Als sich die Pandemie im Frühjahr 2020 zuspitzte, gab Breidenbach (Jahrgang 1963) als einer der ersten Konzernchefs bereits am 18. März eine Gewinnwarnung heraus und leitete ein hartes Sparprogramm ein.
Bis zum Herbst entspannte sich die Lage jedoch wieder, und Breidenbach konnte vor Kurzem die Jahresprognosen des MDAX-Konzerns für das Geschäftsjahr 2020/21 (31. Mai) anheben. Der Umsatz soll demnach auf 6,1 bis 6,6 Milliarden Euro steigen (bislang 5,6 bis 6,1 Milliarden), die Vorsteuerergebnismarge bei sechs bis acht Prozent liegen (zuvor vier bis sechs). "Erfolgreich mit permanentem Kostendruck umzugehen, ist Teil unserer Autozulieferer-DNA. Deshalb stehen wir auch noch 120 Jahre nach der Firmengründung an der Spitze der weltweit führenden Autozulieferer", erläutert Breidenbach im Interview mit BÖRSE ONLINE.
Börse Online: Sie spüren "deutlich mehr Rückenwind vom Markt", wie Sie kürzlich sagten. Woher kommt die Unterstützung konkret?
Rolf Breidenbach: Die globale Fahrzeugproduktion hat sich in den letzten Monaten besser als erwartet entwickelt. Statt einem Minus von zwölf Prozent lag die Produktion im ersten Halbjahr nur noch um minus 4,3 Prozent zurück. Es wurden somit 3,6 Millionen Fahrzeuge mehr produziert als ursprünglich angenommen. Zurückzuführen ist das auf die schnellere Erholung der Wirtschaft Chinas sowie Nord- und Südamerikas, aber auch Europas.
Wie schlägt sich das bei Ihnen im Produktportfolio nieder?
Drei Viertel unseres Konzernumsatzes generieren wir im Automotivbereich mit innovativen Licht- und Elektronikprodukten. Dieses Geschäft ist wegen der höheren Fahrzeugproduktion gewachsen. Aber auch das Werkstatt- und Ersatzteilgeschäft hat sich positiv entwickelt.
Die Bewältigung der Corona-Krise dauert länger als erwartet. Wie planen Sie in einem solchen Umfeld für 2021?
Aufgrund der aktuellen Marktentwicklung blicken wir inzwischen deutlich optimistischer auf die kommenden Monate und haben die Prognose für das volle Geschäftsjahr angehoben. Doch das Marktumfeld bleibt labil und herausfordernd. Wegen der Corona-Pandemie werden wir weiter auf Sicht fahren müssen.
Was könnte ein verschärfter Lockdown bei Hella anrichten?
Ein großflächiger Lockdown, wie beispielsweise in Deutschland im Frühjahr könnte unsere Geschäftsentwicklung massiv beeinträchtigen, etwa in Form von Produktionsausfällen oder Störungen in der Lieferkette.
Wie kommen Sie mit dem eingeleiteten Sparprogramm voran?
Bis Ende 2023 sollen am Unternehmenssitz in Lippstadt in Verwaltung und Entwicklung rund 900 Stellen abgebaut werden, so sozialverträglich wie möglich. Bisher liegen wir gut im Zeitplan.
Welche Kosten fallen dafür an?
Die Einmalaufwendungen für die Gesamtmaßnahmen in Deutschland werden bei rund 240 Millionen Euro liegen, den Großteil dafür haben wir im ersten Quartal 2020/21 zurückgestellt. Bei erfolgreicher Umsetzung aller Strukturmaßnahmen ist mit einem jährlichen Beitrag für das Vorsteuerergebnis (Ebit) von rund 140 Millionen Euro zu rechnen.
Könnte das Sparprogramm auch noch einmal verschärft werden?
Als Autozulieferer unterliegen wir permanentem Kostendruck. Damit erfolgreich umzugehen, ist Teil unserer DNA und ein wesentlicher Grund dafür, warum wir 120 Jahre nach Unternehmensgründung noch immer mit an der Spitze der weltweit führenden Autozulieferer stehen. Mit Beginn der Pandemie haben wir uns nur noch auf die elementar wichtigen Kernaufgaben fokussiert. Klar ist aber auch, dass man ein Unternehmen nicht auf Dauer in diesem Modus fahren kann. Wir werden unsere Aktivitäten daher jetzt wieder schrittweise hochfahren.
Wie tragfähig ist das Geschäftsmodell? Könnte es zu Änderungen oder Erweiterungen kommen?
Mit unserem Geschäftsmodell sind wir für die Zukunft gut aufgestellt. Auf Basis des bestehenden Portfolios haben wir vielfäl- tige organische Wachstumsopportunitäten. Trotzdem schauen wir auch kontinuierlich über den Tellerrand, um uns durch mögliche Übernahmen gezielt zu verstärken. Ergänzungen können wir uns insbesondere in unserem Bereich Spezialanwendungen (Special Applications) und im Elektronikbereich vorstellen.