Vor diesem Hintergrund ist der Goldpreis seit August von rund 2.063 Dollar bis zu diesem Mittwochabend auf 1.718 Dollar je Feinunze gefallen. Die Notiz für das gelbe Edelmetall befindet sich somit nach dem starken Zuwachs von 25 Prozent im vergangenen Jahr noch in einer Konsolidierungs/Korrektur-Phase. Das Chartbild hat sich angesichts dieser Abwärtsbewegung zunächst verschlechtert.
Passiert ist das Ganze vor dem Hintergrund einer zuletzt auf 1,47 Prozent gestiegenen Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen. Das erreichte Niveau stellte dabei den höchsten Stand seit Beginn der Pandemie dar. Noch wichtiger für Gold ist, dass die Rendite der 30-jährigen US-Staatsanleihen seit Anfang des Jahres ebenfalls gestiegen ist und zwar von 1,64 Prozent auf in der Spitze 2,29 Prozent.
Der Ausverkauf der Anleihen kam zu einer Zeit, in welcher der zuvor zu beobachtende Ausverkauf des US-Dollar nachgelassen hat und der US-Dollar-Index in den vergangenen beiden Monaten seitwärts gehandelt hat. Da die politischen Entscheidungsträger immer noch eine immens expansive Geldpolitik unterstützten, hält die ANZ Bank aber die Wahrscheinlichkeit eines Rückgangs der Anleiherenditen für gering.
Allerdings erwarten die Analysten bei dem australischen Kreditinstitut nun auch, dass die US-Inflation in diesem Jahr 2,5 Prozent erreichen wird. In Kombination mit einer erwarteten weiteren Abwertung des Dollar sieht man den fairen Wert von Gold in der zweiten Jahreshälfte bei 2.000 Dollar je Feinunze. Das heißt, gemessen an der aktuellen Notiz von 1.723 Dollar ergibt sich ein Aufwärtspotenzial von gut 16 Prozent für den Fall, dass die Rechnung aufgeht. BÖRSE ONLINE berichtet über die Gründe für diese optimistische Prognose.
Abflüsse bei den Gold-ETFs
Nachdem das Jahr mit einem Paukenschlag begonnen hat, ist Gold in den letzten Wochen unter Druck geraten. Die Spotpreise erreichten zu Beginn des neuen Jahres noch 1.950 Dollar je Feinunze, sind aber in Richtung 1.700 Dollar gefallen.
Abgesehen von dem scharfen Ausverkauf in der zweiten Woche des Jahres, als die Preise innerhalb von drei Tagen um 100 Dollar je Feinunze fielen, ist der Rückgang einigermaßen allmählich verlaufen, so die ANZ Bank in einer aktuellen Studie.
Nach einem Coronavirus-bedingt schrecklichen Jahr habe sich der Markt schnell auf die aufkommenden positiven Aussichten konzentriert, da die Welt langsam in der Lage sei, die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen. Trotz eines jüngsten Schluckaufs habe die Einführung des Impfstoffs die Rallye bei Risikoanlagen beflügelt.
Es sei kein Wunder, dass Gold Probleme damit habe, gegen diesen zunehmenden Gegenwind anzukämpfen. Sichere Anlagen würden von den Anlegern gemieden, während risikoreiche Anlageklassen, wie z. B. Aktien, zwischenzeitlich Rekordhöhen erreichten. Dies habe zu einer Liquidation von Gold-ETFs geführt. Die Abflüsse seien in den letzten beiden Monaten des Vorjahres sprunghaft gestiegen, und die in ETFs gehaltene Goldmenge sei um 115,9 Tonnen gefallen (siehe nachfolgende Abbildung).
Steigende Anleiherenditen belasten die Investorennachfrage
Die Entwicklung bei den ETFs deckt sich laut ANZ Bank mit der gängigen Meinung, dass Gold leidet, wenn die Märkte mehr in Richtung Risiko neigen. Die Geschichte habe jedoch bei genauer Hinsicht gezeigt, dass sich Gold und Risikobereitschaft nicht immer in entgegengesetzte Richtungen bewegten. Beim Bullenmarkt von 2002-2007 sei der S&P 500-Index um mehr als 75 Prozent gestiegen, Gold habe aber trotzdem mit einem Anstieg von mehr als 125 Prozent auf 750 Dollar je Feinunze sogar noch besser abgeschnitten. Auch in den fünf Jahren nach der Finanzkrise von 2008 habe sich Gold besser als Aktien geschlagen.
Im aktuellen Fall deutet das Fair-Value-Modell der ANZ Bank jedoch darauf hin, dass der starke Anstieg der Anleiherenditen eine wichtige Rolle dabei gespielt hat, den Appetit der Anleger auf Gold zu verringern. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen sei kürzlich auf über 1,4 Prozent gestiegen und damit auf den höchsten Stand seit Beginn der Pandemie (siehe Abbildung). Noch wichtiger für Gold sei, dass die 30-jährige Rendite der US-Staatsanleihen ebenfalls spürbar gestiegen sei.
Die Anleiherenditen spielen im Goldbewertungsmodell der ANZ Bank eine wichtige Rolle. Da der Goldpreis keine Rendite abwirft, reagiert er empfindlich auf Zinssätze und ist daher eine gute Absicherung gegen Inflationserwartungen, heißt es erläuternd. Außerdem habe er eine starke negative Korrelation zum Dollar. Daher schneide Gold am besten ab, wenn die Inflation steige, die Zinsen fielen und der Dollar schwach sei. Umgekehrt habe Gold zu kämpfen, wenn die Inflation falle, die Zinsen stiegen und der USD stärker werde.
Der Ausverkauf bei den Anleihen sei zuletzt mit einer Abschwächung des jüngsten Dollar-Abverkaufs zusammengefallen, wobei der US-Dollar-Index in den letzten zwei Monaten seitwärts gehandelt worden sei. Nach einem Anstieg von mehr als 35 Basispunkten in den letzten beiden Monaten des letzten Jahres hätten sich die Break-Even-Renditen (d. h. die Inflationserwartungen) bis 2021 stabilisiert und sie seien seit Mitte Januar nur um fünf Basispunkte gestiegen.
Das ANZ-Gold-Bewertungsmodell weicht nur selten vom Goldpreis ab
Wie die Analysten weiter erklären, hat das eigene Goldbewertungsmodell historisch gesehen eine starke Korrelation mit dem Goldpreis gezeigt, mit einem R-Quadrat-Wert von 0,68 seit 2007 (siehe Abbildung unten). Die Spanne zwischen dem fairen Wert und dem tatsächlichen Preis habe sich im Allgemeinen innerhalb einer Spanne von +/- 100 Dollar je Feinunze bewegt. Seit 2008 betrage der mittlere Spread sogar nur 54 Dollar je Feinunze.
Die Spanne könne sich dabei erfahrungsgemäß aufgrund exogener Kräfte ausweiten. Eine Rallye an den Aktienmärkten im Jahr 2014 etwa habe dazu geführt, dass Anleger aus nicht renditeträchtigen Anlagen wie Gold abgewandert seien. Dies habe damals den Goldpreis um 250 Dollar je Feinunze unter den fairen Wert gedrückt.
Die Erwartungen der Anleger hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung anderer Anlageklassen trage ebenfalls zu den Abweichungen des Goldpreises vom fairen Wert bei. Im Jahr 2011 habe der Goldpreis um mehr als 300 Dollar je Feinunze über dem von der ANZ Bank berechneten fairen Wert gelegen. Dies habe sich bis zum Ende des Jahres normalisiert, nachdem die Renditen 30-jähriger Anleihen um mehr als 160 Basispunkte auf unter drei Prozent gefallen seien. Im Jahr 2014 lag der Goldpreis außerdem um bis zu 300 Dollar je Feinunze unter dem fairen Wert, wobei da ein starker Anstieg des Dollar die Anlegernachfrage nicht wesentlich beeinträchtigte.
Der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome Powell habe in der vergangenen Woche signalisiert, dass die Fed keineswegs dabei ist, die geldpolitische Unterstützung für die Wirtschaft zurückzufahren. Er wies Bedenken zurück, dass die Preise zu schnell stiegen, und betonte gleichzeitig, dass die Erholung der US-Wirtschaft noch einen langen Weg vor sich habe. Damit dürfte die Geldpolitik auf absehbare Zeit akkommodierend bleiben.
Der Optimismus des Marktes bezüglich der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Impfungen steige trotzdem. Die Coronavirus-Fallzahlen seien global betrachtet wieder rückläufig, wobei die jüngste Verbesserung in den USA zu den besten im Zuge dieser Pandemie gehört habe. Die Impfquoten dort entwickelten sich ebenfalls positiv, und Präsident Biden habe erklärt, dass der Impfstoff bis Ende Juli für alle Amerikaner verfügbar sein werde.
Gold-Nachfrage wird auch durch alternative Anlageklassen beeinflusst
Die Anlegernachfrage nach Gold ist nach Einschätzung der ANZ Bank durch die Bewegungen in anderen alternativen Anlageklassen abgelenkt worden. Institutionelle Anleger hätten sich auf der Suche nach Diversifizierung und höheren risikobereinigten Renditen Alternativen zu traditionellen Aktien und Anleihen zu Eigen gemacht. Der Anteil dieses Sektors ist laut Willis Towers Watson Investments von sieben Prozent im Jahr 1998 auf 23 Prozent im Jahr 2019 gestiegen. Die Goldallokationen seien Empfänger dieser Verschiebung gewesen.
Ein Teil des Geldes, das in alternative Anlagen fließe, scheint seinen Weg in Bitcoin gefunden zu haben. Kleinanleger und Daytrader hätten sich schon lange für die Kryptowährungen interessiert, aber Hedge-Fonds und institutionelle Anleger seien erst seit kürzerer Zeit auf dem Markt aktiv.
Aufgrund des Mangels an öffentlich gehandelten Investitionsmöglichkeiten für Bitcoin sei es schwierig gewesen, die Beteiligung von großen Investoren in diesem Sektor zu messen. Der Aufbau des Grayscale Bitcoin Trusts habe jedoch institutionellen Investoren einen einfachen, aber sicheren Weg in den Sektor ermöglicht. Man könne den Trust nun als Leitfaden für das institutionelle Interesse an Krypto-Assets betrachten. Das verwaltete Vermögen sei hier in den letzten Wochen von 1,4 Milliarden Dollar zu Beginn des Jahres 2020 auf über 35 Milliarden Dollar gestiegen.
Auch das wachsende Interesse an Bitcoin von institutionellen Anlegern unterstütze den Aufschwung der Krypto-Währung. Der Zahlungsriese PayPal habe Bitcoin angenommen, und Tesla habe kürzlich bekanntgegeben, dass es 1,5 Milliarden Dollar in die Kryptowährung investiert habe und sie als Zahlungsmittel akzeptieren werde.
Diese Ströme messen sich mit anderen alternativen Währungsmärkten, wie z. B. Gold. Nach Angaben des World Gold Council wird der gesamte oberirdische Bestand an physischem Gold auf rund 151.296 Tonnen geschätzt. Darin enthalten sind jedoch auch Bestände, die als Schmuck gehalten werden, sowie andere nicht spezifizierte Bestände, die sich nicht im Umlauf befinden. Ohne diesen Anteil liege die Marktkapitalisierung von Gold bei etwa 78.650 Tonnen. Basierend auf einem Preis von 1.800 Dollar je Feinunze beträgt der Wert des verfügbaren Goldes etwa 2,5 Billionen Dollar (siehe Abbildung unten). Im Vergleich dazu sei die Marktkapitalisierung von Bitcoin kürzlich auf über eine Billion Dollar gestiegen (siehe übernächste Abbildung unten).
Während die Analysten bei der ANZ Bank Investitionen in Kryptowährungen als spekulativen Handel betrachten, dürfte der schiere Umfang der Zuflüsse zuletzt aber den Glanz der Anlegernachfrage nach Gold geraubt haben.
Goldpreis mit Chancen auf einen Wiederanstieg
Bei ihrer Zusammenfassung zur Ausgangslage stellen die ANZ Bank-Analysten in ihrer Studie abgeschließend fest, dass die politischen Entscheidungsträger nach wie vor für eine immense geld- und fiskalpolitische Unterstützung der Konjunktur befürworten. Die Sicherung einer möglichst schnellen Rückkehr zum Niveau von vor dem Ausbruch der Pandemie, um die Narbenbildung zu minimieren, sei das primäre wirtschaftspolitische Ziel.
Die Impfungen sollten in den kommenden Monaten eine nachhaltige Normalisierung der wirtschaftlichen Bedingungen ermöglichen. All dies impliziere, dass sich die Aussichten für das Wachstum im Laufe des Jahres 2021 deutlich verbessern werden. Dies untermauere den Reflationstrade, ebenso wie die höheren Ölpreise und die Anzeichen eines sich verschärfenden Angebots-Inflations-Drucks.
Da nun mehr Klarheit über die Einführung von Impfstoffen, die fiskalischen Präferenzen der USA und die Inflationsdynamik Anfang 2021 bestehe, hat die ANZ Bank die eigene Wirtschaftsprognosen aktualisiert. Man erwartet nun einen Anstieg des US-BIP um 6,0 Prozent in diesem Jahr, wobei der Verbraucherpreisindex im Durchschnitt 2,5 Prozent betragen dürfte.
Aufgrund des Inflationsanstiegs dürften die Breakeven-Renditen noch stärker steigen als der erwartete Anstieg der nominalen Anleiherenditen im Laufe des Jahres (siehe nächste Abbildung unten). In Kombination mit einer weiteren Abwertung des Dollar sieht man den fairen Wert von Gold im zweiten Halbjahr bei 2.000 Dollar je Feinunze (siehe übernächste Abbildung unten).
In der Zwischenzeit gehen die Analysten davon aus, dass sich der Goldpreis im nächsten Quartal seitwärts bewegen wird, da der Ausverkauf bei den Anleihen anhalte und die Anleger die Reflation durch risikoreiche Anlageklassen spielen würden. Aber die Zeit des Goldes an der Sonne sei noch nicht vorbei, so das Urteil.