Mit Erdöl auch in Zeiten sinkender Preise reichlich Rendite zu erzielen, das ist das Ziel von H&R. Das familiengeführte Unternehmen mit Hauptsitz in Hamburg entwickelt mehr als 800 Produkte aus Mineralöl. Dazu zählen Weichmacher für Autoreifen oder Förderbänder, aber auch Grundöle für Schmierstoffhersteller und Weißöle für Kosmetik- und Pharmafirmen. Wachsemulsionen machen Baustoffe wasserabweisend und Paraffine werden beispielsweise zur Beschichtung der Innenseite bei Tetrapaks verwendet.



Krise gemeistert



Der enorme Wettbewerbsdruck unter den Raffineriebetreibern setzte H&R jahrelang zu. Bei Firmen wie H&R, die nur Öl verarbeiten und nicht fördern, machte sich vor allem die sinkende Nachfrage nach Endprodukten negativ bemerkbar. Dank eines knallharten Sparkurses und einer strategischen Neuausrichtung ist die Gesellschaft wieder auf Kurs - und hat aus Anlegersicht das Zeug zu einer der attraktivsten Turnaround-Storys unter den deutschen Nebenwerten.

Die Neunmonatszahlen untermauern: H&R wird 2015 nach zwei Verlustjahren wieder schwarze Zahlen schreiben. Während die niedrigen Rohstoffpreise den Umsatz um fünf Prozent auf 765,6 Millionen Euro schrumpfen ließen, schnellte der operative Gewinn vor Abschreibungen und Wertberichtigungen um mehr als das Doppelte auf 65,3 Millionen Euro nach oben. Auch wenn man einen außerordentlichen Ertrag von 4,9 Millionen aus einem Grundstücksverkauf und einem Sonderertrag aus Versicherungsleistungen ausklammert, hat H & R damit bereits die für 2015 gesetzten Ziele erreicht. "Die nachlassende Wettbewerbsintensität hat sich hier in Verbindung mit den aktuell weniger schwankungsanfälligen Rohstoffen positiv ausgewirkt", erläutert Carsten Kunold, Analyst bei Oddo Seydler. Unterm Strich verdiente die Firma 29,1 Millionen Euro. Zudem wurde die Finanzkraft weiter gestärkt. Nach dem Minus von 18,3 Millionen Euro im Vorjahr verbuchte H&R einen operativen Cashflow von 33,7 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote verbesserte sich von 35,4 auf 42,1 Prozent.

Auf Seite 2: Rohstoffkosten als Margenhebel





Rohstoffkosten als Margenhebel



Ein Großteil des Umsatzes bei H&R ergibt sich letztlich aus den Rohstoffkosten. Steigt die Differenz zwischen Rohstoffkosten und Verkaufspreisen, sorgt das für höhere Margen. "Fallende Ölpreise sind grundsätzlich von Vorteil beim Einkauf unserer Rohstoffe", erklärt Vorstandschef Niels H. Hansen das Geschäftsmodell. "Fällt der Ölpreis aber zu schnell und zu stark, kann dieser Effekt in der Zeitspanne zwischen Einkauf des Rohstoffs und Abverkauf der fertigen Produkte zu Bewertungsproblemen führen." So musste H&R im vierten Quartal 2014 wegen des Preisverfalls für ein Barrel Rohöl von 80 auf 50 US-Dollar eine Einmalbelastung von 13,4 Millionen Euro verbuchen. Derartiges erwartet Hansen in diesem Jahr nicht mehr.

Umgekehrt kann H&R die höheren Einkaufspreise nicht automatisch an die Endkunden weitergeben. Ein möglichst wenig schwankender Ölpreis ist für H&R also ideal. Um den Kapitalbedarf in der Produktion zu senken, wurde das Rohstoff- und Energiemanagement gestrafft. So betreibt die Raffinerie in Salzbergen nur noch Auftragsfertigung - mit entsprechend niedrigeren Materialkosten.

Das größte Verbesserungspotenzial bei den Margen sieht Analyst Martin Rödiger von Kepler Cheuvreux an zwei Stellen: "H&R produziert im Vergleich zu herkömmlichen Raffinerien kein Benzin oder Diesel und wird versuchen, den Ausstoß von margenschwachen Nebenprodukten wie Bitumen für den Straßenbau weiter zu verringern. Zugleich wird das außereuropäische Geschäft, das für 31 Prozent der Erlöse steht, weiter ausgebaut." Einen Beitrag werden die im September 2014 mehrheitlich übernommenen Aktivitäten der Hansen & Rosenthal Gruppe in China mit ihren Spezialprodukten liefern. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 15 auf Basis des für 2016 erwarteten Gewinns je Aktie ist H&R deutlich günstiger bewertet als etwa Wettbewerber Fuchs Petrolub. Dessen im MDAX gelistete Vorzugsaktien kommen hier auf einen Wert von 22. Ein Grund für den Abschlag: Die volatilen Rohstoffpreise erschweren bei H & R die Gewinnprognosen. Zudem wird sich die zuletzt niedrige Steuerquote wieder normalisieren.

Allerdings hat der Aktienkurs des Hamburger Chemiekonzerns den deutlich größeren Hebel nach oben. Zumal in diesem Jahr erstmals seit 2011 wieder eine Dividende herausspringen wird. Langfristig könnte auch die Rückkehr in den SDAX ein Thema werden. Anleger sollten daher jetzt zugreifen.

Auf Seite 3: Die H&R AG auf einen Blick