Den Familienkonzern Henkel gibt es seit über 130 Jahren. Der 52-jährige Skandinavier hat den Vorstand in den vergangenen sieben Jahren drastisch verjüngt. Rorsted kam als Quereinsteiger aus der Computerbranche und arbeitete zunächst eng mit Vorgänger Ulrich Lehner zusammen. Noch vor dem planmäßigen Wechsel im Jahr 2008 hatte Lehner den Konzern mit dem Kauf der britischen National Starch nachhaltig verändert: Aus dem Persil-Hersteller wurde der Weltmarktführer bei Industrieklebstoffen.
Noch während der Finanzkrise formte Rorsted die neue Sparte zum stärksten Treiber der Gewinnmargen. Der damalige Chef des Konzerncontrollings, Carsten Knobel, setzte zugleich ein umfangreiches Restrukturierungsprogramm um.
Was Henkel bei der Marge schaffte, trauten nur wenige den Düsseldorfern zu: Seit 2009 stieg die operative Marge von rund zehn auf zuletzt 15,4 Prozent und damit so deutlich wie bei keinem anderen Konzern in der Branche. Das ist auch das Verdienst von Renditetrimmer Knobel, der seit Juli 2012 Finanzchef der Düsseldorfer ist. Während Rorsted im Ausland unterwegs ist, achtet Knobel darauf, dass der DAX-Konzern bei den Finanzkennziffern auf Kurs bleibt.
Mittelfristig müsste allerdings noch deutlich mehr drin sein, vor allem bei Klebstoffen: Henkels größter Rivale in diesem Bereich, der USKonzern 3M, brachte es im vergangenen Jahr auf fast 22 Prozent operative Rendite, Henkel auf 16,9.
Diesen Abstand will Knobel verkürzen, auch durch Zukäufe. "Wir haben eine solide Position als Weltmarktführer, sowohl nach Regionen als auch nach Produktkategorien. Deshalb wollen wir vor allem Technologien kaufen", sagt der Finanzchef gegenüber €uro am Sonntag.
Was mit modernen Technologien in diesem Bereich möglich ist, zeigt die Kooperation mit dem Autozulieferer Benteler-SGL. Henkel entwickelte ein spezielles Kunstharz und eine Technik, um Blattfedern für Fahrzeuge mit einem hohen Glasfaseranteil zu bauen. Diese Federn sind bis zu 65 Prozent leichter als Stahlprodukte.
Auch in der Flugzeugindustrie profitiert Henkel mit Entwicklungen im Kundenauftrag vom Trend zum Leichtbau. Ähnlich macht es Rivale 3M. Der Finanzchef will Henkel künftig stärker auf dieses Geschäft fokussieren. "Wir passen das Portfolio zugunsten von Produkten mit hohen Margen an und werden deshalb bis 2016 Geschäfte mit 500 Millionen Euro Gesamtumsatz verkaufen", sagt Knobel. Zudem will Henkel bis zu 30 Fabriken schließen, viele davon in der Klebstoffsparte.
Zugleich soll der Gesamtumsatz bis 2016 um ein Fünftel auf 20 Milliarden Euro steigen. Um den Spagat zu schaffen, sind Zukäufe notwendig. Vor Kurzem griff Henkel gleich zweimal innerhalb weniger Tage zu. Für 1,2 Milliarden Euro erwarb der Konzern Firmen in Frankreich und Amerika: Die Marken der französischen Spotless Group erweitern das Portfolio in den Nischenmärkten Waschmittelhilfen, Insektenschutzmittel und Haushaltspflegemittel. In den USA, wo Henkel mit Schwarzkopf bisher nur mit Produkten zur Haarcolorierung präsent ist, schnappten sich die Rheinländer Marken für Haarpflege und Styling.
Geld für weitere Deals ist vorhanden: Mit einer soliden Bilanz und deutlich höheren Mittelzuflüssen aus dem Tagesgeschäft kann Henkel bis zu 4,5 Milliarden Euro in Zukäufe investieren, ohne bei der Kreditbonität die wertvolle Note "A" zu riskieren. Auch für Aktionäre bleibt etwas übrig - allerdings weniger als bei der Konkurrenz. Während Meister-Proper- Hersteller Procter & Gamble drei Prozent Dividendenrendite springen lässt, kassieren Henkel-Aktionäre bislang lediglich 1,6 Prozent. €uro am Sonntag sprach mit Knobel über die Argumente für die Aktie.
€uro am Sonntag: Herr Knobel, wie sehen Sie Henkel: als Wachstumswert oder als Value-Aktie aus dem Konsumbereich mit möglichst attraktiver Dividendenrendite?
Carsten Knobel: Das muss jeder
Anleger für sich entscheiden. Aus
unserer Sicht hat sich die Kombination
aus den Konsumentengeschäften
in den traditionellen Bereichen
Waschmittel und Kosmetik sowie
dem überwiegend von Industriekunden
geprägten Klebstoffgeschäft
während der Finanzkrise 2009 sehr
gut bewährt. Mit diesem ausgewogenen
Portfolio ist es uns gelungen, die
operative Marge im Konzern von
etwa zehn Prozent im Jahr 2008 auf
heute über 15 Prozent zu steigern.
Parallel dazu haben sich relevante
Finanzkennzahlen wie die freien
Mittelzuflüsse, der sogenannte Cashflow,
oder die Nettoverschuldung
deutlich verbessert. Ohne unseren
künftigen strategischen Handlungsspielraum
einzuschränken, konnten
wir uns deshalb die Erhöhung der
Dividendenausschüttung für 2013
von 25 auf 30 Prozent des bereinigten
operativen Gewinns leisten. Zudem
haben wir einen Korridor für
Ausschüttungen festgelegt, der zwischen
25 und 35 Prozent des operativen
Gewinns liegt.
Was muss geschehen, damit
Henkel
mehr ausschüttet?
Wir werden das jährlich prüfen. Uns
ist bewusst, dass wir Aktionäre neben
der Dividendenausschüttung
auch über Aktienrückkäufe stärker
am Gewinn beteiligen können. Derzeit
ist das jedoch keine Option. Wir
sind überzeugt, dass Investitionen
in die Weiterentwicklung des Konzerns
einschließlich Akquisitionen
auch im Sinne der Anteilseigner der
beste Weg zu Wertsteigerungen bleiben.
Hat die Eigentümerfamilie auf eine
höhere Dividende gepocht?
Nein. Die Erhöhung für 2013 und den
Korridor für Ausschüttungen können
wir uns leisten, weil wir wesentliche
Finanzkennzahlen und unsere
Profitabilität verbessert haben.
Währungseffekte drückten den
Umsatz im vergangenen Jahr.
Kann das 2014 wieder der Fall sein?
Operativ, also ohne Berücksichtigung
der Währungseffekte, konnten
wir die Umsätze im ersten Quartal
um rund vier Prozent steigern. Und
das, obwohl Währungskurseffekte
einen negativen Einfluss auf die Erlöse
von fast sieben Prozent hatten.
Wir erwarten auch für das zweite
und dritte Quartal keine maßgebliche
Veränderung dieser Situation.
Kurzfristig können wir diese negativen
Effekte nur sehr bedingt auffangen
und müssen diese Schwankungen
deshalb aushalten.
Werden Sie deshalb die Preise in
den Schwellenländern erhöhen?
Nein. Aus unserer Sicht ist die Korrelation
zwischen Preisen und Währungseffekten
gering. Über höhere
Preise können wir nur den Anstieg
bei Rohstoff- und Materialkosten
ausgleichen. Und eine wesentliche
Verteuerung ist hier für 2014 bisher
nicht zu erwarten.
In Indien und Brasilien hat sich
Henkel aus dem wenig profitablen
Geschäft mit Markenartikeln verabschiedet,
in China aus dem
Waschmittelmarkt. Steht Weiteres
unter Beobachtung?
Nein. Aber wir überprüfen kontinuierlich
anhand konkreter Ziele die
Geschäftsentwicklungen in den Bereichen.
Wenn alles funktioniert,
wird weiter investiert. Wenn nicht,
dann sind wir auch bereit, eine Entscheidung
zu treffen und diese umzusetzen.
In dieser Hinsicht sind wir
heute deutlich konsequenter als
noch vor einigen Jahren.
Sie wollen die Konzernverwaltung
über sogenannte Shared Service
Center verschlanken. Was verbirgt
sich hinter dem sperrigen Begriff?
Im Wesentlichen geht es um die Bündelung
und Standardisierung von
Prozessen und Abläufen, die in jedem
Land, in jeder Sparte und in jedem
Bereich eines Unternehmens
mit weltweit 47 000 Mitarbeitern
ähnlich verlaufen. Wir wollen Henkels
Umsatz während der vier Jahre
zwischen 2012 und 2016 mit einer
etwa gleichbleibenden Anzahl von
Mitarbeitern um 25 Prozent steigern.
Das funktioniert nur über effiziente
Strukturen. Daher sind wir
auch dabei, die Anzahl der IT-Systeme
von derzeit über 30 auf eins zu
reduzieren. In Asien wurde die Einführung
gerade abgeschlossen. Eine
IT-Plattform ersetzt dort die mehr
als 20 bisherigen Systeme.
Sie sind Fußballfan - auch die
Bundesliga
verändert sich rasant.
Bei Ihrem Lieblingsklub Hertha
BSC stieg US-Finanzinvestor KKR
ein. Ihr fachmännisches Urteil?
Mit professionellem Management können Vereine heute viel erreichen, und wer in diesem Umfeld mehr verdienen will, der muss seine Strukturen weiter aufwerten. Was ich mir als Fußballfan allerdings nicht wünsche, ist eine Entwicklung, wie sie zum Teil in England zu beobachten ist, wo einzelne Investoren die Kontrolle über Vereine übernehmen. Zum Glück ist das in Deutschland nicht möglich.
Auf Seite 3 bis 5: Investor-Info