WAS BEI HELLOFRESH LOS IST:

Die zur Eindämmung der Corona-Pandemie erlassenen Maßnahmen wie die Schließung von Restaurants oder Geschäften sowie die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen haben weltweit zahlreiche Firmen schwer beeinträchtigt. Lieferdienste aller Art hingegen profitieren dagegen.

Im ersten Quartal - in dem sich die Pandemie in Europa oder Nordamerika erst im Verlauf des März niederschlug - konnte Hellofresh die Zahl der aktiven Kunden im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zwei Drittel auf 4,2 Millionen steigern. Die Zahl der versendeten Mahlzeiten wuchs noch etwas stärker auf gut 111 Millionen. Der Umsatz stieg um zwei Drittel Prozent auf 699 Millionen Euro, vor allem dank des US-Geschäfts, dem größeren der beiden Sparten des Unternehmens.

Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) erreichte 63 Millionen Euro - im Vorjahr hatte das Unternehmen noch rote Zahlen geschrieben. Auch unter dem Strich reichte es zwischen Januar und März für einen Nettogewinn. Das starke Geschäft vom Jahresanfang setzte sich dabei nach Aussagen des Managements vom Mai auch im zweiten Quartal fort, Umsatzwachstum und Profitabilität lägen noch einmal höher als in den ersten drei Monaten.

Aufgrund dessen traut sich der Vorstand auch für das Gesamtjahr 2020 mehr zu: Statt eines Umsatzwachstums von 22 bis 27 Prozent will Hellofresh nun zwischen 40 und 55 Prozent mehr Erlöse erwirtschaften. Auch bei der erwarteten bereinigten Ebitda-Marge geht Hellofresh statt von bisher 4 bis 5,5 Prozent nun von einem Wert zwischen 6 und 10 Prozent aus. Da bereits das erste Quartal mit einer Marge von 9 Prozent aufwartete, geht der Vorstand eher von einem Abflauen des aktuellen Rückenwinds aus.

Neben dem Einfluss der Corona-Pandemie hätten laut Vorstand jedoch auch andere Effekte zur guten Bilanz beigetragen. Konzernchef Dominik Richter verwies während der Hauptversammlung jüngst auf die Logistik-Infrastruktur, hier sei man den Mitbewerbern im Markt für Kochboxen einen Schritt voraus. Finanzchef Christian Gärtner fügte hinzu, die verbesserte Gewinnmarge sei unter anderem auf gesunkene Marketingausgaben zurückzuführen. Er sehe zudem noch keine direkten Auswirkungen der weltweiten Rezession auf das Geschäft, das Unternehmen sei aber vorbereitet.

Tatsächlich musste Hellofresh laut Richter seine Kundenakquise sogar zurückfahren, nachdem das starke Wachstum zu einer drohenden Vollauslastung der Produktion geführt habe. Zuvor hatte der Unternehmenschef noch darauf hingewiesen, dass Hellofresh seine Geschäftsprozesse auf Just-in-Time-Produktion ausgelegt habe und daher wenig Lagerhaltung betreibe. Bis zum Jahresende sollen jedoch 70 Millionen Euro in den weiteren Kapazitätsausbau investiert werden.

Auch sonst will das Unternehmen weiter wachsen, erst Anfang Mai hatte Hellofresh sich zu diesem Zweck über eine Wandelanleihe mit 175 Millionen Euro an frischem Kapital eingedeckt. Übernahmen sind dabei laut Richter nicht Kern der Wachstumsstrategie, wenngleich er Zukäufe bei attraktiven Bedingungen auch nicht ausschloss. Für das laufende zweite Quartal kündigte der Finanzchef einen weiterhin positiven Barmittelstand an.


Wollen Sie mehr Hintergründe und Einschätzungen zum Coronavirus, Informationen zu Dividenden und Hauptversammlungen und Empfehlungen und Strategien für Anleger: Dann lesen Sie jetzt die digitalen Einzelausgaben von BÖRSE ONLINE, €uro am Sonntag und €uro

Hat Ihnen der Artikel von boerse-online.de gefallen? Dann unterstützen Sie jetzt unabhängigen Journalismus mit einem kleinen Einmal-Betrag. Wir bieten laufend aktuelle Börsen-Analysen, spannende Realtime-News und objektive Nutzwert-Themen - die in diesen Zeiten wichtiger sind denn je. Vielen Dank.

Unterstützen Sie
unabhängigen Journalismus!

Wählen Sie einen Betrag:

Powered by

WIE SICH DIE AKTIE ENTWICKELT:

Die Anteilsscheine des Kochboxen-Lieferdienstes kennen seit Anfang Februar 2019 eigentlich nur den Weg von Rekordhoch zu Rekordhoch. Selbst der Corona-Knick fällt kaum auf. Seit Jahresbeginn hat die Aktie fast 170 Prozent an Wert gewonnen und stieg am Mittwoch erstmals über die Marke von 50 Euro. Das Corona-Tief bei 16 Euro Ende März war hierbei nur ein kurzer Ausrutscher nach unten.

Mit dem rasanten Anstieg der vergangenen Monate führt Hellofresh die Gewinner unter den deutschen Standardtiteln an. Kein Wert im MDAX, in den der Titel erst im März aufgestiegen ist, gewann mehr - aber auch im Dax (DAX 30) oder SDAX ist keine Aktie mit einem ähnlich hohen Kursplus zu finden. Am ehesten kann noch Shop Apotheke (Shop Apotheke Europe NV) mit einem Aufschlag von knapp 150 Prozent folgen.

Betrachtet man das Wachstum seit dem Beginn des vergangenen Jahres, wird noch klarer, welch steilen Aufstieg die Papiere des noch jungen Unternehmens hinter sich haben. Seit Ende 2018 beläuft sich der Zuwachs auf mehr als 700 Prozent. Seit August liegt der Kurs auch dauerhaft über der langfristigen 200-Tage-Trendlinie. Daran hat auch eine weltweite Rezession infolge der globalen Pandemie bisher nichts geändert.

Seit dem Börsengang im Oktober 2017, als die Aktien zum Preis von 10,25 Euro je Stück ausgegeben worden waren, hat sich der Kurs inzwischen fast verfünffacht. Wer am Tiefpunkt der einzigen längeren Verlustphase im Dezember 2018 mutig zugegriffen hat, konnte seinen Einsatz gar fast verneunfachen. Der Börsenwert von Hellofresh liegt inzwischen bei mehr als acht Milliarden Euro.

Damit rangiert das noch immer sehr junge Unternehmen unter den 60 MDax- Werten im oberen Drittel und hat in dieser Wertung zahlreiche Traditionskonzerne wie die Commerzbank oder die Lufthansa, die wegen des Kursverfalls ihrer Anteile im September 2018 beziehungsweise vor Kurzem aus dem Dax in den MDax abgestiegen sind, deutlich abgehängt.

WAS DIE ANALYSTEN SAGEN:

Unter den Marktbeobachter herrscht weiter Optimismus, was das Potenzial der Anteilsscheine angeht. Von den sechs im dpa-AFX-Analyser gelisteten Experten sprechen sich vier für einen Kauf und zwei für ein Halten der Papiere aus. Das durchschnittliche Kursziel liegt mit 43,80 Euro wegen der jüngsten Rally dabei unter dem aktuellen Niveau der Aktie. Keiner der Analysten hat dabei trotz der grundsätzlich positiven Einschätzung ein Ziel, das über dem Kurs vom Mittwoch liegt.

Für Marcus Diebel von der US-Bank JPMorgan bleibt Hellofresh einer seiner präferierten Werte in dem Sektor. Es gebe weiterhin viele Möglichkeiten neue Kunden zu gewinnen, dabei geht er davon aus, dass ungefähr zehn Prozent langfristig Kochboxen beziehen werden. Aufgrund eines etwas langsameren Wachstums in den USA senkt der Experte sein Kursziel zwar von 50 Euro auf 47 Euro, er halte die Papiere jedoch weiterhin für attraktiv und empfiehlt einen Kauf.

Die Experten des Bankhauses Metzler sehen den Kochbox-Lieferdienst als Marktführer in seinem Segment. Analyst Tom Diedrich zufolge ist Hellofresh viermal so groß als sein nächst größter Konkurrent. Auch er sehe das Unternehmen als Nutznießer der Corona-Pandemie, jedoch sei auch der allgemeine Trend zu einer gesünderen Ernährung gut für das Geschäft. Wegen der immer noch attraktiven Bewertung nehme er die Anteilsscheine daher mit einer Kaufempfehlung und einem Kursziel von 45 Euro neu auf.

dpa-AFX