Als im April diverse Immobilienexperten voraussagten, wie sich die Wohnungspreise hierzulande infolge der Pandemie entwickeln würden, waren sie sich alles andere als einig. Die Deutsche Bank prognostizierte weiter steigende und der Maklerverband IVD mindestens stabile Preise in den angesagten Städten. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hielt Preisnachlässe von bis zu zwölf Prozent für möglich und das Institut Empirica gar Einbrüche von bis zu 25 Prozent.

Fast ein halbes Jahr später kommt das Herbstgutachten der sogenannten Immobilienweisen zu dem Ergebnis: Die Wohnungspreise in den begehrten Städten sind weiter gestiegen und sie werden weiter steigen. Dem vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) herausgegebenen Gutachten zufolge, dessen Wohnkapitel von Empirica verfasst wurde, legten die Preise für Bestandswohnungen von Mitte 2019 bis Mitte 2020 im Schnitt um zwölf Prozent zu, allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 6,2 Prozent.

Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), das die Daten für den Postbank Wohnatlas liefert, lehnte sich diese Woche besonders weit aus dem Fenster. Die Marktforscher erklärten, in mehr als der Hälfte der 401 deutschen Kreise und Städte könnten Wohnungsbesitzer bis 2030 mit weiteren Wertzuwächsen rechnen, und zwar real. Also inflationsbereinigt.

Besonders stark sollen die Wertsteigerungen im Großraum München und im niedersächsischen Kreis Cloppenburg ausfallen. Dort erwarten die HWWI- Experten in den nächsten zehn Jahren jährliche Preiszuwächse von mindestens zwei Prozent. Städte wie Heilbronn und Potsdam liegen dicht dahinter. Preiszuwächse von mehr als einem Prozent im Jahr erwarten die Hanseaten zum Beispiel in Dresden, Freiburg, Ingolstadt, Leipzig, Mainz und Münster.

Preiszuwächse bis 2030

Harald Simons, Vorstand von Empirica, kassierte diese Woche gegenüber €uro am Sonntag all seine jüngeren Prognosen zu fallenden Wohnungspreisen in den populären Städten ein. Er halte die Preise in Städten wie Berlin, Frankfurt oder München zwar weiterhin für überzogen, aber er stelle fest, "dass es in den Städten einfach so weitergeht wie vor Corona".

Als Erklärung nennt er die niedrigen Zinsen, die Wohninvestments weiter begünstigten und die Preise hoch hielten. Daran änderten auch die 7,5 Prozent der Haushalte nichts, die infolge der Pandemie nennenswerte Einkommenseinbußen zu verkraften hätten. Simons sieht die Zinsen auch die nächsten zehn Jahre noch im Keller verharren. Das spreche für weiter steigende Wohnungspreise.

Nicht ganz so einheitlich fallen die Prognosen zur Entwicklung der Preise für Büroimmobilien aus. In die sind insbesondere Offene Immobilienfonds stark investiert. Nach Zahlen der Ratingagentur Scope flossen im vergangenen Jahr 61 Prozent der Neuinvestitionen in Büros.

Das IW Köln hatte im Juni vorausgesagt, wegen der Pandemie könnten die Büropreise etwa in Frankfurt allein 2020 um 32 Prozent absacken. "Büromärkte reagieren immer sehr stark auf konjunkturelle Krisen", erklärt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. "Es fällt schwer sich vorzustellen, dass es diesmal anders ist", sagte er diese Woche gegenüber €uro am Sonntag. Er rechnet auch jetzt mit fallenden Mieten und Preisen für Büros. Seine Argumente: Ein größerer Teil der Büroarbeit werde im Homeoffice erledigt, einfache Bürojobs könnten wegfallen, und nach der Rezession sei mit einer eher langsamen Erholung der Flächennachfrage zu rechnen.

Ganz anders schätzt das Analysehaus Bulwiengesa den Büromarkt ein. "Es gibt bislang keine Anzeichen dafür, dass die Büromieten und -preise massiv nach unten gehen", stellt Vorstand Sven Carstensen fest (siehe "Nachgehakt"). Eine der Erklärungen könnte diese sein: "Die meisten Unternehmen haben Büromietverträge für fünf oder zehn Jahre." So schnell könne eine Krise da gar nicht durchschlagen.

Nachgehakt bei Sven Carstensen: "Preise könnten weiter steigen"


Sven Carstensen » Der Vorstand des Analysehauses Bulwiengesa zu Büropreisen in Corona-Zeiten

€uro am Sonntag: Herr Carstensen, das IW Köln hält in den sieben größten deutschen Städten Corona-bedingt Preiseinbrüche bei Büroimmobilien von bis zu 35 Prozent allein 2020 für möglich. Sie dagegen gehen von stabilen Preisen aus. Wie das?

Sven Carstensen: Wir sehen verschiedene Faktoren. Es gibt nicht nur Firmen, die verkleinern wollen oder müssen, sondern auch solche, die mehr Büroflächen brauchen. Zudem wurden in den vergangenen Jahren viel zu wenig neue Flächen gebaut. Wir kommen also aus einer Flächenknappheit. Wenn dann jetzt einzelne Branchen weniger Flächen brauchen, wird erst mal die Knappheit geringer und es stehen nicht gleich viele Bürohäuser leer.

Also bleiben Büros, in die zum Beispiel Offene Immobilienfonds stark investiert sind, eine eher sichere Geldanlage?

Wenn wir 2021 aus der Rezession wieder herauskommen, ja. Sollte Deutschland besonders gut durch die Krise kommen, könnte es noch mehr als ohnehin schon als sicherer Hafen gelten. Die Folge könnten sogar weiter steigende Preise sein.

Und wenn die Krise länger dauert, weil die Pandemie auch Mitte 2021 noch da ist?

Dann kann es auch nach unserer Einschätzung zu Preisrückgängen selbst bei Top- Büros kommen. Die müssen aber nicht gleich 20 oder 35 Prozent betragen. Der Grund: Viele Projekte wurden geschoben. Es kommen also weniger Flächen dazu.

Wie wirkt sich der Trend zu mehr Homeoffice auf den Büroflächenbedarf aus?

Da sind wir skeptisch. Viele Beschäftigte haben zu Hause gar nicht genug Platz. Wir glauben nicht, dass sie bereit sind, mehr Wohnfläche anzumieten, damit ihr Arbeitgeber Bürofläche sparen kann. Wenn die Firmen dann aber in der Nähe ihrer Mitarbeiter Flächen anmieten müssten, rechnet sich das nicht mehr. Das könnte den Hype ums Homeoffice rasch ausbremsen.