Politische Börsen haben kurze Beine", lautet eine alte Börsenweisheit. Ob das auch für die anstehende Parlamentswahl in Spanien gilt, muss sich erst noch zeigen. Aktuellen Umfragen zufolge liefern sich drei Parteien ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Jede kommt laut Umfragen auf jeweils etwa 22 Prozent der Stimmen. Zudem bringt es die neue Linksgruppe Podemos auf immerhin 17 Prozent. Wer nach dem 20. Dezember regieren wird, ist also völlig offen. Nach heutigem Stand dürfte alles auf eine große Koalition hinauslaufen, wobei die Herausforderer bereits klargestellt haben, dass sie keinesfalls mit der regierenden Volkspartei (PP) von Mariano Rajoy zusammengehen werden.
Wenn Börsianer eines nicht mögen, dann ist das Unsicherheit. Das zeigt sich bereits seit Längerem im IBEX 35. Seit der Katalonien-Wahl im September, deren Ausgang einen Kursrutsch verursachte, kommt der Leitindex nicht mehr auf die Beine. Zum Hintergrund: Bei der Wahl in der spanischen Region haben sich die nach Unabhängigkeit strebenden Parteien durchgesetzt. Es besteht also die Gefahr, dass sich Katalonien von Spanien abspaltet. Dies würde nicht ohne Folgen bleiben, steht doch der Landesteil für rund ein Fünftel der Wirtschaftsleistung Spaniens.
Große Herausforderungen
Mit diesem Problem wird sich die - möglicherweise neue - Führung in Madrid im kommenden Jahr auseinandersetzen müssen. Damit nicht genug, ist auch die Arbeitslosenquote mit 21 Prozent immer noch erschreckend hoch. Zudem liegt das Schuldenziel von drei Prozent 2016 in weiter Ferne. Die EU-Kommission erwartet für 2016 ein Defizit von 3,6 Prozent, nach 4,7 Prozent im Jahr zuvor. Dessen ungeachtet schmiert Ministerpräsident Rajoy kurz vor der Wahl den Spaniern Honig um den Mund: Die Einkommensteuer will er in der kommenden Legislaturperiode um zwei Prozentpunkte senken.
Entscheidend dafür, wie es am spanischen Aktienmarkt weitergeht, wird sein, wie die Regierung 2016 den Spagat zwischen Wirtschaftswachstum und Sparen schaffen will. Der Grundstein dafür wäre eigentlich gelegt: Im dritten Quartal schnellte das BIP um 3,4 Prozent nach oben. Positiv ist, dass dieser Anstieg auf die hohe Inlandsnachfrage durch die Konsumenten zurückgeht. Glaubt man den Ökonomen des IWF, wird die konjunkturelle Dynamik anhalten.
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Kurs Richtung Outperformance
Sollte es nach den Wahlen also zu keinem allzu großen Hickhack bei der Regierungsbildung kommen, stehen die Chancen gut, dass der Gesamtmarkt wieder auf Klettertour geht. Aus Bewertungssicht ist in jedem Fall noch Luft nach oben. Das durchschnittliche Gewinnwachstum beim MSCI Spain für das kommende Jahr beträgt stolze 12,9 Prozent, das 2016er-KGV beträgt im Vergleich dazu moderate 13. Bei anderen großen Euroländern liegt diese Bewertungskennziffer deutlich über dem entsprechenden Wachstumswert.
Mit dem ETF von Comstage auf den MSCI Spain (ISIN LU1104577314) kann man kostengünstig auf die Madrider Börse setzen. Allerdings sollten Anleger vorsichtig agieren und "scheibchenweise" einsteigen. Nach einer kleinen Anfangsposition kann diese dann peu à peu aufgestockt werden.
Dass auch spanische Einzelwerte als Beimischung ein Depot aufpeppen können, hat unsere Auswahl an Kaufkandidaten Anfang des Jahres gezeigt, als mit Distribuidora, Gamesa, Inditex und NOS SGPS vier "iberische Überflieger" vorgestellt wurden.
Das Quartett wurde den Erwartungen gerecht. Der Lebensmittelriese Distribuidora ist in nur wenigen Wochen über unser Kursziel hinausgeschossen, Inditex ebenso, und Gamesa konnte seinen Unternehmenswert seither nahezu verdreifachen. Der portugiesische Multimediakonzern NOS SGPS befindet sich ebenfalls in einem stabilen Aufwärtstrend und verteuerte sich seit unserer Empfehlung um ein Drittel.
Die Aktien von Distribuidora stufen wir auf "Beobachten" zurück, nachdem der Titel durch unseren erhöhten Stoppkurs gefallen ist. In puncto Inditex und Gamesa sind wir jedoch weiterhin positiv gestimmt. Beide Unternehmen befinden sich in einem steilen Wachstumstrend. So kletterte beispielsweise der Gewinn der weltgrößten Modekette, Inditex, im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2015/16 um 26 Prozent nach oben, der Umsatz legte um 17 Prozent zu. Dies auch dank besserer Geschäfte auf dem Heimatmarkt. Die wirtschaftliche Erholung schob die Nachfrage um gut sechs Prozent an. Dem international durchschlagenden Erfolg der Modefirma hat die Branche inzwischen sogar einen Namen gegeben: "Zaraisierung".
In unsere Favoritenauswahl nehmen wir zudem den Versorger Endesa sowie den Telekomkonzern Telefónica auf. Beide überzeugen mit stabilen Geschäftsverläufen und hohen Dividendenrenditen im Bereich von sechs Prozent. Wie Endesa bereits ankündigte, soll bis 2019 immer der volle Nettogewinn ausgeschüttet werden.
Mit diesen Titeln sollten Anleger bestens gerüstet sein, um am Aufschwung des ehemaligen Krisenlands teilzunehmen.