"Es gibt aktuell keine Versorgungsengpässe", sagte der Grünen-Politiker. "Dennoch müssen wir die Vorsorgemaßnahmen erhöhen, um für den Fall einer Eskalation seitens Russlands gewappnet zu sein." Aus Moskau gab es indes Signale, die darauf hindeuten könnten, dass ein Lieferstopp nicht unmittelbar bevorsteht. Der Bundesverband der Elektrizitätswirtschaft (BDEW) forderte, sich nun auch auf die Notfallstufe als dritte und letzte Stufe des Notfallplans vorzubereiten. Erst in dieser Stufe drohen staatliche Versorgungseinschränkungen etwa für die Industrie, die auch das Wirtschaftswachstum in Deutschland schmälern.

Hintergrund ist die Ankündigung Russlands, Gas und Öl nur noch gegen Zahlung in Rubel zu liefern. Damit hatte Russlands Präsident Wladimir Putin auf die Sanktionen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine reagiert. G7-Staaten wie Deutschland lehnen dies ab und verweisen darauf, dass die Verträge eine Bezahlung in Euro und Dollar vorsähen. Es gebe mehrere Äußerungen von russischer Seite, dass wenn nicht in Rubel gezahlt werde, die Lieferungen eingestellt würden, sagte Habeck. "Um für diese Situation vorbereitet zu sein, habe ich heute Morgen die Warnstufe nach der Gasverordnung ausgerufen." Es werde ein Krisenteam eingerichtet, das die Lage täglich bewerte.

Das Präsidialamt in Moskau erklärte am Mittag, die verlangte Zahlung in Rubel werde nicht unmittelbar, sondern schrittweise umgesetzt. Bis zum Donnerstag will Russland nach bisherigen Ankündigungen Vorkehrungen treffen, damit Gas in Rubel bezahlt werden kann. In den vergangenen Jahren bezog Deutschland über die Hälfte seinen Gases aus Russland. In den ersten drei Monaten dieses Jahres ist der Anteil auf 40 Prozent zurückgegangen. Laut Habeck geht das vor allem darauf zurück, dass mit anderen Anbietern neue Lieferverträge für Flüssiggas geschlossen wurden. Um von russischem Gas unabhängig zu werden, benötigt Deutschland nach früheren Äußerungen Habecks noch bis Mitte 2024.

FRÜHWARNSTUFE ERSTE VON DREI STUFEN


Die Frühwarnstufe ist nur die erste von drei Krisenstufen.Read full story Sie verstärkt vor allem die Zusammenarbeit von Behörden und Gasversorgern, um für einen möglichen Gasmangel gewappnet zu sein. Wenn Russland seine Gas- und Öllieferungen einstellen sollte, "dann werden wir damit umgehen können", sagte Habeck. Details nannte er nicht. Entscheidend sei, wie voll die Gasspeicher im Herbst und zum Winter hin seien. Die Speicher in Deutschland seien derzeit zu etwa 25 Prozent gefüllt, und derzeit würden alle Lieferverträge erfüllt. Er rief Wirtschaft und Verbraucher auf, Gas und Energie insgesamt zu sparen. "Jede eingesparte Kilowattstunde Energie hilft", sagte der Minister.

Der Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft (BDEW) forderte konkrete Vorbereitungen auf Versorgungsengpässe. "Obwohl aktuell noch keine Mangellage vorliegt, ist es notwendig, dass alle Beteiligten für den Fall einer Lieferunterbrechung mit russischem Erdgas einen klaren Fahrplan zu ihren Rechten und Pflichten haben", sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae zu Reuters. "Das heißt, wir müssen jetzt die Notfallstufe konkret vorbereiten, denn im Fall einer Lieferunterbrechung muss es schnell gehen." Erst in der Notfallstufe müsste vor allem die Industrie mit staatlichen Einschränkungen rechnen. Haushalte gelten als geschützt und würden auch dann weiter beliefert.

In dieser letzten Stufe käme der Bundesnetzagentur eine entscheidende Rolle zu, die auch im Krisenteam beim Wirtschaftsministerium vertreten ist. Sie übernähme in einer Gasmangellage die Zuteilung der Gasmengen. Ihr Präsident Klaus Müller nannte die Ausrufung der Frühwarnstufe richtig. Ziel bleibe es, eine Verschlechterung der Gasversorgung durch Einsparungen und Zukäufe zu vermeiden. Die Bundesnetzagentur "bereitet sich auf alle Szenarien vor", twitterte Müller.

Eine Rationierung der Gasversorgung für die Industrie bliebe nicht ohne Folgen für das Wirtschaftswachstum. "In diesemFall dürfte es zu einem Rückgang der industriellen Produktion im nächsten Winter kommen", schreibt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) in seinem am Mittwoch vorgelegten Gutachten. "Eine frühzeitige Reduktion des Gasverbrauchs, etwa durch den teilweisen Ersatz der Gasverstromung durch Kohleverstromung, könnte Engpässe im kommenden Winter lindern", empfahlen die Wissenschaftler.

rtr