Die Führungskräfte beurteilten ihre Lage etwas besser, ihre Geschäftsaussichten aber schlechter als im Vormonat. Die meisten Firmen steckten auch die Streiks bei Bahn und Post vergleichsweise gut weg. So habe die Industrie ihre Geschäftslage trotz der Arbeitskämpfe besser beurteilt als davor, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe zu Reuters: "Das spricht dafür, dass die Streiks keine akuten Auswirkungen auf die Lage-Beurteilung haben". Die Stimmung der Betriebe trübte sich allerdings insgesamt leicht ein, da sie ihre Exportchancen etwas weniger optimistisch einschätzten. Im Großhandel verschlechterte sich das Geschäftsklima, während es im Einzelhandel auf den höchsten Wert seit Juni 2014 stieg. Auch im Bauhauptgewerbe geht es laut Umfrage bergauf.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Aufschwung, spürt aber wieder mehr Gegenwind als zuletzt. Das Wachstum hat sich zu Jahresanfang wegen einer schwächeren Nachfrage aus wichtigen Absatzmärkten mehr als halbiert. So legte das Bruttoinlandsprodukt von Januar bis März durch den anhaltenden Konsum- und Bauboom nur noch um 0,3 Prozent zum Vorquartal zu. Ende 2014 hatte es noch zu 0,7 Prozent gereicht.

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"TRISTESSE RINGS UM DEN GLOBUS"

Ein besseres Ergebnis verhinderte die wacklige Weltkonjunktur, die unter der Schwäche großer Schwellenländer wie China, Russland und Brasilien leidet. Dorthin gehen 40 Prozent der deutschen Warenexporte. Die Ausfuhren legten dadurch nur um 0,8 Prozent zu, während die Importe wegen der starken Binnen-Nachfrage fast doppelt so kräftig zunahmen. In Summe bremste der Außenhandel damit das Wachstum, während die Bürger mit ihren Ausgaben für deutliche und die Firmen mit ihren Investitionen für leichte Impulse sorgten.

Ökonomen reagierten weitgehend positiv auf die Ifo-Daten, die den Euro leicht anschoben. "Rings um den Globus herrscht derzeit wirtschaftliche Tristesse", sagte Thomas Gitzel von der VP Bank. "Es ist deshalb umso erstaunlicher, dass sich das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer einigermaßen solide schlägt." Andreas Scheuerle von der DekaBank betonte: "Vieles spricht gegenwärtig dafür, dass das Ifo-Geschäftsklima einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, zumindest solange bis die Weltkonjunktur wieder an Fahrt gewinnt."

Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer warnte davor, "dass Wachstumsprognosen für 2015 von zwei Prozent und mehr unrealistisch sind". Damit erscheine auch die Annahme der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die Euro-Zone um 1,5 Prozent zulege, optimistisch. "Wenn sich die hochgesteckten Erwartungen der EZB aber nicht erfüllen, dürfte sie weit über den September 2016 hinaus in großem Stil Anleihen kaufen", so Krämer.

Die EZB pumpt seit März pro Monat rund 60 Milliarden Euro über den Kauf von Staatsanleihen ins Finanzsystem. Banken sollen so dazu bewogen werden, weniger in Wertpapiere zu investieren und lieber Kredite zu vergeben. EZB-Chef Mario Draghi bezeichnete die Konjunkturaussichten für den Währungsraum als so gut wie in den vergangenen sieben Jahren nicht mehr. Dies sollten die Euro-Ländern nutzen, um strukturelle Reformen zu beschleunigen.

Reuters