Poughkeepsie ist eine mittelgroße Stadt am Hudson River, 80 Bahnminuten von New York City entfernt. Ein Stück nördlich von der IBM-Zentrale in Armonk gelegen, hängt auch hier das Schicksal der 76 000 Einwohner bis zu einem gewissen Grad an dem Konzern, der bei Börsianern zunehmend in Ungnade fällt.

Früher stellte IBM in Poughkeepsie Lochkarten und Kopiermaschinen her. Heute arbeiten 4100 Beschäftigte hier. Um für Nachwuchskräfte attraktiv zu sein, errichtete der größte Arbeitgeber Volleyball- und Basketballplätze. Mitarbeiter erhalten gratis Apple-Uhren, die Zentrale motiviert sie zu einem gesunden Lebensstil. Wer sich Ziele steckt - beispielsweise täglich eine bestimmte Distanz zu laufen - und die guten Vorsätze zwölf Monate lang durchhält, bekommt 1000 Dollar von der Personalabteilung.

Es lief nicht immer so harmonisch. Als IBM Anfang der 90er-Jahre Tausende Stellen strich, stand Poughkeepsie unter Schock. Als 2014 die defizitäre Chip-Produktion verkauft wurde, regierte die nackte Angst. Mittlerweile kehrt langsam wieder Zuversicht zurück.

Dabei geht der Umsatz von IBM seit nun schon 20 Quartalen in Folge zurück. Zwischen Anfang Januar und Ende März schrumpften die Erlöse um 2,8 Prozent. Analysten hatten durchaus ein Minus erwartet, allerdings ein kleineres von nur 1,6 Prozent. Die Aktie knickte nach Vorlage der Zahlen um fünf Prozent ein. Von ihrem starken Kursrutsch Anfang letzten Jahres konnte sich die IBM-Aktie bislang nur unvollständig erholen. Derzeit notiert sie bei rund 160 US-Dollar - und ist damit noch weit entfernt von ihrem Rekordhoch aus dem März 2013. Damals kostete ein Titel zeitweise knappe 216 Dollar.

In den Städten Armonk und Poughkeepsie, beide im Bundesstaat New York, nahm man mit Erleichterung zur Kenntnis, dass Finanzvorstand Martin Schroeter sofort in einer Telefonkonferenz klarstellte, die Schwäche sei lediglich auf verzögerte Abschlüsse mit Kunden zurückzuführen. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis neue Verträge in trockenen Tüchern seien. Hoffnungsträger sind eine neue Server-Generation und der Mainframe (Großrechner) namens z13, von dem Ende des Jahres eine neue Version kommt. Das könnte den Umsatz ab dem vierten Quartal in Schwung bringen, hoffen Analysten.

Ob es die Farbe des Firmenlogos war oder die ursprünglich in blau gehaltenen Großrechner, die IBM den Spitznamen "Big Blue" verpassten, ist nie abschließend geklärt worden. Fest steht, dass die Mainframe-Sparte kein Wachstum mehr liefert. Was IBM einst groß machte, schrumpft nun. Immer mehr Firmen nutzen die flexible Cloud statt teurer Datenzentren. Immerhin Kunden aus sensiblen Branchen wie dem Finanz- oder Gesundheitssektor bleiben IBM treu - noch.

Der Kurs steht heute um gut 20 Prozent niedriger als vor fünf Jahren. Immer mehr Aktionäre verlieren die Geduld. Selbst der größte Aktionär Warren Buffett hat sich seit Jahresbeginn von einem beträchtlichen Teil seiner IBM-Papiere getrennt. Insgesamt habe die von dem Starinvestor gelenkte Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway rund dreißig Prozent ihrer Papiere des IT-Konzerns verkauft, wie Buffett dem US-Wirtschaftssender CNBC am Donnerstagabend sagte. Während die Holding Ende 2016 im Besitz von rund 81 Millionen Aktien war, hält sie jetzt noch etwas mehr als 50 Millionen Anteilsscheine.

"Ich bewerte IBM nicht mehr auf die gleiche Art und Weise, wie ich es vor sechs Jahren getan habe", erläuterte Buffett sein Vorgehen. Er habe die Firma nun wegen des zunehmenden Konkurrenzdrucks etwas niedriger bewertet - und die Papiere dann zu einem Preis von über 180 Dollar je Aktie in einer "vernünftigen Menge" verkauft. Bis auf Weiteres seien keine Verkäufe der restlichen Aktien mehr geplant.

Der letzte Aufrechte



Warum Buffett investiert bleibt, leuchtet ein: Die Bewertung ist günstig. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis beläuft sich auf rund elf. Gleichzeitig sprudelt der Cashflow. Er lag in den vergangenen drei Jahren trotz des Umsatzschwunds recht konstant zwischen 16,8 und 17,0 Milliarden Dollar.

Allein in diesem Jahr kassierte Buffett schon 1,8 Milliarden Dollar Dividende. Die Dividendenrendite von über drei Prozent macht die Sache auch für Privatanleger interessant, zumal sie seit mittlerweile 21 Jahren in Folge steigt. Seit 1916 (damals noch unter dem Namen "Computing-Tabulating-Recording Company") kam es stets zu einer Ausschüttung. Wohlgemerkt in jedem Quartal.

Und auch sonst liegt nicht alles im Argen: Fünf Jahre Umsatzrückgang bedeuten nicht zwangsläufig, dass auch der Gewinn schrumpft. Im ersten Quartal stieg das Ergebnis auf 2,38 Dollar je Aktie, das waren drei Cent mehr als Analysten erwartet hatten. Bis Silvester will Finanzchef Schroeter einen Gewinn von 13,80 Dollar je Aktie eingefahren haben, etwas mehr als 2016 (13,59 Dollar). Und Schroeter sieht auch den Umsatz wieder in Fahrt kommen: "Ich bin zuversichtlich, dass der IBM-Konzern wieder wachsen wird." Mit Cloud und künstlicher Intelligenz fährt IBM bereits 42 Prozent des Umsatzes ein.

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Hyperintelligenter Steuersparer



Und es soll noch mehr werden. Mit dem selbstlernenden Supercomputer Watson hat sich IBM einen Technologievorsprung verschafft. Ärzte nutzen Watson in der Krebstherapie. Auch Großkonzerne setzen ihn bereits sein. Steuerberatungsprofi H & R Block nutzt das Superhirn in seinen 10 000 Filialen, wo elf Millionen Bürger ihre Steuererklärung erledigen. Watson arbeitete sich durch 74 000 Seiten Steuergesetze und befasste sich mit Tausenden Steuerfragen von Kunden aus sechs Dekaden. Steuerexperten gehen davon aus, dass der Computer Bürgern zu höheren Rückerstattungen verhelfen kann.

Der Direktversicherer Geico, der zu Warren Buffetts Imperium gehört, nutzt Watson, um Kundenfragen zu bearbeiten. Der Bürobedarfsfilialist Staples und das Kaufhaus Macy’s setzen ihn ein, um mobile Apps zu optimieren. "Watson wird ein wirklich schlauer virtueller Assistent", freut sich IBM-Manager David Kenny.

Künstliche Intelligenz hilft, Arbeitsprozesse zu optimieren. Die Marktforscher von IDC prognostizieren, dass ab 2018 neue Unternehmenssoftware zu 75 Prozent mit künstlicher Intelligenz arbeiten wird. IBM ist Pionier. Zwar versuchen Amazon, Microsoft, Apple und Co aufzuholen. Doch Finanzchef Schroeter gibt alles, um den Vorsprung zu halten. Er erhöhte die Forschungs- und Entwicklungsausgaben von 1,46 auf 1,53 Milliarden Dollar - im Quartal!

Am Marist College in Poughkeepsie etwa tüfteln Studenten in einem eigenen IBM-Datenzentrum im Untergeschoss. Seit über 30 Jahren kooperiert die Uni mit Big Blue. Die Jobaussichten für die Absolventen sind prächtig. 90 000 Dollar Einstiegsgehalt und ein Startbonus von 20 000 Dollar seien Usus, heißt es auf dem Campus.

Im Kampf um die besten Köpfe, die künftig das Wachstum sichern sollen, ist das ein gutes Argument. Obwohl der Bundesstaat New York weit weg liegt von Kalifornien, war IBM-Chefin Virginia Rometty dabei, als Präsident Donald Trump die führenden Technologie-Vorstände aus dem Silicon Valley einlud. Rometty versprach bei dem Treffen, in den kommenden vier Jahren 25 000 Amerikaner einzustellen. Wobei das nur die halbe Wahrheit ist. In den weniger zukunftsträchtigen Sparten baut sie auch Stellen ab, um die Kosten zu senken.