Eigentlich ist die Ausgangslage recht gut. Mit einem Marktanteil von mehr als 40 Prozent sind die Heidelberger der mit Abstand weltweit führende Hersteller von Bogen-Offset Druckmaschinen. Was zunächst wie eine verlockende Perle aus dem Mid Cap-Bereich für Anleger aussieht, verliert bei näherer Betrachtung hingegen an Glanz. Schließlich gibt es an der Börse nichts geschenkt, die attraktiven Bewertungsrelationen werden nicht ohne Grund aufgerufen. Während der Finanzkrise hat der Druckmaschinenmarkt rund die Hälfte des Volumens verloren und sich seitdem auch nicht wirklich erholt. Die Folge waren massive Überkapazitäten und damit ein rasanter Preisverfall. Zudem verhinderten der rasante Aufstieg der elektronischen Medien und der Digitaldruck eine stärkere Erholung.

Der längerfristige Kursverlauf spiegelt die Lage entsprechend wider. Mitte 2007 zahlten Anleger für die Aktie noch 25 Euro, 2012 waren es kurzzeitig weniger als ein Euro. Inzwischen werden zwei Euro aufgerufen, eine Verdopplung ausgehend vom Tief. Die Papiere des ehemaligen Pleitekandidaten entwickeln sich allmählich zu einer Turnaroundstory. Aus gutem Grund.

Auch ein langer Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Statt sich dem Schicksal zu ergeben, krempelte das Management die Ärmel hoch und stellte den Konzern neu auf. Erstmals nach fünf Jahren erzielte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2013/14 wieder schwarze Zahlen. Das Nettoergebnis von vier Mio. Euro war nicht viel, aber ein wichtiger Anfang. Im vergangenen Jahr erfolgte die richtungsweisende strategische Neuausrichtung. Im Fokus standen der Umbau des Konzernportfolios auf profitable Geschäftsfelder und Wachstumsbereiche. Auch die Unternehmensstruktur wurde an das sich dynamisch verändernde Umfeld auf Seite der Kunden angepasst. Aus den vormals rund 200.000 Generalisten sind heute rund 15.000 Spezialisten geworden, deren Bedürfnisse neu adressiert werden müssen. "Wir haben Heidelberg fit für die Zukunft gemacht", sagte Unternehmenschef Gerold Linzbach.

Auf Seite 2: Wachstum mit neuem Fokus





Wachstum mit neuem Fokus



Eine klare Ansage und zugleich auch eine hohe Messlatte. Die Heidelberger sind im Kern auf einen Markt mit einem Investitionsvolumen von rund 14 Mrd. Euro in 2014 ausgerichtet. Rund 3000 mittel- bis sehr großen Kunden stehen für rund 80 Prozent des Umsatzes. Obwohl in den vergangenen Jahren die Kundenbasis deutlich schrumpfte, kletterte seit 2010 der durchschnittliche Umsatz pro Kunde um acht Prozent. Die Erlöse mit den Top-Kunden steigen, Heidelberger Druck scheint somit die richtigen Betriebe in der Branche auf der Liste zu haben. Wichtig für nachhaltigen Erfolg ist aber nicht nur der Verkauf von Maschinen, sondern Kunden, die als Partner gesehen werden. Beratung, Service und die Versorgung mit Verbrauchsmaterialen sind hier der Schlüssel zum Erfolg.

Um die verschiedenen Bedürfnisse besser zu befriedigen, wurde das Beratungs- und Dienstleistungsangebot massiv ausgebaut. Künftiges Wachstums soll sogar primär in den Bereichen Service und Digital erzielt werden. Molltöne gehören der Vergangenheit an, die Zeichen stehen auf Erholung. Im vergangenen Geschäftsjahr stärkte Heidelberger Druck seine Position bei den Verbrauchsmaterialien durch die Übernahme des langjährigen Partners PSG sowie im Bereich der Druckchemikalien mit dem Kauf der belgischen BluePrint Products. Durch beide Transaktionen ergibt sich ein künftiger Mehrumsatz von über 100 Mio. Euro. "Mittelfristiges Ziel ist es, mit Service und Verbrauchsmaterialien insgesamt einen Konzernumsatzanteil von über 50 Prozent zu realisieren", so das Management. Aktuell sind es 40 Prozent. Damit nicht genug. Im Bereich Digital bauten die Süddeutschen mit der vollständigen Übernahme von Neo7even und der Gallus-Gruppe sowie mit der Einführung einer digitalen Etikettendruckmaschine ihre Position in diesem Wachstumssegment ebenfalls weiter aus. Mit der Neuausrichtung nicht profitabler Aktivitäten sollen künftig Ergebnisverbesserungen von rund 30 Mio. Euro erzielt werden.

Optimiert wurde zuletzt auch die Finanzierungsstruktur. Unternehmensanleihen, syndizierte Kreditlinien und sonstige Instrumente wie Wandelanleihen bilden drei solide Säulen. Besonders dank der Hochzinsanleihe dürften die Zinsbelastungen künftig geringer ausfallen, meint DZ-Bank Analyst Jasko Terzic.

Natürlich hinterlassen solche Umstrukturierungen deutliche Spuren in der Bilanz. Im abgelaufenen Geschäftsjahr rutschte das Ergebnis nach Steuern nach plus vier Mio. Euro mit minus 72 Mio. Euro wieder in den roten Bereich. Ohne die Sondereinflüsse in Höhe von 99 Mio. Euro hätte das Unternehmen aber einen Jahresüberschuss erwirtschaftet.

Auf Seite 3: Sehr günstiges Chance-Risiko-Verhältnis





Sehr günstiges Chance-Risiko-Verhältnis



Inzwischen ist die strategische Neuausrichtung weitgehend abgeschlossen, Heidelberger Druck kann nun beim nachhaltigen und profitablen Wachstum voll durchstarten. Mit 654 Mio. Euro, einem Plus von gut elf Prozent, war der Auftragseingang im vierten Quartal sehr positiv. Nach Angaben des Managements setzte sich der Trend im April und Mai fort. Für das laufende Geschäftsjahr 2015/16 sowie auch mittelfristig wird ein Umsatzwachstum von zwei bis vier Prozent erwartet. In der zweiten Jahreshälfte sollte der Umsatz erneut höher ausfallen als im ersten Halbjahr. Greifen die beschlossenen Maßnahmen, dürfte die operative Marge gemessen am Ebitda bei mindestens acht Prozent und damit 193 Mio. Euro liegen. Genug, um schwarze Zahlen zu schreiben. Zudem wird das laufende Geschäftsjahr das erste Jahr ohne wesentliche Einmaleffekte sein.

Mit dem höheren Anteil des weniger zyklischen und zugleich profitablen Servicegeschäfts, einer geringeren Kapitalintensität und niedrigen Fixkosten sind die Aussichten für künftig nachhaltige Gewinne so gut wie schon lange nicht mehr. Durch die Cash-Flow-Zuflüsse ab dem nächsten Jahr können weitere Akquisitionen im Bereich Service gestemmt oder die Finanzschulden reduziert werden. DZ Bank, Warburg Research und Lampe haben den Wert auf Kaufen, die Kursziele reichen von 2,40 Euro bis 3,45 Euro. Auch Börse Online siedelt den fairen Wert mit drei Euro deutlich über dem aktuellen Kurs an. Nach der jüngsten Korrektur seit Monatsbeginn von rund 18 Prozent bietet sich mutigen Anlegern eine gute Einstiegsgelegenheit mit Kurspotenzial von 45 Prozent. Zugleich kann die Position sehr eng bei 1,85 Euro abgesichert werden, was ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis eröffnet. Auch wenn das Management im vergangenen Jahr einen Großteil der Hausaufgaben erledigt hat, bleiben die Herausforderungen natürlich weiterhin groß. Anleger sollten die Aktie daher nur als Depotbeimischung sehen und sukzessive zukaufen.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de