€uro fondsxpress: Herr Rajah, im vergangenen
Jahr haben indische
Aktien einen Boom erlebt.
Warum sollten die Kurse jetzt noch weiter steigen?
Sukumar Rajah: Langfristig profitiert
Indien von seiner jungen,
wachsenden Bevölkerung: In
den nächsten zehn Jahren wird
die arbeitende Bevölkerung um
25 Prozent wachsen. Auch der
Trend zur Urbanisierung hilft:
Immer mehr Menschen strömen
aus kleinen Dörfern in die Städte,
wo sie die Zahl der Arbeitskräfte
erhöhen. Zudem ist Indien
mit der breiten Mehrheit von
Regierungschef Modi anders als viele
Schwellenländer politisch stabil und nicht
von Rohstoffexporten abhängig. Indien hat
mehrere starke Sektoren wie IT, Pharmazie
und Banken.
Und was kann der Wirtschaft kurzfristig noch
einen Schub verleihen? Immerhin hat sich das
Wachstum von über zehn Prozent 2010 auf gut
fünf Prozent 2014 abgeschwächt.
Indien kommt das billige Öl gelegen, es lässt
die Margen der Firmen steigen. Das Land
zählt zu den größten Ölimporteuren der
Welt. Auch wegen der billigen Energie hat
sich die Inflationsrate binnen eines Jahres
auf vier Prozent halbiert. Das gibt der Zentralbank
Spielraum für Zinssenkungen. Ich
erwarte, dass das jährliche Wirtschaftswachstum
in diesem Jahrzehnt auf über
acht Prozent steigt und die Firmen 2015 ihre
Gewinne um 15 bis 20 Prozent steigern.
Dies und das gute Sentiment für indische
Aktien wird die Kurse treiben.
Allerdings sind indische Aktien nicht mehr
billig.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) im
MSCI-India-Index liegt bei 16, in Ihrem Fonds
sind es sogar über 22.
Mit einem KGV von 16 ist der MSCI India
fair bewertet und bewegt sich im Durchschnitt
der vergangenen Jahre. 2013 sind indische
Aktien in der Schwellenländerkrise
abgestürzt, das Minus haben sie inzwischen
aufgeholt. In meinem Portfolio ist die Bewertung
höher, da ich viele teure Qualitätsaktien
habe. Etwa ICICI und HDFC Bank. Oder
Infosys, einen der größten IT-Dienstleister
Indiens, und den Medikamentenhersteller
Sun Pharmaceuticals.
In Ihrem Fonds haben Banken und
Industrietitel ein viel höheres Gewicht
als im Vergleichsindex, ITFirmen
haben Sie hingegen untergewichtet.
Warum?
Private Banken gewinnen mehr
und mehr Marktanteile von den
staatlichen Instituten. Sie haben
hohe Renditen und starke Bilanzen. Industrietitel
gewichte ich über, weil sie derzeit
von der zyklischen Erholung der Wirtschaft
besonders profitieren. Bei Industriewerten
sehe ich daher mehr Potenzial als
bei IT-Aktien.
2013 kam es zur Schwellenländerkrise, als die
US-Notenbank Fed die Geldpolitik verschärfte.
Anleger zogen Kapital aus Emerging Markets
mit hohen Leistungsbilanzdefiziten ab, auch indische
Aktien und die Rupie stürzten ab. Fürchten
Sie ein ähnliches Szenario, wenn bald die
Zinsen in den USA steigen?
Nein, das glaube ich nicht. Die Zentralbank
hat ihre Währungsreserven erhöht und
könnte einen möglichen Währungsverfall
heute besser bekämpfen. Auch ist das Minus
im Staatshaushalt gesunken und das
Leistungsbilanzdefizit wegen des billigen
Öls geschrumpft. Indien ist heute widerstandsfähiger.
Trotzdem gibt es immer noch ein Defizit. Was
passiert denn, wenn der Ölpreis wieder
steigt?
Bis zu einem Ölpreis von 100 Dollar je Barrel
sind keine schlimmen Folgen für das
Leistungsbilanzdefizit
zu erwarten, erst darüber
wird es kritisch. Aber zurzeit erwartet
man ja nicht einmal einen Ölpreis von 80
Dollar.