Ein historisches Ergebnis: Joe Biden wird am 20. Januar 2021 als der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika in Washington vereidigt werden.

Neben der US-Präsidentschaft haben die Demokraten auch die Mehrheit im US-Repräsentantenhaus gewonnen. Im US-Senat werden vermutlich die Republikaner ihre Mehrheit knapp behaupten. Da in Georgia keiner der Kandidaten für einen Senatssitz die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht hat, konzentrieren sich Demokraten und Republikaner nun auf die Stichwahlen am 5. Januar 2021. Gewinnen die Demokraten beide noch ausstehenden Senatorensitze, dann haben Demokraten und Republikaner jeweils 50 Stimmen im Senat inne.

Gespaltene Mehrheit in den Kongresskammern

In diesem Fall würde die Stimme von Vizepräsidentin Kamala Devi Harris, der eigentlichen Hoffnungsträgerin aus Sicht vieler Demokraten, das Gesetzgebungsverfahren in der zweiten Kammer des US-Kongresses entscheiden.

Präsident Biden bekommt ein Präsent noch vor der Amtseinführung: Die deutsche Pharmafirma Biontech und der US-Konzern Pfizer gaben am Montag bekannt, dass sie einen Impfstoff entwickelt haben, der 90 Prozent der Geimpften wirksam vor der Corona-Krankheit schützen soll. Fast ein Treppenwitz der Geschichte: Ein zentraler Grund für die Abwahl von Donald Trump war, dass er die Covid-19-Krise nicht in den Griff bekommen hat. Kurz nach der Abwahl des Republikaner liefert die Wissenschaft nun eine mögliche Lösung zur Überwindung der Viruserkrankung.

Wachstum wird 2021 Fahrt aufnehmen

In den USA haben sich nun mehr als zehn Millionen Menschen mit dem Virus infiziert, mehr als 238.000 Menschen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit an oder zumindest mit der Krankheit verstorben. Der VIX-Index, der die implizite Volatilität kurz laufender Optionen auf den breiten Börsenindex S & P 500 widerspiegelt und oftmals als "Furcht-Index" bezeichnet wird, ist vor der Wahl um fast 40 Prozent gestiegen. Die beiden guten Nachrichten - die Abwahl von Trump und die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 - werden dazu führen, dass die Angst an den Märkten sinken wird.

Zyklische Unternehmen werden in den nächsten Wochen vermutlich zu den Gewinnern am Aktienmarkt zählen, da das volkswirtschaftliche Wachstum im Jahr 2021 deutlich an Fahrt aufnehmen wird.

Die strukturellen Probleme in den USA werden aber bleiben. Das Haushaltsdefizit in den USA hat sich in diesem Jahr mehr als verdreifacht und hat im Fiskaljahr 2020, das am 30. September endete, 3,1 Billionen US-Dollar oder 14,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. Zudem war die Leistungsbilanz in den USA - trotz Handelsstreit - mit 480 Milliarden Dollar im Jahr 2019 weiterhin negativ und ist zuletzt nach Angaben des Bureau of Economic Analysis (BEA) weiter angestiegen. Ein negatives Leistungsbilanzdefizit bedeutet, dass ein Land mehr ausgibt als es verdient und sich die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland erhöhen.

Bei Zwillingsdefiziten erfolgt die Anpassung typischerweise über die Währung. Der US-Dollar wird daher vermutlich weiter gegenüber dem Euro abwerten. Hierfür sprechen auch die gesunkene Zinsdifferenz zum Euroraum infolge der Zinssenkungen in den USA während der Covid-Krise sowie die Kaufkraftparität, die bei 1,42 Dollar pro Euro liegt.

Steuererhöhungen treffen Unternehmen stark

Das Congressional Budget Office (CBO) schätzt, dass die von der Öffentlichkeit gehaltenen Schulden des amerikanischen Zentralstaates bis 2050 auf 195 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen werden, wenn die Politik nicht nachhaltig verändert wird. Joe Biden hat im Wahlkampf Steuererhöhungen angekündigt, die laut Schätzungen des American Enterprise Institute bis 2030 Unternehmen und Bürger mit über 2,8 Billionen Dollar belasten würden. Allein die von Biden geplante Erhöhung der Unternehmenssteuern von 21 auf 28 Prozent würde dazu führen, dass die Gewinne der im S & P 500 enthaltenen Unternehmen um neun Prozent einbrechen würden.

Für die Wall Street wäre eine gespaltene Mehrheit in den beiden Kammern des Kongresses somit keine schlechte Lösung: Die Finanzmärkte hoffen, dass ein weiteres milliardenschweres Stimulus-Programm beschlossen wird, die geplanten Steuererhöhungen und eine striktere Regulierung aber durch die Republikaner im Senat verhindert werden.

Covid-19-Impfstoff als Konjunkturbeschleuniger

Ein Covid-19-Impfstoff wird, wenn er denn kommt, wie ein weiteres großes Stimulus-Programm wirken. Das volkswirtschaftliche Wachstum wird 2021 deutlich steigen: die Wirtschaft in den USA im nächsten Jahr vermutlich um 3,8 Prozent und die in der Eurozone um mehr als fünf Prozent. In einem solchen Umfeld werden zyklische Qualitätsunternehmen - die hohe Eigenkapitalrenditen, klar definierte Wettbewerbsvorteile und strukturelle Wachstumschancen aufweisen - wohl zu den Gewinnern zählen.



Jan Viebig:
Geschäftsführer beim Oddo BHF Trust

Viebig arbeitete zuvor unter anderem für Hauck & Aufhäuser, als Head of Emerging Markets bei Credit Suisse sowie als Hedgefondsmanager bei der DWS.

2016 stieg die französische Privatbank Oddo & Cie bei der deutschen BHF-Bank ein. Seit 2017 heißt das Unternehmen in Deutschland Oddo BHF AG. Beide Häuser blicken jeweils auf eine über 160-jährige Geschichte zurück und sind bekannt für ihre engen Kundenbeziehungen zu familiengeführten und mittelständisch geprägten Unternehmen.