Zwei Dutzend Hedgefonds klagen vor dem dortigen Landgericht auf insgesamt 1,36 Milliarden Euro Schadenersatz, weil sie sich durch VW-Großaktionär Porsche im Übernahmepoker um Volkswagen vor fünf Jahren getäuscht sehen. Sie argumentieren damit, dass Porsche eine Übernahme von VW abgestritten habe, obwohl diese still und heimlich vorbereitet worden sei. Der mit Spannung erwartete Zivilprozess ist der erste große in einer Klageserie von insgesamt rund 100 institutionellen und privaten Investoren an bundesweit inzwischen vier Gerichten.

Die von den Familien Porsche und Piech kontrollierte Porsche-Holding sieht sich mit Schadenersatzforderungen von insgesamt 5,7 Milliarden Euro konfrontiert. Das Unternehmen hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen und nach eigenen Angaben keine Rückstellungen für die Prozessrisiken gebildet. Der VW-Großaktionär sitzt allerdings auf einer Nettoliquidität von gut 2,6 Milliarden Euro, die eigentlich für Investitionen in neue Geschäftsfelder vorgesehen ist.

Hintergrund der Klage der Hedgefonds - darunter in der Branche bekannte Namen wie Viking Global Investors, Glenhill Capital und Greenlight Capital - ist die gescheiterte Übernahme von VW durch Porsche. Die Stuttgarter hatten sich seit 2005 in Trippelschritten bei VW eingekauft, im März 2008 aber bestritten, dass sie den viel größeren Wolfsburger Konzern beherrschen wollten. Viele Investoren vertrauten darauf und setzten auf fallende VW-Kurse. Sie hatten sich VW-Aktien geliehen und diese verkauft - mit dem Ziel, sie später billiger zurückzukaufen und die Differenz als Gewinn einzustreichen.

Dann wurden sie auf dem falschen Fuß erwischt. Im Oktober 2008 ließen die Stuttgarter die Katze aus dem Sack: Sie gaben bekannt, dass sie sich bereits den Zugriff auf fast drei Viertel der VW-Stimmrechte gesichert hatten. Die Aktien des Wolfsburger Autokonzerns sprangen auf mehr als 1000 Euro und machten Volkswagen zwischenzeitlich zum an der Börse weltweit wertvollsten Unternehmen. Viele Hedgefonds und auch einige Privatanleger mussten die Aktien daraufhin extrem viel teurer zurückerwerben, um ihre Leerverkäufe abzuwickeln.

DURCH ALLE INSTANZEN

Eine gütliche Einigung, die bei Zivilklagen in der Regel zunächst angestrebt wird, ist in diesem Fall nicht zu erwarten, denn Porsche ist zu keinem Vergleich bereit. "Wir werden durch alle Instanzen gehen", kündigte ein Sprecher an. Das Gericht kann grundsätzlich zwei Wege einschlagen. Es könnte die Klage für nicht schlüssig einstufen oder von geringen Erfolgsaussichten sprechen - dann wäre damit zu rechnen, dass die Klage abgewiesen wird. So ging das Landgericht Braunschweig mit den ersten beiden kleinen Schadenersatzklagen gegen Porsche über zusammen 3,6 Millionen Euro vor. Die in Stuttgart vorsitzende Richterin Carola Wittig könnte auch Zeugen vernehmen lassen und Gutachter bestellen - dann zöge sich die Verhandlung länger hin. Egal, wie es ausgeht - da beide Seiten in die nächste Instanz gehen wollen, kann es noch Jahre dauern, bis hier das letzte Wort gesprochen wird.

Fonds haben auch in Braunschweig und Hannover Milliardenklagen eingereicht. Bisher hat das Landgericht Braunschweig erst in einem kleineren Verfahren den 30. April als ersten Verhandlungstag angesetzt.

Neben den Zivilklagen, die zuletzt auch auf VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech und Porsche-Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche persönlich ausgeweitet wurden, stehen außerdem noch Strafverfahren an. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gegen Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und den früheren Finanzvorstand Holger Härter Anklage wegen Marktmanipulation erhoben. Sie hatten den Übernahmeplan in die Tat umgesetzt. Das Landgericht Stuttgart hat die Ende 2012 eingereichte Klage immer noch nicht angenommen. Härter und Wiedeking waren von Porsche geschasst worden, nachdem die Transaktion im Zuge der Finanzkrise 2009 gescheitert war. VW drehte damals den Spieß um und bewahrte Porsche vor dem finanziellen Ruin.

Härter wurde im Juni wegen Kreditbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er den Finanzbedarf von Porsche gegenüber Banken als zu niedrig beziffert hatte. Er legte gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof ein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt außerdem seit einem Jahr gegen sämtliche Aufsichtsratsmitglieder wegen des Verdachts der Beihilfe zur Marktmanipulation. Der am Montag beginnende Prozess ist daher allenfalls ein erster großer Schritt. Bis die Folgen der gescheiteren Übernahmeversuchs juristisch aufgearbeitet sind, dürften noch Jahre vergehen.

Reuters