Im Hintergrund nutzt der Konzern den Konjunktureinbruch und geht auf Schnäppchenjagd, um sich für die Zukunft zu positionieren. Spannend wird es am 30. April, wenn nicht nur die Zahlen zum abgelaufenen Quartal erwartet werden.
Natürlich ist auch ein Gigant wie Apple nicht immun gegen die negativen Folgen der Corona-Krise. Wenn in China nicht produziert wird und die Wirtschaft still steht, gibt es auch keine neuen iPhones. Inzwischen ist der erste Schock aber überwunden und zumindest in China kommt der Konjunkturmotor wieder in Schwung. Angaben der China Academy of Information and Communications Technology (CAICT) zufolge sollte die iPhone-Absatzmenge im März wieder spürbar anziehen. Von 42 hauseigenen Stores begrüßen 38 wieder Kunden. Auch in Europa greifen erste Lockerungsmaßnahmen, die USA sollten bald folgen. Solange eine zweite Virus-Welle ausbleibt und kein erneuter Shutdown notwendig wird, besteht die Hoffnung auf Nachholeffekte.
Neue Prognose?
Allerdings sollten Anleger auch Enttäuschungen einkalkulieren. So rechnen die Analysten von Goldman Sachs im laufenden Quartal mit einem Einbruch der iPhone-Verkäufe von 36 Prozent. Die Zahlen am 30. April für das zweite Quartal könnten eine erste Richtung vorgeben. Apple wird sehr wahrscheinlich seine eigenen Prognosen aus dem Vorquartal deutlich verfehlen. Nach einem Rekordumsatz im ersten Quartal von rund 92 Mrd. Dollar lag der Ausblick für das Q2 bei 63 bis 67 Mrd. Dollar. Bereits Mitte Februar folgte eine Gewinnwarnung, entsprechend gespannt ist der Markt, ob Apple am Donnerstag einen Ausblick liefern wird. Analysten rechnen für das dritte Quartal mit einem Gewinn je Aktie von 2,10 Dollar, vor drei Monaten waren es noch 2,47 Dollar.
Viele Menschen müssen herbe Einkommensverluste hinnehmen und werden für teure Neuanschaffung nur zögerlich tief in die Tasche greifen. Da Apples Produkte meist im Hochpreissegment angesiedelt sind, könnte der Absatz in den nächsten Wochen und Monaten leiden. Es gibt aber einen Hoffnungsschimmer: Seit Ende vergangener Woche ist das deutlich günstigere iPhone SE erhältlich. Mit einem Preis ab 479 Euro könnte die zweite Generation mögliche Nachfragerückgänge bei den teureren Produkten kompensieren. Aber selbst bei einer länger anhaltenden Krise ist Apple gut aufgestellt. Die hohe Nettogewinnmarge von knapp 30 Prozent lässt ausreichend Spielraum, um Preisanpassungen vorzunehmen.
Gigant auf Einkaufstour
Beruhigend sind auch die hohen Cash-Reserven des Konzerns von gut 100 Mrd. Dollar. Viel Geld, das nicht nur für Aktienrückkäufe und Dividenden zur Verfügung steht, sondern auch für Akquisitionen. Viele Unternehmen kämpfen derzeit ums Überleben und sind günstig zu haben. Diese Chance lässt sich Apple derzeit nicht entgehen. Ende März wurde die Wetter-App Dark Sky übernommen, die offenbar besonders genaue Wetterprognosen liefern soll. Apples Sprachassistent Siri könnte ebenfalls bald kräftig Auftrieb erfahren.
Mit der Übernahme des Voice AI Start-Up Voysis soll das Nutzerverständnis kräftig profitieren. Und auch im Bereich der Virtual-Reality Technologie schafft Apple Fakten. Die Übernahme der Livestreaming-App NextVR steht offenbar unmittelbar bevor. Mit der App soll es möglich sein, Virtual Reality-Videos auf die eigene Datenbrille zu übertragen. Ein Augmented-Reality-Headset soll 2022 folgen, die AR-Brille ein Jahr später.
Mit den Übernahmen schafft Apple derzeit die Voraussetzungen, um von lukrativen Zukunftsmärkten zu profitieren. Besonders der Artificial Intelligence Markt würde das ohnehin schon breite Produktportfolio gut ergänzen und sollte sich als Wachstumstreiber erweisen. Im Gegenzug sinkt die Abhängigkeit vom iPhone. Spannend sind auch Gerüchte aus der vergangenen Woche, nach denen der Konzern im kommenden Jahr erstmals Laptop-Modelle auf den Markt bringen könnte, die von selbst entwickelten Prozessoren angetrieben werden. Das Nachsehen hätte der bisherige Lieferant Intel.
Abgerundet wird die interessante Investment-Story durch das Kursbild. Das Crash-Tief im Bereich des Ausbruchsniveau um 220/230 Dollar bildet die Ausgangsbasis der laufenden Erholung. Anders als der Gesamtmarkt behauptet die Aktie den 50- und 200-Tage-Mittelwert, zugleich zeigt der langfristige Durchschnitt aufwärts. Übergeordnet gibt somit die Nachfrageseite die Richtung vor. Sollten bei der Bilanzvorlage keine unerwarteten negativen Überraschungen folgen, stellt die Region um 300 bis 330 Dollar die nächste Zielzone dar. Auf der Unterseite verläuft ein robuster Nachkaufbereich bei 215 bis 230 Dollar.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.
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