Von den 30 Gründungsmitgliedern des DAX im Jahr 1988 sind derzeit noch 13 übrig. Nächste Woche schlägt mit Thyssenkrupp voraussichtlich einem weiteren DAX-Urgestein die Stunde. Am Mittwoch nach Börsenschluss veröffentlicht die Deutsche Börse das Ergebnis ihrer regulären Überprüfung der DAX-Familie (DAX, MDAX, SDAX und TecDAX). Für Analysten wie Uwe Streich von der LBBW oder Tobias Adler von der Oddo Seydler Bank ist der Abstieg von Thyssenkrupp "beschlossene Sache".
Der Stahl- und Technologiekonzern hat binnen eines Jahres seinen Börsenwert praktisch halbiert und liegt nach dem Kriterium Börsenwert des Streu-besitzes derzeit nur noch auf Platz 46. Für den DAX-Erhalt wäre mindestens Rang 40 nötig. Die Veränderungen im DAX treten ab 23. September in Kraft. Bei den potenziellen Aufsteigern ist das Rennen offen bis zum Schluss: Um den DAX-Aufstieg kämpfen seit Monaten der Wohnungskonzern Deutsche Wohnen und der Triebwerkshersteller MTU Aero. Hatte der Immobilienkonzern zunächst die Nase noch vorn, so kam die Aktie im Jahresverlauf durch die Mietenregulierungsdebatte unter Druck und verlor seit Frühjahr rund 30 Prozent. MTU Areo wiederum konnte im selben Zeitraum um fast 30 Prozent zulegen. Damit könnte die Deutsche-Wohnen-Aktie ein weiteres Mal den DAX-Aufstieg verpassen, nachdem sie schon im vergangenen Jahr zweimal den Kürzeren gezogen hatte: Beim Abstieg des Medienkonzerns ProSiebenSat.1 gewann Covestro im Frühjahr 2018 das Rennen ins Börsen-Oberhaus. Für die Commerzbank schaffte es im Herbst 2018 der Zahlungsdienstleister Wirecard in den DAX.
Die Deutsche Börse bezieht für ihren Indexentscheid jedoch zwei Kriterien mit ein, und das macht die Sache diesmal spannend: Neben dem Börsenwert des Streubesitzes ist auch der Börsenumsatz maßgeblich, also wie intensiv die Aktie gehandelt wird. Beim Kriterium Börsenumsatz ist mindestens Rang 35 nötig. Deutsche Wohnen liegt hier souverän auf Platz 32, MTU nur knapp auf Rang 35. Rutscht MTU also auf der Zielgeraden noch auf 36 ab, macht Deutsche Wohnen trotz niedrigerem Börsenwert das Rennen. Sowohl Streich wie Adler sehen allerdings MTU derzeit vorn.
DAX hinkt hinterher
So oder so: Sowohl Deutsche Wohnen als auch MTU könnten die Branchendiversifikation im DAX weiter verbessern. Mit dem Triebwerksbauer MTU stiege neben Lufthansa nicht nur ein weiterer Luftfahrt-, sondern auch ein Rüstungskonzern auf. Am Grundproblem des DAX, der schwächeren Performance im Vergleich zu großen US-Indizes wie dem S & P 500, aber auch zu Nebenwerte-Indizes wie MDAX oder SDAX, ändert das jedoch wenig. Das liegt auch an seiner Auto-, Chemie- und Industrielastigkeit. Oddo-Seydler-Experte Tobias Adler würde einen Branchenmix im DAX bevorzugen, der den wirtschaftlichen Wandel besser widerspiegelt - und schlägt eine Ausweitung des DAX von 30 auf 40 Mitglieder vor. "Kandidaten wären neben Deutsche Wohnen etwa Symrise (mit 10,5 Milliarden Euro Streubesitz-Marktkapitalisierung), Hannover Rück (8,7 Milliarden) oder Zalando (sechs Milliarden). LBBW-Experte Streich schlägt sogar 50 Mitglieder als Basis für eine bessere Performance vor.
MDAX: Cancom für Springer
Während sich MTU und Deutsche Wohnen noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, hat sich ein weiterer Wechsel im MDAX bereits geklärt. Beim Medienkonzern Axel Springer fiel durch den Einstieg des Finanzinvestors KKR der Streubesitz auf unter zehn Prozent. Damit erfüllt das Unternehmen die Vorausset-zung für einen Verbleib in den DAX-Indizes nicht mehr. Springer wird deshalb bereits seit Donnerstag nicht mehr in den Auswahlindizes der Deutschen Börse geführt. Der IT-Dienstleister Cancom (siehe S. 19) ersetzt Springer im MDAX, für Cancom rückt der Immobilienkonzern Instone in den SDAX auf.