Natürlich sei diese Entwicklung dem Angriff Russlands auf die Ukraine geschuldet, sagen Investoren. Aber auch anderswo in der Welt könnte Anlegern der Boden unter den Füßen schnell weggezogen werden, und das ohne kriegerische Auseinandersetzung. An vielen Konzernen Chinas sind westliche Anleger mit sogenannten ADRs beteiligt. Diese hinterlegten Wertpapiere beziehen sich auf eine Offshore-Firma, die nicht mehr besitzt als Forderungen und ein Gewinnversprechen an eine chinesische Zwischenholding, die wiederum das operative Geschäft kontrolliert. So sind bekannte Firmen wie Alibaba, Tencent oder Baidu organisiert. Hier braucht es wenig, um Ausländer hinauszudrängen. Die Behörden müssen nur die Zwischengesellschaft aus irgendeinem Grund für obsolet erklären, und schon hängen die vermeintlichen Besitzer in der Luft.

Weil etwa Alibaba beim chinesischen Machtapparat um Staatspräsident Xi Jinping in Ungnade gefallen war, hatte die Redaktion schon in Januar 2021 an dieser Stelle vor der Aktie gewarnt. Sie hat sich seitdem mehr als halbiert. Weil Alibaba zudem schwache Zahlen lieferte, hat sich die Talfahrt noch beschleunigt. Ob hier etwas im Busch ist? Klar ist auf jeden Fall: Ein weiterer Einbruch bei Alibaba würde etwa bei der japanischen Softbank Group wie eine Bombe einschlagen. Die Beteiligungsfirma ist größter Aktionär. Um die Verpflichtungen gegenüber den Anteilseignern der VC-Fonds zu decken, wurden Milliardenkredite aufgenommen, die auch mit Aktien von Alibaba besichert sind. Schon zum Jahreswechsel war die Verschuldungsquote im gefährlichen Terrain. Seitdem hat sich die Situation weiter verschlechtert: Wer bei Alibaba skeptisch ist, darf bei Softbank Group nicht dabei sein.

Unser Kolumnist Jörg Lang beschäftigt sich seit 1988 mit dem Thema Aktien.