Ifo-Präsident Clemens Fuest nannte die Stimmung "katastrophal". Der beispiellose Einbruch des Barometers gilt als schlechtes Omen für die Wirtschaft, die laut den Münchner Forschern die "schwersten Zeiten seit der Wiedervereinigung" durchmacht. Angesichts der drohenden tiefen Rezession ist ein Streit darüber entbrannt, wie stark der Staat sich als Krisenhelfer engagieren soll.
"Das Bruttoinlandsprodukt für das zweite Quartal wird grottenschlecht ausfallen", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer voraus. Die Politik sollte seiner Meinung nach daher jeden Spielraum nutzen, um die Beschränkungen für die Unternehmen und deren Beschäftigte weiter zurückzunehmen. Der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, mahnt die Bundesregierung zugleich, bei Beihilfen maßzuhalten. "Vor allem das, was aktuell diskutiert wird, ist problematisch. Man hat den Eindruck, jede Branche wolle spezifisch unterstützt werden", sagte Feld dem "Handelsblatt". Das Gastgewerbe wolle den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, der jetzt beschlossen sei. Zudem fordere die Autoindustrie wieder eine Abwrackprämie und der Handel Konsumgutscheine. "Das könnte man fast beliebig fortführen - wer hat noch nicht, wer will noch mal."
Laut dem Bundeswirtschaftsministerium gilt es, über die ergriffenen "Akutmaßahmen" hinaus im Verlauf der Krise Schritt für Schritt zu prüfen, ob weitere Hilfen notwendig seien. Im Falle der Automobilbranche könne man aber "alte Abwrackprämien" nicht wiederholen. Stattdessen müssten innovative Konzepte her: "Dazu gibt es aber noch keine Entscheidung innerhalb der Bundesregierung. Aber hierzu laufen natürlich die Überlegungen", sagte eine Ministeriumssprecherin. Insbesondere viele kleine Unternehmen plagen derzeit aExistenzängste, wie eine Blitzumfrage der staatlichen Förderbank ergab, die derzeit Hilfsgelder in großem Umfang bereitstellt.
AUCH KONZERNE HABEN ZU KÄMPFEN
Dass ausgerechnet ein hoch profitabler Konzern wie Adidas den Gang zum Staat antritt, hat viele überrascht. Politiker warnten vor einem Missbrauch der Staatshilfen. Weit stärker trifft die Corona-Krise den Luftverkehrssektor. Der fast brachliegende Flugbetrieb brockt beispielsweise der Lufthansa Milliardenverluste ein: Insidern zufolge soll Anfang nächster Woche ein staatliches Hilfspaket von bis zu zehn Milliarden Euro geschnürt werden.
Angesichts solcher Fälle überrascht es nicht, dass die vom Ifo-Institut befragten Firmen eine massive Verschlechterung der aktuellen Lage beklagen: "Die Unternehmen blickten zudem noch nie so pessimistisch auf die kommenden Monate. Die Corona-Krise trifft die deutsche Wirtschaft mit voller Wucht", erklärte Ifo-Präsident Fuest. Das Ifo-Geschäftsklima basiert auf rund 9.000 monatlichen Meldungen von Firmen des Verarbeitenden Gewerbes, des Dienstleistungssektors, des Handels und im Baugewerbe.
Fast ein Fünftel der deutschen Unternehmen plant laut Ifo einen Stellenabbau. Die große Koalition hat jüngst ein neues Hilfspaket geschnürt, um mit höherem Kurzarbeitergeld und Steuererleichterungen die Folgen der Krise abzumildern. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer kritisierte, die pauschalen Anhebungen des Kurzarbeitergeldes befeuerten Erwartungshaltungen an den Sozialstaat, die ihn langfristig finanziell völlig überfordern würden.
RUF NACH STEUERERHÖHUNGEN
Ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit drohen die Rücklage von 26 Milliarden Euro bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) binnen weniger Monate aufzuzehren. Das IAB-Forschungsinstitut der BA rechnet mit einem zeitweisen Anstieg der Arbeitslosenzahl um etwa 700.000 auf über drei Millionen. Zudem gehen die Forscher von einer Rekordzahl von 2,5 Millionen Kurzarbeitern im Jahresdurchschnitt aus.
Laut Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe droht ein massiver Einbruch beim Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal. "Anzeichen einer Erholung wird es frühestens ab Jahresmitte geben", sagte der Ökonom voraus. Laut den Münchner Forschern waren etwa 20 bis 25 Prozent der Antworten der Befragung nach der Mitte des Monats erfolgten Ankündigung der Lockerung des Shutdowns eingegangen. Ab dem 20. April konnten Geschäfte bis 800 Quadratmetern Verkaufsfläche unter Auflagen wieder öffnen. Die Innenstädte haben sich daraufhin wieder deutlich belebt, was dem Einzelhandel Hoffnung auf bessere Zeiten macht.
Mit der Lockerung des "Shutdowns" steige auch die Chance auf eine Stimmungsverbesserung, sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. Da das Infektionsrisiko aber ganzjährig hoch und Schutzmaßnahmen zum Alltag gehören dürften, sei es "wenig wahrscheinlich", dass die Wirtschaft das Konjunkturtal rasch verlassen könne. Vor diesem Hintergrund bringt IfW-Präsident Gabriel Felbermayr Steuererhöhungen zur Bewältigung der Corona-Krise ins Spiel. Darüber müsse man über kurz oder lang nachdenken, sagte der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft dem Nachrichtenportal t-online.
rtr