von Roland Klaus, Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf
Wurde beim Darlehensvertrag eine falsche Widerrufsbelehrung verwendet, urteilen viele Gerichte, beginnt die Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht zu laufen. Im Ergebnis dürfen solche Verträge noch Jahre nach dem Abschluss widerrufen werden, und der Kreditnehmer kann trotz laufender Zinsbindung den Ausstieg aus seinem Darlehen verlangen. So können Hausbesitzer den Zins ihres Kredits gut und gern halbieren - für die meisten eine Ersparnis von mehreren Hundert Euro pro Monat.
Doch in der Praxis ist der Ausstieg aus einem Darlehen kein Selbstläufer. Die "Interessengemeinschaft Widerruf" hat knapp ein Jahr nach Gründung mehr als 3000 Kreditverträge auf falsche Widerrufsbelehrungen geprüft. Ergebnis: Gut 70 Prozent der Darlehen aus den Jahren 2002 bis 2011 sind fehlerhaft. Der Widerrufsjoker ist also ein Massenphänomen. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - ist es häufig ein weiter Weg zur Halbierung des Zinssatzes. Unsere Erfahrungen zeigen, dass kaum ein Kreditinstitut Entgegenkommen zeigt, solange der Kunde auf eigene Faust agiert. Das ändert sich, wenn ein Anwalt eingeschaltet wird, der die speziellen Fehler des jeweiligen Vertrags aufzeigt und einschlägige Urteile zitiert. Etliche Banken signalisieren dann Vergleichsbereitschaft, um nicht vor Gericht zu verlieren.
Zur Gruppe vergleichsbereiter Banken gehören beispielsweise die ING DiBa, einige Sparda-Banken, die Berliner Bank, einige PSDBanken, die BB Bank sowie Versicherungen wie Ergo, Debeka und Allianz. Auch viele Volksbanken und Sparkassen zählen dazu. Der typische Vergleich sieht so aus: Der Kunde kommt mit einer Finanzierung, die noch vier bis fünf Jahre Zinsbindung hat und ihn fünf Prozent Zins kostet. Nach einigem Hin und Her einigt man sich, den Zins für die verbliebene Laufzeit auf zwei bis 2,5 Prozent abzusenken - oder zehn neue Jahre zu zwei Prozent abzuschließen. Alternativ wird der Vertrag ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig beendet, und der Kunde kann die Bank wechseln. Der Verbraucher spart durch die Halbierung des Zinssatzes massiv: Bei einem Kreditvolumen von 200 000 Euro sind das bei diesem Vergleich über fünf Jahre bis zu 30 000 Euro.
Allerdings gibt es eine zweite Gruppe von Kreditinstituten, die nicht so kulant ist. Zu ihr gehören beispielsweise Deutsche Bank, Commerzbank und DKB. Sie agieren wenig kundenfreundlich nach dem Motto: "Wenn du was willst, dann verklag mich doch." Sie sind sich zwar der Tatsache bewusst, dass sie vor Gericht in der Regel den Kürzeren ziehen. Aber sie setzen darauf, dass viele Kunden das Kostenrisiko einer Klage scheuen. Nicht ganz zu Unrecht: Die Gerichte setzen in der Regel die gesamte Kreditsumme oder zumindest die aktuelle Restschuld als Streitwert an. Das lässt das Kostenrisiko rasch in den fünfstelligen Bereich schnellen.
Daher sollten Verbraucher auf jeden Fall mit ihrem Anwalt besprechen, welche Vorgehensweise in ihrem Fall sinnvoll ist. Zumal sich die Lage schnell ändern kann, wie ein Beispiel zeigt: Für Ende Juni war ein Widerrufsjoker-Fall vor dem BGH angesetzt. Es sollte um die sogenannte Verwirkung gehen - ein häufiges Argument jener Banken, die den Widerruf ihrer Kunden zurückweisen. Experten gingen davon aus, dass der BGH dieses Argument in der Luft zerreißt und damit die Position der Kunden stärkt. Doch wenige Tage vor dem Anhörungstermin zog der Kläger seine Klage plötzlich zurück. Berichten zufolge hatte die Bank klein beigegeben und bezahlt - manche sprechen gar von einem Aufschlag, der bezahlt wurde, um das BGH-Urteil zu vermeiden.
Dieses Beispiel zeigt, wie nervös die Banken sind - und wie groß die Chancen der Verbraucher. Klar ist: So spannend dieses Thema ist - es hat eine überschaubare Restlaufzeit. Denn Kredite, die nach 2011 abgeschlossen wurden, sind kaum noch fehlerhaft. Daher lohnt es sich, Finanzierungen, die aus der fraglichen Zeit - 2003 bis 2011 - stammen, bald prüfen zu lassen.
Roland Klaus
Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt und ist Gründer
der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie
dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf
von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen,
und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln
in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Börsenreporter
für n-tv, N24 und den US-Finanzsender CNBC.