Die Währungshüter begründeten ihre überraschende Entscheidung am Donnerstag mit dem immer stärker werdenden Dollar und dem anhaltend fallenden Euro. Dies hätte bei einem Festhalten an dem Mindestkurs von 1,20 Franken anhaltend starke Interventionen zur Folge gehabt. "Es machte keinen Sinn, eine wirtschaftlich nicht nachhaltige Politik weiterzuführen", sagte der Präsident der Schweizerische Nationalbank (SNB), Thomas Jordan. Experten und die Schweizer Wirtschaft kritisierten die Entscheidung. Die Schweizer Börse reagierte schockiert und sackte zeitweise bis zu 14 Prozent ab. Auch der Euro setzte seine Talfahrt fort.

Experten befürchten, dass die Schweizer Exportwirtschaft in Bedrängnis gerät, wenn der Euro zum Franken nicht wieder aufwertet. Am Donnerstag sackte die Einheitswährung weiter ab und notierte erstmals seit August 2011 zeitweise bei einem Franken. Erwartet werden zudem negative Auswirkungen auf den Tourismus, weil Urlaub in der Schweiz durch den starken Franken deutlich teurer wird. Die Schweizer Börse erlebte ihren stärksten Einbruch seit 1989. Aktienanleger verloren bis zu 140 Milliarden Franken. Devisenanleger dagegen, die zum bisherigen Mindestkurs in den Franken gewechselt waren, konnten einen hohen Gewinn einstreichen.

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JORDAN: MARKTREAKTIONEN SIND ÜBERTRIEBEN

Durch den vor mehr als drei Jahren eingeführten Mindestkurs war die SNB seit Wochen wieder gezwungen, Euro in Milliardenhöhe zu kaufen, da es die Einheitswährung nicht schaffte, sich von der Marke von 1,20 Franken zu lösen. Die internationale Entwicklung sei auseinandergedriftet, sagte Jordan. Die heftigen Marktreaktionen seien für die Währungshüter zweitrangig. Der Fall des Euro und der Aktienkurse seien eine Übertreibung, zu der die Kapitalmärkte nach einer so überraschenden Entscheidung einer Notenbank neigten, betonte Jordan. "Die Volatilität an den Märkten muss man hinnehmen." Der Markt werde sich auf einem vernünftigen Niveau einpendeln.

Die SNB habe ihren Handlungsspielraum zurückgewinnen müssen, den sie durch die Bindung an den Euro aufgegeben habe, betonte der Notenbankchef. Gravierende dauerhafte Nachteile für die Schweizer Wirtschaft befürchtet er nicht. Die Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren Zeit gehabt, sich an einen starken Franken anzupassen.

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SCHARFE KRITIK AUS DER WIRTSCHAFT

Für die Schweizer Wirtschaft dürfte das Exportgeschäft schwieriger werden, weil ihre Waren im Ausland teurer werden. Mehr als 50 Prozent davon gehen in die Länder der Euro-Zone. Importierte Waren werden dagegen billiger. Und die Schweizer Konsumenten dürften mit ihrem starken Franken noch mehr im Ausland kaufen, auch ihren Urlaub dürften sie vermehrt außerhalb der Schweiz verbringen.

Vertreter der Wirtschaft kritisierten den Schritt der Währungshüter daher scharf. "Bei einer schockartigen Aufwertung ist die Industrie überfordert", erklärte Rudolf Minsch, Chefökonom des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse. "Das wird sehr große Probleme geben." Entscheidend werde sein, wo der Euro Boden findet. "Mit 1,15 kann die Wirtschaft leben", erklärte Misch. "Bei 1,05 würde es zu einem größeren Einbruch kommen." Der Gewerkschaftsbund warnte, der Entscheid der SNB gefährde Löhne und Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft massiv. Nach Ansicht von UBS-Volkswirt Daniel Kalt hat das Risiko einer Rezession durch den Schritt der SNB schlagartig zugenommen. "Es fehlen einem die Worte!", erklärte Nick Hayek, Chef des Uhren-Weltmarktführers Swatch. "Was die SNB da veranstaltet, ist ein Tsunami."

Die SNB hatte die Euro-Kursuntergrenze im September 2011 zum Schutz der exportorientierten Industrie des Landes und zur Abwehr von Deflationsgefahren aufgrund sinkender Importpreise festgesetzt. Sie kaufte dann Euro in Milliardenhöhe. "Der Mindestkurs ist absolut zentral", hatte Jordan noch vor zehn Tagen gesagt. Dass nun der Druck auf die Preise in der Schweiz steigen dürfte, weil importierte Güter billiger werden, will die SNB hinnehmen. "Das Risiko für eine weitere Minus-Teuerung ist vorhanden. Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir in eine Deflationsspirale hineinkommen", sagte Jordan.

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STRAFZINS WIRD VERSCHÄRFT

Gleichzeitig mit der Aufhebung des Mindestkurses beschloss die SNB, den Strafzins auf Einlagen von Banken bei der Notenbank auf 0,75 Prozent von 0,25 Prozent zu erhöhen. Das soll Geld aus dem Ausland abschrecken und so den Franken schwächen. Zudem verschiebt die SNB das Zielband für ihren Referenzzins Dreimonats-Libor tiefer in den negativen Bereich auf minus 1,25 bis minus 0,25 Prozent.
Reuters