Doch nun müssen Investoren umdenken. Der Stahlhändler schneidet im Umfeld der Corona-Krise nicht so schlecht ab. Während die Autoindustrie mit tiefroten Zahlen daherkommt, scheint es bei Klöckner besser zu laufen. Abgesehen von Rückstellungen für Restrukturierungen hat das Unternehmen im zweiten Quartal einen operativen Gewinn und positiven Mittelzufluss erwirtschaftet. Die schon vor langem eingeleitete Digitalisierung des Konzerns zahlte sich immer mehr aus: Klöckner war im Vergleich zu Wettbewerbern immer lieferfähig, der Anteil des digital erwirtschafteter Umsatzes stieg auf mehr als ein Drittel an.
Klöckner trimmt die Kosten weiter, will die Fixkosten um 150 Millionen Euro drücken. Das deutet darauf hin, dass Klöckner im normalen Umfeld leicht dreistellige Ergebnisse erwirtschaften kann. Angesichts dessen mutet ein Börsenwert von rund 500 Millionen Euro als zu niedrig an. Das gilt umso mehr, als Klöckner mit dem Online-Marktplatz XOM eine Handelsplattform aufgebaut hat, auf der heute schon alle führenden Stahlfirmen ihre Ware einstellen. Der Konzern sucht hier Co-Investoren. Angesichts dessen, was zur Zeit im Venture-Capital-Bereich für Plattform-Firmen gezahlt wird, ist nicht auszuschließen, dass auch der Wert von XOM unterschätzt wird. Es könnte aber auch sein, dass es gar nicht so weit kommt. Thyssenkrupp fließen aus dem Verkauf des Aufzuggeschäfts 17 Milliarden Euro zu. Einige Milliarden müssen investiert werden, um den Konzern neu aufzustellen. Der Werkstoffhandel wurde als Kerngeschäft auserkoren. 2019 gab es schon einmal Fusionsgespräche mit Klöckner & Co. Eine Übernahme würde nicht überraschen. Dass Ex-Thyssen-Chef Guido Kerkhoff ab September in den Klöckner-Vorstand einzieht, wird da nicht schaden.
Unser Kolumnist Jörg Lang beschäftigt sich seit 1988 mit dem Thema Aktien.