von Matthias Beer, Energiespezialist bei BMO GAM
Was lange Zeit als Theorie galt, wird nun Realität: Der Ausstieg aus fossilen Energien beschleunigt sich und führt zu einem tief greifenden Wandel im Energiesektor. Schon heute beruhen 40 Prozent der neu installierten Kraftwerksleistung für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen. Die Ankündigung der G-7-Staaten zum langfristigen Ausstieg aus der Kohleenergie und das Ziel Chinas, bis 2030 den Gipfel der Kohlendioxid(CO2)-Emissionen überschritten zu haben, legen nahe, dass sich der Wandel hin zu regenerativen Energien schon in naher Zukunft weiter beschleunigen wird.
Dieser Wandel stellt das Management von Bergbauunternehmen, Öl- und Gaskonzernen, Energieversorgern sowie deren Investoren vor große Herausforderungen. Denn der langfristige Ausstieg aus fossilen Energieträgern wird massive Auswirkungen auf die zukünftigen Wachstums- und Gewinnaussichten all jener Unternehmen haben, deren Geschäftsmodell stark auf fossile Energien ausgerichtet ist. So kam bereits 2013 eine Studie der "Carbon Tracker Initiative" zu dem Ergebnis, dass 60 bis 80 Prozent der bisher bekannten Öl- und Gasvorkommen im Besitz börsennotierter Konzerne im Boden bleiben müssen, wenn der globale Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius begrenzt werden soll.
Für die Konzerne und ihre Investoren hat das Folgen: Sollten sich die Staaten auf eine Begrenzung des CO2-Ausstoßes einigen, würden zahlreiche Öl- und Gaslagerstätten, Kohlekraftwerke und andere CO2-intensive Industrieanlagen zu Stranded Assets, also zu wertlos gewordenen Investitionen - und damit zu Belastungen für die Bilanzen der Konzerne. Und selbst wenn die Staaten sich nicht auf CO2-Grenzen einigen, spricht vieles dafür, dass der technische Fortschritt der erneuerbaren Energien die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen dauerhaft senkt.
Doch wie gehen die betroffenen Unternehmen mit diesem Risiko um? Bereits vor zwei Jahren haben wir im Rahmen unseres Engagementansatzes für nachhaltiges Investieren damit begonnen, den direkten Dialog mit dem Management dieser Unternehmen zu diesem Thema aufzunehmen. Insgesamt wurden 95 Unternehmen befragt, davon 58 aus dem Sektor Öl und Gas, 15 Bergbauunternehmen und 22 Energieversorger. Es zeigte sich, dass die Themen "Stranded Assets" und "Festlegung von CO2-Budgets" in zunehmendem Maße auch auf Vorstandsebene wahrgenommen werden. Dass die führenden Unternehmen nun mehr Zeit und Ressourcen in die Analyse der Folgen des Klimawandels für ihr Geschäft stecken, geht zum Teil auch auf die von uns ergriffenen Engagementaktivitäten zu diesem Thema zurück.
Allerdings führt die Analyse bis auf ganz wenige Fälle nicht zu Maßnahmen. Meist beschränken sich die Unternehmen im Bereich fossiler Energien auf kurzfristige Maßnahmen, etwa um die Folgen eines fallenden Ölpreises zu lösen. Vor allem US-Ölkonzerne weigern sich immer noch standhaft, sich mit dem Thema Klimawandel auseinanderzusetzen, während bei den europäischen Konzernen das Bestreben erkennbar wird, sich als Teil der Lösung in Sachen Klimawandel zu positionieren.
Bei gut diversifizierten Bergbaukonzernen spielen die Themen "Klimawandel" und "Stranded Assets" nur eine geringe Rolle, weil ihre Kohlevorkommen und -förderung eher am unteren Ende der Kostenkurve angesiedelt sind und sich Investitionen schnell amortisieren. Die Energieversorger stehen vor den größten Herausforderungen, auch weil neben dem Klimawandel gerade in Europa der Markt von Überkapazitäten und Wettbewerbsdruck durch Renewables geprägt ist. Es zeigt sich , dass der Klimawandel nicht länger als Investitionsrisiko betrachtet werden kann, das erst auf lange Sicht gelöst werden sollte, sondern schon heute großen Handlungsdruck in den Sektoren Öl und Gas, Bergbau und Energieversorgung aufbaut.
Im Profil
Matthias Beer leitet für BMO Global Asset Management das Engagementprogramm des Unternehmens im Öl- und Gassektor. Er analysiert zudem Unternehmen im Energiebereich und entwickelte die Rohstoffrichtlinie für ethische Fonds von BMO. BMO Global Asset Management ist ein globaler Investmentmanager, der für seine Kunden ein Vermögen von derzeit rund 254 Milliarden US-Dollar verwaltet.