Wenn Deutschland die Klimaziele nicht erreicht, dann wird es sehr teuer: Erstens fallen spürbare Strafzahlungen an, und zweitens wird die hiesige Unternehmenslandschaft den technologischen Anschluss verlieren, weil andere Volkswirtschaften schneller und besser reagieren. Immerhin, Ideen sind vorhanden: Eine effektive Maßnahme zur Reduktion der Emissionen ist die Einführung einer umfassenden CO2-Bepreisung, wie vom Klimakabinett vorgestellt. Der vorgeschlagene nationale Emissionshandel mit festgelegtem Preispfad bis 2025 wirkt dabei ähnlich einer Steuer. Erst ab 2026 soll sich der Preis frei innerhalb von Unter- und Obergrenze bilden können. Die neue CO2-Bepreisung trifft alle Unternehmen, aber nicht alle gleich hart. Belastet werden dabei die Konzerne, die außerhalb des bereits bestehenden EU-Emissionshandelssystems operieren. Unter diesen Firmen werden vor allem die Unternehmen mit hohem Energieverbrauch und gleichzeitig geringem Stromanteil im Energiemix betroffen sein. Denn ihnen fällt es besonders schwer, auf die Bepreisung von CO2 kurzfristig zu reagieren.
Das ist eines der Ergebnisse einer Studie von Union Investment. Untersucht wurde, welche Auswirkungen die Einführung einer CO2-Bepreisung durch beispielsweise eine CO2-Steuer auf die Konzerne im DAX hätte. Die Ergebnisse sollten auf den Vorstandsetagen Betriebsamkeit auslösen: Fast jede der 30 Adressen steht selbst bei niedrigen Preisszenarien vor großen Hürden. Die Belastungen durch die zusätzliche Bepreisung von CO2-Emissionen bewegen sich in Milliardenhöhe. Selbst ein vergleichsweise geringer Preis von 30 Euro je Tonne CO2(-Äquivalente) würde den gesamten DAX jährlich rund 5,2 Milliarden Euro kosten. Das entspricht rund 3,7 Prozent des kumulierten operativen Ergebnisses (Ebit) der DAX-Unternehmen im Jahr 2018.
Stark betroffen wären Unternehmen in der Chemiebranche (BASF, Covestro, Linde), in der metallverarbeitenden Industrie (Thyssenkrupp), im Fahrzeugbau (BMW, Continental, Daimler, VW) sowie im Baugewerbe (HeidelbergCement). Im Extremszenario von 200 Euro je Tonne CO2(-Äquivalente) überschreitet die jährliche Belastung bei neun Unternehmen die Grenze von einer Milliarde Euro: HeidelbergCement, Linde, Deutsche Lufthansa, BASF, RWE, Deutsche Post, Eon, Covestro und Bayer. Kein unrealistisches Szenario, wie das Beispiel Schweden zeigt: Dort beträgt die CO2-Steuer aktuell etwa 114 Euro pro Tonne CO2.
Aus Investorensicht stellt sich die Frage, wie schnell diese Unternehmen es schaffen, ihre CO2-Emissionen zu senken. Die Antwort liegt nicht nur in der Fähigkeit und Flexibilität der Management-Teams, sondern auch in den spezifischen Produktionseigenschaften der Konzerne. Insgesamt scheinen Adidas, Allianz, die Deutsche Telekom, die Deutsche Bank sowie die Deutsche Börse kurzfristig besonders reaktionsfähig zu sein. Sie haben einen hohen Anteil von Strom am Gesamtenergieverbrauch. Der könnte technisch recht einfach durch die Nutzung erneuerbarer Energien ersetzt werden. Schwerer hätten es hingegen HeidelbergCement, RWE, die Deutsche Lufthansa, Thyssenkrupp, Eon, BASF sowie die Deutsche Post. Sie haben weniger Potenzial für kurzfristige Einsparungen. Lufthansa und Post wären besonders von einer Änderung der Besteuerung des Luftverkehrs betroffen, die aber wahrscheinlich international ausgestaltet werden muss. Auf die Versorger RWE und Eon kämen zudem erhebliche Änderungen im Nachfrageverhalten ihrer Kunden zu - weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energien.
Doch wie so oft wird es auch im Falle einer CO2-Bepreisung Unternehmen geben, die davon profitieren, wenn sie ihre Emissionen drastisch senken: Continental, Infineon, Fresenius, Fresenius Medical Care und die Deutsche Telekom. Für Investoren ist der Strukturbruch durch die CO2-Steuer in besonderer Hinsicht interessant. Denn gerade in diesen Situationen lässt sich ablesen, welche Unternehmen wirklich fit für die Zukunft sind.
Henrik Pontzen
Der Autor studierte Philosophie, Wirtschaftswissenschaften und Geschichte in Bonn und Kopenhagen und ist seit 2010 Lehrbeauftragter für Risikomanagement und -ethik an verschiedenen deutschen Universitäten. Dr. Pontzen leitet seit 2019 die Abteilung ESG im Portfoliomanagement von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken mit rund 350 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen.