Der Nachfahre holländischer Calvinisten und Sohn des Tuchfabrikanten Emil Quandt wurde 1881 im brandenburgischen Pritzwalk geboren. Er besuchte in Berlin die Ober­realschule, machte Praktika in der Textilindustrie und wurde 1911 Mitinhaber der Tuchfabrik Friedrich Paul in Wittstock.

Vom Einsatz an der Front blieb er im Ersten Weltkrieg verschont: Er kümmerte sich um die Beschaffung kriegswichtiger Rohstoffe, seine Firmen gehörten zu den Hauptlieferanten der Reichswehr. Nach Kriegsende trat er zunächst in den Staatsdienst ein - als Referendar im Reichswirtschaftsministerium, wo er sich um die Textilwirtschaft kümmerte.

Seine eigentliche Laufbahn als Unternehmer begann aber 1922. Er war, nach den Jahren als Beamter, nach Pritzwalk zurückgekehrt, wo er sich bald einen Namen machte. Er drang früh über die Grenzen der märkischen Provinz hinaus, fusionierte Textilfabriken, engagierte sich im Kaligeschäft, vor allem in der 1921 gegründeten Wintershall AG, kaufte sich in die Elektrobranche ein und erwies sich als weitsichtiger, waghalsiger Finanzinvestor, der rasch zu einem der reichsten Unternehmer der Weimarer Republik aufstieg.

Früher als andere spürte der Unternehmer, wo Geld am lohnendsten angelegt werden kann: Während der Hyperinflation setzte er auf Sachwerte statt Geld. "Hast du was, bist du was" - dies hatte ihm bereits sein Vater eingeschärft, der es vom Gehilfen zum Firmenbesitzer gebracht hatte.

Feindliche Übernahmen machten ihm keine Angst. So sicherte er sich die Aktien­mehrheit der Accumulatoren Fabrik ­Aktiengesellschaft (AFA), damals Europas größter Hersteller von Batterien und Akkumulatoren, die auch in die deutschen U-Boote eingebaut wurden. Aus AFA wurde später Varta, während Jahrzehnten das Kernstück des Quandt-Imperiums.

Sein nächster Coup: 1928 übernahm er die Kontrolle über die Berlin-Karlsruher Industrie-Werke AG, eine traditionsreiche Rüstungsschmiede, die zu Kriegszeiten noch als Deutsche Waffen- und Munitions­fabriken AG (DWM) firmierte - und auch bald wieder so heißen sollte. Von den Siegermächten war dem Unternehmen zwar die Produktion von Rüstungsgütern verboten worden, doch Quandt war sicher, dass Waffen hierzulande bald wieder "eine große Zukunft" haben würden.

Quandt hatte bereits früh Kontakt zu den Nazis. Er gehörte zu einer Gruppe von Industriellen, die sich 1931 mit Adolf Hitler im Berliner Hotel Kaiserhof traf. Und zwei Jahre später, nach der Machtergreifung, trat er der NSDAP bei. Quandt war kein glühender Nazi, aber er war ein skrupelloser Opportunist.

Ein Opportunist erster Klasse


"Wenn er Kapital schlagen konnte aus Entwicklungen, war er sofort dabei", sagte später der Historiker Joachim Scholtyseck, der die Rolle der Quandt-Familie im Dritten Reich erforschte. Er sei ein Mann gewesen, "der klug und kühl mit jedem Regime zurechtkam, ob mit dem autoritären Kaiserreich, der labilen Weimarer Republik, dem totalitären Dritten Reich oder der jungen Bundesrepublik".

Quandt, dessen erste Frau 1918 an der "Spanischen Grippe" gestorben war, hatte ein Jahr später während einer Zugfahrt die 17-jährige Magda Ritschel kennengelernt und zwei Jahre später geheiratet. 1921 kam ihr Sohn Harald zur Welt. Magda war eine lebenslustige Frau, die von einem Leben in Luxus träumte. Und genau das konnte ihr der 20 Jahre ältere Großindustrielle bieten: eine Villa am Berliner Griebnitzsee, Reisen in die USA, nach Südamerika.

Aber Magda war frustriert und unglücklich. Ihr Mann, der rastlose Spekulant, interessierte sich ausschließlich für das Familien­imperium. Wenn er abends nach Hause kam, studierte er Börsennachrichten, statt sich um seine Frau zu kümmern. 1928 ließ sich das Paar scheiden. Zwei Jahre später lernte Magda auf einer Wahlveranstaltung der aufstrebenden NSDAP Joseph Goebbels kennen. Sie wurde seine Privatsekretärin und später seine Geliebte. "Wenn das Dritte Reich eine ‚First Lady‘ hatte, dann das Mädchen mit dem Blondhaar, das einst Günther Quandt bezauberte", schrieb der "Stern".

Quandt war inzwischen zum Wehrwirtschaftsführer ernannt worden. Für ihn war Adolf Hitler der "größte Deutsche aller Zeiten". Ab 1939 war die Wehrmacht Hauptabnehmer der Produktion - die Boomjahre des Dritten Reichs waren ­Expansionsjahre für Quandt.

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schufteten immer mehr Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in den Fabriken, weil die deutschen Arbeitskräfte zunehmend an die Front abkommandiert wurden, aber gleichzeitig die Produktion von Kriegsgütern hochgefahren werden musste: Batterien bei AFA, Pistolen und Kanonen bei DWM. Dazu profitierte Quandt von der "Arisierung", also der Konfiszierung jüdischer Unternehmen.

Nach Schätzungen waren während des Krieges 57 500 Zwangsarbeiter in den verschiedenen Firmen der Quandt-Gruppe beschäftigt. Viele starben an Bleivergiftung, durch Arbeitsunfälle oder Misshandlungen. Öffentliche Hinrichtungen sollten Fluchtwillige abschrecken.

Quandts Sohn Harald diente als Fallschirmjäger-Offizier. Das Kriegsende erlebte er in einem Gefangenenlager in Nordafrika. Er sollte mit 45 Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen. Seine Mutter Magda brachte sich und sechs ihrer Kinder im Führerbunker um, als die Russen vor Berlin standen.

Nach Kriegsende versteckte sich Günther Quandt im Dorf Leutstetten am Starnberger See. Er wurde erst im Juli 1946 von den Alliierten verhaftet und im Lager Moosburg interniert. Der Multimillionär aß jetzt aus dem Blechnapf. Er wies alle Schuld an den Verbrechen in seinen Werken zurück und stellte sich sogar als Opfer des Nazi-Regimes dar. Nach eineinhalb Jahren wurde er entlassen und im Entnazifizierungsverfahren als "Mitläufer" eingestuft. Quandt starb 1954 während eines Erholungsurlaubs in Ägypten.

Jahrzehntelang wurden die Verbrechen in den Quandt-Werken von der Familie totgeschwiegen. Aber 2007 strahlte der NDR den Dokumentarfilm "Das Schweigen der Quandts" aus, in dem auch zwei KZ-Häftlinge und ein Zwangsarbeiter zu Wort kamen. "Der Film ist eine einzige Anklage, faktensatt und zugleich von großer emotionaler Wucht", schrieb "Die Zeit".