"Die deutsche Wirtschaft stürzt in die Rezession", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Donnerstag. Angesichts der dramatischen Lage zündete die Europäische Zentralbank ein neues Notfallprogramm im Volumen von 750 Milliarden Euro. Die Bundesregierung arbeitet zudem an einem Hilfsfonds für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen im Volumen von 40 Milliarden Euro. Die Finanzmärkte konnten ihre rasante Talfahrt zunächst stoppen, blieben aber nervös.

Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt von UniCredit, verweist auf die historischen Dimensionen der Krise: "In der Wirtschaftsgeschichte hat es in den vergangenen 100 Jahren nur dreimal eine Schrumpfung von fünf Prozent oder mehr gegeben: 2009, 1932 und 1931." Das Münchner Ifo-Institut geht davon aus, dass sich der Kojunktureinbruch von 2009 im schlimmsten Fall 2020 wiederholen wird. Angesichts dieser düsteren Aussichten ist die Stimmung in den Chefetagen im Keller: Das vom Ifo ermittelte Geschäftsklima-Barometer fiel im März auf den tiefsten Stand seit Mitte 2009, als die Finanzkrise die Wirtschaft auf Talfahrt schickte. "Die Inkubationszeit ist vorüber, das Virus hat Deutschland voll im Griff", sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle.

Da sich die Pandemie praktisch in ganz Europa weiter ausbreitet und an den Märkten immer größere Nervosität auslöst, beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) in der Nacht zum Donnerstag ein groß angelegtes Notprogramm. Es sieht massenhafte Anleihenkäufe vor, um die Wirtschaft und die Staaten der Euro-Zone in der Viruskrise zu stärken. Das Paket mit einem Umfang von 750 Milliarden Euro soll bis Ende 2020 gehen. Zusammen mit bereits laufenden und schon geplanten Käufen von Staatsanleihen, Firmenanleihen und anderen Titeln steigt das Volumen aller Anleihenkäufe der EZB in diesem Jahr auf 1,1 Billionen Euro. "Wir sind entschlossen, das gesamte Potenzial unserer Werkzeuge zu nutzen, innerhalb unseres Mandats", versicherte EZB-Chefin Christine Lagarde.

Commerzbank-Chef-Ökonom Jörg Krämer sprach von einer "neuen EZB-Bazooka". Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW sieht das Notprogramm der EZB vor dem Hintergrund einer drohenden "umfassenden Finanz- und Schuldenkrise". Die EZB versuche mit allen Mitteln, der Corona-Eindämmungspolitik Rückendeckung zu geben und Zeit zu kaufen.

An den Anleihemärkten waren Papiere der hoch verschuldeten Eurostaaten nach dem Beschluss der EZB gefragt. Das half den griechischen Bonds, deren Rendite zeitweise auf 2,02 Prozent sank. Auch die Renditen für Portugal, Spanien und Italien gaben deutlich nach. Die EZB konnte die Aktienmärkte nach dem jüngsten Ausverkauf allerdings nicht beruhigen. "Die Hilfsprogramme der Notenbanken interpretiert der Markt derzeit als Verzweiflungstat", sagte Timo Emden, Marktanalyst vom gleichnamigen Analysehaus.

MILLIARDENSCHWERES HILFSPAKET FÜR KLEINFIRMEN


Die Bundesregierung plant unterdessen Insidern zufolge ein Hilfsprogramm von mindestens 40 Milliarden Euro für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen. Die Grundzüge für den sogenannten Solidaritätsfonds sollten noch am Donnerstag verabschiedet werden, der formelle Beschluss dann am Montag im Kabinett folgen, sagten mehrere mit der Situation vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

"Das soll schnell und unbürokratisch sein", sagte einer der Regierungsvertreter. Es könnten auch noch mehr als 40 Milliarden Euro werden. Geplant seien Hilfen für Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten oder dem Äquivalent von zehn Vollzeitstellen. In Kreisen des Wirtschaftsministeriums hieß es, kleine Unternehmen dürften nicht auf der Strecke bleiben. "Ich glaube, dass dieses Programm sehr wirksam sein kann, um die Ansteckungseffekte in der Wirtschaft einzudämmen", sagte Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis in einer Telefonkonferenz.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz hatten vergangene Woche Firmen in unbegrenzter Höhe Liquiditätshilfen zugesagt - vor allem über KfW-Kredite und Bürgschaften. Außerdem wurde das Kurzarbeitergeld ausgeweitet. Beides hilft eher größeren Unternehmen. Zudem gibt es steuerliche Erleichterungen. Nun soll der Solidaritätsfonds gezielt kleinen Betrieben helfen, die nächsten zwei bis drei Monate zu überstehen - in der Hoffnung, dass sich die Lage danach wieder bessert. Im Raum steht auch noch ein großes Konjunkturpaket. Darüber will die Regierung aber erst später entscheiden.

Wegen der Ansteckungsgefahr wurden weite Teile des öffentlichen Lebens bereits eingeschränkt. Mit dem Rücken zur Wand stehen vor allem Airlines, Reiseanbieter, Hotels und Gaststätten sowie Event- und Messebetreiber, aber auch unzählige Dienstleister. Die schwer von der Krise betroffene Lufthansa streicht kommende Woche 95 Prozent der Passagierflüge. Rund 700 der 763 Flugzeuge der Flotte stünden am Boden, sagte Konzernchef Carsten Spohr. "In den nächsten Monaten wird es für uns keine normale Geschäftsentwicklung geben können." Doch könne die umsatzstärkste europäische Airline-Gruppe dank ihres Finanzpolsters, drastischer Kostensenkungen und letztlich auch mit Finanzhilfe des Staates die Krise überstehen.

rtr