Wie sicher Immobilienfonds und -Crowdinvestments sind, hängt derzeit besonders stark von der Nutzungsart ab. Und davon, wann die Gebäude gekauft werden. Von Bernhard Bomke, Matthias Fischer, Markus Hinterberger, Andreas Höss und Martin Reim
Das Coronavirus Sars-CoV-2 kann Schrecken verbreiten, Ökonomien lahmlegen und Urlaubspläne durchkreuzen, aber eines scheint es nicht zu können: den Ruf von Immobilien als vergleichsweise sichere Anlage zerstören. Ganz im Gegenteil: Das Statistische Bundesamt zählte hierzulande in der ersten Mai-Hälfte gut 15 Prozent mehr neue Hypothekenverträge als ein Jahr zuvor. Nach Krise klingt das ebenso wenig wie die Beobachtung des Berliner Wohnungsprivatisierers Accentro, private Anleger fragten in den vergangenen Wochen vermehrt nach Eigentumswohnungen.
Doch nicht nur bei direkten Investments in Gebäude suchen Kapitalanleger derzeit ihr Heil. Auch indirekte Immobilienanlagen etwa in Gestalt Offener oder Geschlossener Fonds sowie Crowdinvestments (Schwarmfinanzierungen) taugen etwa im Vergleich zu volatilen Aktien womöglich als Mittel für geruhsamen Schlaf. Sie bieten sich für Anleger an, die nicht gleich mehrere Hunderttausend Euro investieren wollen, sondern eher an Beträge von 100, 1000 oder 10000 Euro denken. Allerdings sollten sich Interessierte vor einem Investment gründlich darüber informieren, was die Anbieter der Beteiligungsangebote können, wie es um die Risiken bestellt ist und welche Nutzungsarten auch nach Corona am sichersten für Rendite sorgen.
Knackpunkt Nutzungsart. Experten wie Sonja Knorr, Analystin bei der Ratingagentur Scope, und Stefan Loipfinger vom Anlegerschutzportal investmentcheck.?de gehen davon aus, dass Logistikimmobilien, Pflegeheime, Nahversorgungszentren (Lebensmittelmärkte, Drogeriemärkte) sowie viele Wohnimmobilien vergleichsweise gut durch die Corona-Krise kommen. "Logistikimmobilien könnten sogar profitieren", sagt Loipfinger - dem boomenden Onlinehandel sei Dank. Für Anleger heißt das: Bei Investitionen in diese Nutzungsarten müssen sie nicht befürchten, dass es wegen der Pandemie zu größeren Einnahmeausfällen oder Wertverlusten kommt. Erhoffte Renditen wären hier also vergleichsweise sicher.
Vorsicht bei Hotels. Hingegen spricht viel dafür, dass vor allem Hotels, aber auch größere Einkaufszentren und womöglich auch manche Büroimmobilien im Zuge der Corona-Krise Probleme bereiten werden. Wenn Umsätze in Shoppingcentern oder Hotels ausbleiben oder wegen des Trends zu mehr Homeoffice die Nachfrage nach Büroflächen zurückgeht, könnten die Miet- und Pachteinnahmen wegbrechen und die Werte der Objekte sinken. Von Fonds oder Crowdinvestments, die nur oder stark auf solche Nutzungsarten zielen, raten die Experten ab, sofern Anleger eine halbwegs sichere Rendite erzielen möchten.
Das gilt insbesondere dann, wenn die Immobilien noch vor der Corona-Krise erworben wurden. "Das ist wie an der Börse: Da kauft auch keiner zum Höchstkurs, wenn er weiß, dass der Wert längst darunter liegt", sagt Loipfinger. Er empfiehlt am ehesten einen Geschlossenen Immobilienfonds, "der noch nicht investiert ist". Der Grund: Ein Fonds, der erst noch kaufen muss (ein sogenannter Blindpool), profitiert womöglich von sinkenden Immobilienpreisen. Im Umkehrschluss rät Loipfinger bei allen anderen Beteiligungen zu erhöhter Vorsicht.
Anders Sonja Knorr. Die Analystin betont: "Anleger können auch jetzt gute Angebote finden." Damit meint sie ausdrücklich auch Offene Immobilienfonds, die häufig viele Milliarden Euro in eine Fülle von Immobilien investiert haben - und bei Anlegern auch im ersten Quartal dieses Jahres viel Geld einsammelten. "Der Vorteil dieser Fonds besteht darin, dass sie breit diversifiziert sind", sagt sie. Das heißt, wenn einige Immobilien nicht gut laufen, gebe es genug andere, die mögliche Verluste auffangen.
Bei vielen Geschlossenen Fonds, die seit der Regulierung im Jahr 2013 etwas sperrig Alternative Investmentfonds (AIF) heißen, und bei Schwarmfinanzierungen hänge Wohl und Wehe dagegen oft an nur einem Objekt. Die Möglichkeit, Risiken zu streuen, sei da sehr begrenzt. Knorrs Tipp: Anleger sollten besser jeweils 10000 Euro in drei verschiedene Geschlossene Fonds stecken statt 30000 Euro in nur einen. Ganz generell warnt sie vor Projektentwicklungen, in die vor allem Crowdinvestoren Geld stecken: "Die sind am schwierigsten." Deren Erlös hängt erfahrungsgemäß ganz wesentlich von der erzielbaren Miete ab. Liegt diese infolge der Krise deutlich unter Plan, geht die Rechnung nicht mehr auf und Anlegern drohen Verluste.
Was die Produkte unterscheidet. Ehe sich Privatanleger für ein indirektes Immobilieninvestment entscheiden, tun sie gut daran, sich mit den Unterschieden zwischen den Produktarten zu befassen. So können sie bei Crowdinvestments und Offenen Immobilienfonds im Regelfall schon mit weniger als 100 Euro einsteigen, bei manchen Crowdinvestments sogar schon mit zehn Euro. Geschlossene Immobilienfonds, bei denen Anleger zu Mitunternehmern werden, haben dagegen eine hohe Einstiegshürde von meist 10000 Euro.
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Ganz unterschiedlich sind zudem die Zeiträume, die das Kapital in den Anlagen gebunden ist. Bei Offenen Immobilienfonds gilt eine Mindestanlagedauer von 24 Monaten. Obendrein beträgt die Kündigungsfrist für die Rückgabe von Anteilen ein Jahr. Scope prognostiziert für die Produkte einen jährlichen Wertzuwachs von 1,5 bis zwei Prozent. Das wäre deutlich weniger als die 2,7 Prozent, die die Offenen Fonds zum Stichtag 31. März 2020 im Schnitt jährlich an Wert zugelegt hatten. Sollte die Corona-Krise noch gravierender ausfallen als derzeit vermutet, könnten die Renditen auch noch stärker nachgeben. Loipfinger rechnet bei manchen Fonds gar mit negativen Renditen, also mit Verlusten.
Schwarmfinanzierungen laufen im Schnitt etwa zweieinhalb Jahre. Die Anbieter prognostizieren meist vier bis sechs Prozent Rendite im Jahr. Loipfinger ist jedoch skeptisch: "Bei Crowdinvestments habe ich derzeit allergrößte Bauchschmerzen", sagt er. Der Grund: "Da hatten wir noch keine Krise." Bislang kannte die Branche immer nur eines: Wachstum. Lediglich in Ausnahmefällen gab es Probleme, die in verspäteten oder reduzierten Auszahlungen mündeten. Nun muss sich also zeigen, wie sich die Anbieter in der Corona-Krise schlagen.
Bei Geschlossenen Fonds wiederum ist das Anlegergeld meist für mindestens zehn Jahre gebunden. Die Anbieter, von denen es infolge der Regulierung kaum mehr als ein Dutzend gibt, kalkulieren oft mit jährlichen Ausschüttungen von 3,5 oder vier Prozent. Ob diese Werte zu halten sein werden, hängt davon ab, ob die Mieter der Fondsimmobilie(n) auch nach Corona ihre Miete bezahlen können. Ein Blick auf die Nutzungsart kann da eine erste Orientierung geben.