysefirma Visible Alpha: Mit 20 Prozent Abschlag gegenüber dem Geschäft des Stahlprimus Arcelor Mittal käme Thyssenkrupps Stahlsparte auf 2,8 Milliarden Euro, Nucera auf zwei, die anderen Sparten auf 4,7 Milliarden. Abzüglich 3,3 Milliarden, unter anderem wegen der Pensionsverpflichtungen, kommt Visible Alpha auf sechs Milliarden Euro Firmenwert. Das liegt klar über Thyssenkrupps aktuellem Börsenwert von weniger als fünf Milliarden Euro.
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Sechs Milliarden Euro wert ist Thyssenkrupp einer Schätzung von Visible Alpha zufolge, deutlich mehr als aktuell an der Börse
Seit ihrem Debüt am 20. Juni 2022 hat die Aktie des Spezialisten für Elektroden in einem schwierigen Marktumfeld mehr als 20 Prozent zugelegt
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Thyssenkrupp.