Die breite operative Aufstellung in den kostenintensiven Bereichen Medizin- und Sicherheitstechnik einerseits und eine den Familieneinfluss sichernde, komplizierte und unflexible Finanzstruktur über Stamm-, Vorzugsaktien sowie Genussscheine andererseits hatte sich zu einem strukturellen Problem entwickelt. Solange das nicht bereinigt werde, werde das Unternehmen Wettbewerbskraft verlieren und deshalb weit unter seinem Potenzial gehandelt werden, lautete das Urteil. Nun hat Drägerwerk begonnen, die Defizite anzugehen. Dank der starken Nachfrage nach seinen Beatmungsgeräten in der Intensivmedizin und nach Schutzmasken in der Sicherheitstechnik haben die Lübecker 2020 sehr gut verdient. Diese Mittel werden nun zur Konzernoptimierung eingesetzt. Als ersten Schritt wurden noch 2020 die Genussscheine gekündigt. Dank der damals noch niedrigen Durchschnittskurse auch zu vertretbaren Konditionen. Die Kündigung kann satzungsgemäß aber erst Ende 2022 vollzogen werden.
Dass Drägerwerk das beschleunigen will, zeigt ein Kaufangebot über rund 100 Millionen Euro an die Inhaber des marktbreiten Genussscheins der Serie D. Es würde nicht überraschen, wenn weitere Gebote für ausstehende Genüsse folgen. Dass die Firma auf die Tube drückt, könnte ein Hinweis sein, dass noch mehr auf der Agenda steht. Firmenchef Stefan Dräger hat gerade Stammaktien ge- und Vorzüge verkauft. Steht die Einheitsaktie auf der Agenda? Aus Finanzierungsüberlegungen wäre das sinnvoll. Viele Investoren kaufen keine Vorzugsaktien, und die Stämme sind nicht liquide. Die Einheitsaktie hingegen hätte höheres Gewicht und mehr Käufer. Und sie wäre wohl auch Grundvoraussetzung für die aus Sicht des Unternehmens, aber auch der Aktionäre sinnvollste Maßnahme: die Verselbstständigung der beiden operativen Bereiche mit anschließender Abspaltung und Börsengang.
Unser Kolumnist Jörg Lang beschäftigt sich seit 1988 mit dem Thema Aktien.