In der Ukraine gibt es nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Einigung auf einen Waffenstillstand einen Hoffnungsschimmer zur Lösung des zuletzt eskalierten Konflikts. Nach einem 16-stündigen Verhandlungsmarathon verständigten sich die Staats- und Regierungschefs von Russland, der Ukraine, Deutschland und Frankreich am Donnerstag in Minsk auf einen 13 Punkte umfassenden Friedensplan. "Das Wichtigste, was erreicht wurde, ist, dass von Samstag auf Sonntag eine generelle Waffenruhe ohne jegliche Bedingungen erklärt werden soll", sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko.

Merkel dämpfte allerdings Hoffnungen, die Krise sei ausgestanden: "Wir haben keine Illusion: Es ist noch sehr, sehr viel Arbeit notwendig." Fortbestehende Differenzen zeigten sich auch darin, dass entgegen diplomatischer Gepflogenheiten nicht alle vier Verhandlungsführer zusammen, sondern getrennt den Kompromiss der Presse vorstellten.

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50 KILOMETER BREITER KORRIDOR ZWISCHEN TRUPPEN UND REBELLEN

Die Einigung fußt auf ein bereits im September ebenfalls in Minsk beschlossenes Abkommen, das jedoch nicht eingehalten wurde. Größter Streitpunkt war nun, ob der aktuelle Frontlauf oder jener im vergangenen September Grundlage der Entflechtung von Regierungstruppen und Separatisten werden sollte. Seit September haben die Rebellen erhebliche Gebietsgewinne verbucht, die Poroschenko nicht anerkennen wollte. Der nun geschlossene Kompromiss sieht vor, dass sich die Regierungstruppen hinter die aktuelle Demarkationslinie zurückziehen, die Rebellen hinter jener vom September. Dadurch wird ein 50 Kilometer breiter Korridor zwischen den Konfliktparteien geschaffen.

Der 13 Punkte umfassende Friedensplan sieht unter anderem vor, dass beide Seiten ihre schweren Waffen aus der demilitarisierten Zone abziehen und Gefangene austauschen. Zudem sollen ausländischen Militärs ukrainisches Gebiet verlassen. Bis zum Jahresende soll die Ukraine die vollständige Kontrolle über die Grenze zu Russland übernehmen. Derzeit werden weite Teile des Grenzverlaufs von Rebellen beherrscht.

Nach Angaben des russischen Präsidialamtes wird auch die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine garantiert. Damit wird eine zentrale Forderung nicht nur der Ukraine, sondern auch westlicher Staaten erfüllt. Merkel hatte gewarnt, das gewaltsame Verändern von Grenzverläufen stelle die europäische Friedensordnung in Frage. Allerdings hat Russland bereits mit der Annexion der Halbinsel Krim eine Gebietserweiterung auf Kosten der Ukraine vollzogen.

Offen blieb, ob beide Seiten bis zum Beginn der Waffenruhe versuchen würden, weitere Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen. Ein Militärsprecher in Kiew sagte, in der Nacht zum Donnerstag seien Rund 50 Panzer und 40 Raketensysteme von Russland aus in die Rebellengebiete geschafft worden.

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WEITREICHENDE AUTONOMIE

Seit Mittwochabend hatten Poroschenko und Merkel sowie die Präsidenten Russlands und Frankreichs, Wladimir Putin und Francois Hollande nach Wegen für ein Ende der eskalierenden Kämpfe gesucht. Putin betonte, die Ukraine müsse eine Verfassungsreform vornehmen, damit die Rechte der Menschen in den östlichen Landesteilen respektiert würden. Der Kiewer Regierung warf er vor, direkte Gespräche mit Vertretern der Rebellen zu verweigern. Das russische Staatsoberhaupt vertrat die Interessen der Separatisten, die selbst nicht an den Minsker Friedensgesprächen beteiligt waren. Der Friedensplan sieht weitreichende Autonomie-Rechte für die Rebellen-Hochburgen Donezk und Luhansk vor. Zudem verpflichtet sich Kiew, Rentenzahlungen und andere soziale Leistungen für die Bevölkerung in den Separatisten-Gebieten wieder aufzunehmen.

"Ich will nochmal sagen, es ist ein Hoffnungsschimmer, nicht mehr und nicht weniger", sagte Merkel nach ihrer Ankunft beim EU-Gipfel in Brüssel, wohin sie von Minsk aus geflogen war. Der britische Premierminister David Cameron pochte darauf, dass die Sanktionen gegen Russland nicht aufgehoben werden sollten, bis sicher sei, dass Putin sein Verhalten geändert habe. Die EU hat bereits eine Verschärfung der Sanktionen beschlossen, die jedoch erst am Montag in Kraft treten sollen.

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SCHWIERIGE VERHANDLUNGEN IN MINSK

Die Verhandlungen in Minsk gestalteten sich schwierig. Merkel und Hollande strichen heraus, Putin habe auf die Separatisten Druck ausgeübt, damit sie in die Vereinbarungen einwilligten. Hollande wies darauf hin, dass sich alle vier Unterhändler darauf verständigt hätten, die Umsetzung der Vereinbarungen zu überprüfen. Merkel sagte: "Ich gehe davon aus, dass das auch nötig sein wird." Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) soll auf die Einhaltung der Absprachen achten.

Der Westen wirft Russland vor, die Rebellen mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen, was die Regierung in Moskau zurückweist. US-Präsident Barack Obama hielt Putin vor, sich bislang an kaum Vereinbarungen gehalten zu haben, und drohte mit Waffenlieferungen an das ukrainische Militär. Russland konterte bislang, der Westen habe den früheren prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in Kiew gestürzt. Zudem versucht die Nato aus Sicht Putins, ihren Einflussbereich entgegen den Absprachen nach Ende des Kalten Krieges auszuweiten.

Die Finanzmärkte reagierten erleichtert auf die Einigung. Die russische Aktienbörse lag mit einem Aufschlag von knapp sechs Prozent deutlich im Plus. Der Dax legte 1,4 Prozent auf über 10.900 Zähler zu. "Heute morgen sah es nicht unbedingt nach einer Einigung aus, daher reagiert der Markt jetzt so positiv", sagte Aktienstratege Bernd Krampen von der NordLB.

Reuters