Der Möbelkauf per Internet erschien vor Jahren noch undenkbar. Schließlich ist der Erwerb einer Einrichtung für zu Hause, anders als der Kauf von Lebensmitteln, in der Regel emotional gesteuert. Möbelstücke sind langlebig und begleiten ihre Käufer oft über Jahre und Jahrzehnte. Auf einem Sofa möchten viele Menschen daher vor dem Kauf gern auch mal Probe sitzen, auf einer Matratze liegen oder das Licht einer Lampe in natura sehen. Auch die Rückgabe oder der Umtausch ist bei Möbeln komplizierter und mit höherem organisatorischem Aufwand verbunden. Der weltweite Onlineanteil im Markt für Home & Living lag daher Ende 2020 noch unter zehn Prozent.
Doch die Zeiten ändern sich. Immer mehr Menschen nutzen das wachsende Onlineangebot, um auch große Möbelstücke und sperrige Wohnaccessoires bequem per Computer von zu Hause aus zu bestellen. Die Corona-Krise hat das Onlineshopping in der Möbelbranche zusätzlich beflügelt. Von diesem Trend profitiert auch der Onlinehändler Home24. Der Spezialist für Möbel und sonstige Wohnaccessoires ist in Europa in sieben Ländern aktiv und in Brasilien unter der Marke Mobly tätig. Die gleichnamige Tochter, an der Home24 noch mit 51 Prozent die Mehrheit hält, ist seit Februar 2021 am Novo Mercado in São Paulo börsennotiert.
Home24 liefert hierzulande seine mehr als 100 000 Produkte frei Haus - auch Retouren sind gratis. Das Angebot kommt gut an. Die Zahl der aktiven Kunden nahm im Jahresvergleich um 37 Prozent auf 2,4 Millionen zu. Auch Investoren zeigten sich zuletzt erfreut: Das Berliner Unternehmen überzeugte jüngst mit seinen Halbjahreszahlen. Im ersten Semester 2021 erhöhten sich die Umsätze währungsbereinigt auf 325 Millionen Euro, ein Wachstum von 52 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Erste Milliarde bis 2023
Gewinne macht Home24 unter dem Strich noch nicht. Auch die Margen sind mickrig: Zum Halbjahr blieb von den Einnahmen lediglich ein Prozent im Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen hängen. Das gehört allerdings zum Konzept. Firmenchef Marc Appelhoff setzt derzeit noch voll auf die Gewinnung von Neukunden und investiert zudem viel Geld in den Ausbau von Logistik- und Lagerkapazitäten sowie Technologie.
Appelhoff peilt bis zum Jahresende ein Umsatzwachstum in der oberen Hälfte zwischen 28 und 38 Prozent an. 670 Millionen Euro könnten demnach an Silvester in den Büchern stehen. 2023 will der Online-Möbelhändler bereits eine Milliarde Euro erlösen.
Das Management sieht weiterhin enorme Marktchancen durch die steigende Onlinenachfrage im Segment Home & Living. Die Bereitschaft, Möbel online zu kaufen, nehme spürbar zu, sagt Appelhoff. Die Corona-Pandemie treibt den Wechsel vom Offline- zum Onlinehandel in diesem Sektor nachhaltig an. Laut Schätzung des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Statista wird die Penetrationsrate der Einrichtungsbranche im Onlinehandel bis 2025 auf 18 Prozent steigen.
Angesichts des zu erwartenden Wachstums wird die Aktie aktuell eher günstig bewertet. Ein Börsenwert auf Höhe des Jahresumsatzes wäre ein faires Niveau. Eine Kursverdopplung bis 2023 erscheint mittelfristig durchaus realistisch.