Im Vergleich zu früheren Jahren ist die Begeisterung für Börsengänge in Deutschland nach wie vor unterkühlt. Obwohl der DAX im Bereich des Rekordhochs notiert, gibt es nur wenige Erfolgsgeschichten. Zu den positiven Überraschungen zählt eindeutig Hella. In der ersten Handelswoche Mitte November 2014 markierte die Aktie bei rund 27 Euro auch das Tief, anschließend ging es stramm bis auf 48 Euro nach oben. Im Januar erfolgte bereits der Aufstieg in den SDAX, doch das Kleinwertesegment dürfte sich nur als Durchgangsstation erweisen.

Im Mai verkaufte die Eigentümerfamilie ein größeres Aktienpaket, der Streubesitz liegt nun bei 28 Prozent. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für den Aufstieg in den MDAX erfüllt, auch in punkto Marktkapitalisierung und Börsenumsatz sieht es nicht schlecht aus. Im September steht die nächste Indexentscheidung an, sollte der Sprung gelingen, rückt die Aktie noch stärker in den Fokus von institutionellen Investoren und dürfte kräftig profitieren.

Der Erfolg an der Börse ist natürlich kein Zufall. Als global tätiger Zulieferer mit Fokus auf LED-Beleuchtung und elektronischer Motorsteuerung ist das Unternehmen aus dem westfälischen Lippstadt in einem der aussichtsreichsten Segmente bestens positioniert. Im Bereich der LED-Scheinwerfer ist Hella Marktführer, bei den Elektronikbauteilen weltweit unter den Top 3. Über 100 Standorte in mehr als 35 Ländern sind ein Spiegelbild der internationalen Präsenz. Damit können Kundenbedürfnisse vor Ort zeitnah befriedigt werden, ein unschätzbarer Vorteil in einem von Innovationen geprägten Marktumfeld. Besonders zu den anspruchsvollen heimischen Herstellern bestehen gute Verbindungen.

Auf Seite 2: Die Megathemen in der Automobil-Industrie





Megathemen der Automobil-Industrie



Energieeffizienz, Sicherheit, Design und Komfort sind die großen Megathemen in der Automobilbranche. Der Beleuchtungsmarkt stellt dabei für Hella einer der zentralen Säulen in der Erlösausweitung dar, hier werden gut 40 Prozent vom Konzernumsatz generiert. Prognosen von L.E.K. Consulting gehen davon aus, dass der Markt für LED-Scheinwerfer in Europa von 2014 bis 2019 um 24 Prozent wächst, in den kommenden fünf Jahren wäre demnach eine Verdopplung zu erwarten. Das gesamte Fahrzeugbeleuchtungsgeschäft wird wahrscheinlich zweimal so schnell wachsen wie der allgemeine Automobilmarkt, für den eine jährliche Wachstumsrate von 2,6 Prozent bis 2020 erwartet wird. Hella ist damit in einer der interessantesten Nischen in einem global wachsenden Markt aktiv.

LEDs sind zwar gegenüber anderen Lichtquellen deutlich teurer, weisen allerdings auch zahlreiche Vorteile auf. Im Vergleich zu starren Halogen- und Xenon-Leuchten bieten LED-Scheinwerfer eine größere Vielfalt, einen besseren Energieverbrauch bei längerer Lebensdauer und mehr Flexibilität beim Design und Styling. Vorteile, die gerade im Premiumsegment von Kunden nachgefragt werden.

Auf Seite 3: Hohe Forschungsausgaben, starke Markstellung





Hohe Forschungsausgaben, starke Markstellung



Knapp 40 Prozent steuert das zweitgrößte Geschäftssegment Elektronik zum Konzernumsatz bei. Auch für diesen Bereich werden Wachstumsraten vorhergesagt, die deutlich über dem Niveau des Automobilmarktes liegen. Neben intelligenten Batteriesensoren für Start/Stopp-Systeme sind besonders Fahrerassistenzlösungen ein Boom-Markt, der zunehmend an Dynamik gewinnt. Während früher Radarsysteme in den oberen Fahrzeugklassen eingebaut wurden, sind die Sicherheitssysteme inzwischen ein wichtiges Verkaufsargument im Massenmarkt, was mit hohen Produktionszahlen einhergeht. Im Bereich Spurwechselassistenz, Totwinkel-Überwachung sowie Ein- und Auspark-Assistent zählt Hella zu den europäischen Marktführern.

Gerade das Thema Sicherheit wird in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Besonders das Elektronikgeschäft des Konzerns dürfte vom Trend zum "automatisierten Fahren" profitieren, für den komplexe Radar- und Sensortechnologien notwendig sind.

Dank der hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (F&E) hat sich Hella gute Markteintrittsbarrieren erarbeitet, um auch in Zukunft die führende Position zu verteidigen. Warburg-Analyst Björn Voss verweist auf das traditionell sehr hohe Verhältnis von Ausgaben für F&E im Verhältnis zum Umsatz von acht bis zehn Prozent. Zur Einordnung: Bei Continental liegt die Quote bei sechs Prozent.

Rund 20 Prozent der 30.000 Angestellten sind im Bereich F&E tätig. Neue Konkurrenten bleibt der Markt daher wohl verschlossen, denn die Produkte müssten entweder günstiger sein oder eine höhere Qualität aufweisen. Hella hat sich hier als Marktführer in vielen Bereichen ganz oben positioniert und kann zudem auf die seit Jahren gewachsenen Kundenbeziehungen setzen. Wichtig sind zugleich Kooperationen. Dabei bringt Hella sein Know-how mit anderen Automobilzulieferern zusammen und schafft so einen Mehrwert für Kunden. Abgerundet wird die Investmentstory schließlich mit dem Aftermarket-Geschäft. Hier ist das Unternehmen eine der größten europäischen Handelsorganisationen für Ersatzteile, Tools und Dienstleistungen.

Auf Seite 4: Ein Unsicherheitsfaktor





Drohende Kartellstrafe als Unsicherheitsfaktor



Angesichts der Ausgangslage überraschen die kürzlich gemeldeten Eckdaten nicht. "Mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr sind wir sehr zufrieden", sagte Mitte Juli Rolf Breidenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung. "Wir haben in unserer Geschäftsentwicklung insbesondere von der starken Nachfrage nach hochwertigen Licht- und Elektronikprodukten profitiert. Von dieser Basis aus blicken wir zuversichtlich auf das neue Geschäftsjahr." Konkret legte der Umsatz um neun Prozent auf 5,83 Mrd. Euro zu, dass Ebit kletterte mit 11,5 Prozent auf 445 Mio. Euro noch stärker. Damit legte auch die Ebit-Marge um zehn Basispunkte auf 7,6 Prozent zu. Die genauen Zahlen werden am 14. August veröffentlicht.

Einziger Schönheitsfehler sind kartellrechtliche Ermittlungen, die seit Juli 2012 laufen und von der EU-Kommission und dem US-Justizministerium verfolgt werden. Hella wird beschuldigt, den Markt abgeschottet und teilweise auch Preise festgesetzt zu haben. Nach Angaben von Warburg könnte die EU-Kommission eine Geldbuße in Höhe eines dreistelligen Millionen-Euro-Betrags festsetzen. Internen Untersuchungen zufolge gibt es Gründe für die Verletzung des Wettbewerbsrechts, Rückstellungen wurden aber offenbar noch nicht gebildet.

Auf Seite 5: Einschätzung zur Aktie





Einschätzung der Redaktion

BÖRSE ONLINE rechnet für das laufende Jahr mit einem Ergebnis je Aktie von 3,18 Euro, in 2016 sollten 3,54 Euro möglich sein. Daraus errechnet sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12,5, was viel Spielraum auf der Oberseite lässt. Die Dividendenrendite von zwei Prozent liegt zudem über dem SDAX-Durchschnitt. Technisch gesehen wurde mit der Seitwärtsbewegung seit März die vorherige Rally von rund 80 Prozent konsolidiert. Sollte die Aktie über 47 Euro steigen, dürfte der nächste Aufwärtsimpuls einsetzen. Warburg Research siedelt das Kursziel bei 55 Euro an, Börse Online bei 52 Euro. Abgesichert mit einem Stopp bei 36 Euro bietet der Small Cap für Nebenwertefans eine interessante Wachstumsstory.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de