Ein Wert von 101,4 Prozent für die sogenannte Schaden-Kosten-Quote in der Rückversicherung signalisiert, dass die Aufwendungen des Konzerns in seinem Kerngeschäft höher waren als die Prämieneinnahmen.
Erst bei Schaden-Kosten-Quoten unter 100 Prozent, wenn der Aufwand geringer ist als die Prämieneinnahmen, ist eine Versicherung profitabel. Das hatten Kapitalmarktexperten eigentlich auch bei Munich Re erwartet - im Durchschnitt hatten sie bei der wichtigen Profitabilitätskennziffer mit 92,8 Prozent kalkuliert. Denn auch Rückversicherer, die ihre Policen an sogenannte Erstversicherer wie die Allianz verkaufen, profitieren bei laufenden Versicherungsverträgen von der im Vergleich mit anderen Jahren geringen Anzahl der Schadenansprüche aus Naturkatastrophen.
Nachdem Munich-Re-Papiere am Donnerstag mit einem dicken Minus zu Handelsbeginn gestartet waren, schrumpften die Kursverluste im Tagesverlauf. Grund: Analysten hatten bei ihren Schätzungen ein wesentliches Ereignis nicht berücksichtigt.
Wie der Konzern mitteilte, konnten Ansprüche aus Schäden durch einen Schneesturm im Februar in Japan, die verspätet geltend gemacht wurden, erst im zweiten Quartal gebucht werden. Die 180 Millionen Euro sollen wesentlich für die hohe Schaden-Kosten-Quote verantwortlich sein.
Analysten fühlen sich unzureichend informiert. "Die 180 Millionen Euro sind der größte Anteil des ungewöhnlichen hohen Quartalsverlusts in der Rückversicherung. Ich bin überrascht, dass es, gemessen an den Auswirkungen des Ereignisses, bei der Bilanz zum ersten Quartal keine Hinweise gab", sagt Tom Carstairs, Analyst der Berenberg Bank.
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Verbissener Wettbewerb
Branchenprimus Munich Re bestätigte seine Prognose von drei Milliarden Euro Nettogewinn im Gesamtjahr. Im zweiten Quartal hatten Gewinne am Kapitalmarkt den Verlust in der Rückversicherung ausgeglichen, sodass die Münchner 765 Millionen Euro als Gewinn verbuchten. Im Kerngeschäft stellt sich der Konzern mit Blick auf das zweite Halbjahr wegen des von einigen Teilnehmern verbissen geführten Kampfes um Marktanteile auf Blessuren ein.
Bei der Schaden-Kosten-Quote werden für 2014 nur noch 95 statt 94 Prozent in Aussicht gestellt. Die Abweichung ist gering, der Ärger von Munich-Re-Chef Nikolaus von Bomhard über die rüden Methoden einiger Wettbewerber dafür umso größer. "Ich bin enttäuscht, verärgert, teilweise sogar entsetzt, wenn ich sehe, was an den Märkten passiert", wetterte der 58-jährige Branchenveteran bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz.
Einige Konkurrenten hätten sich in einem stagnierenden Rückversicherungsmarkt aggressive Wachstumsziele gesetzt und wollten diese jetzt mithilfe von Kampfkonditionen erreichen. "Ich bin lang genug im Geschäft, um sagen zu können: Das ist eine ungute Entwicklung", warnt von Bomhard, seit 2004 Chef der Nummer 1 unter den Rückversicherern, vor möglichen negativen Folgen.
Bei einigen Rückversicherungsanbietern liegen die Nerven offenbar blank. "Unsere eigene Industrie, die traditionellen Rückversicherer, versucht die Preise zu unterbieten, aus schierer Angst, Anteile zu verlieren", sagt Finanzvorstand Thorsten Jeworrek. In der Zentrale in der Königinstraße weiß man, wohin das führen kann. Zur Jahrtausendwende war Munich Re zu hohe Risiken eingegangen und schlitterte in eine Krise.
Daraus hat man gelernt. Bei der jüngsten Erneuerung von Rückversicherungsverträgen ging das Prämienvolumen, einschließlich eines Preisrückgangs von 3,6 Prozentpunkten, um gut sieben Prozent zurück. "Bei den vom scharfen Wettbewerb über Gebühr betroffenen Sparten und Regionen verzichten wir auf Umsatz", sagte von Bomhard.
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