Nichts geht mehr. Seit einer halben Stunde steht das Taxi an derselben Stelle. Vorn, hinten, links, rechts - nichts als Autos, so weit das Auge blickt. Für die rund 27 Millionen Einwohner aus dem Großraum Jakarta ist das Alltag. Die Metropole gilt als Stauhauptstadt der Welt. Zu den Stoßzeiten am Morgen und Abend braucht man selbst für kürzeste Strecken oft Stunden. Der öffentliche Nahverkehr ist kaum ausgebaut. Selbst die Schnellbusse, die eine eigene Spur haben, stecken spätestens an der nächsten Kreuzung ebenfalls fest. Nur die Rollerfahrer schlängeln sich mutig durch die unendliche Blechlawine. Nach offiziellen Schätzungen kostet das tägliche Verkehrschaos die Wirtschaft rund drei Milliarden Dollar pro Jahr.

Doch nicht nur die mangelnde Verkehrsinfrastruktur ist ein Hemmnis für die Entwicklung des südostasiatischen Schwellenlandes. Auch die Energieversorgung ist oftmals unzuverlässig.

Präsident Joko Widodo, genannt Jokowi, hat deshalb angekündigt, die Investitionen in Infrastruktur von umgerechnet 73 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 133 Milliarden Euro 2025 zu steigern. Das Geld soll vor allem in den Ausbau der Energie-erzeugung, des Straßen- und Schienennetzes sowie in die Gesundheitsversorgung und das Bildungssystem fließen.

Auf diese Weise will Joko Widodo auch die Wirtschaft ankurbeln und Investoren ins Land locken. Denn das Wachstum hat sich seit 2011 abgekühlt und zuletzt bei rund fünf Prozent eingependelt. Zu wenig für ein aufstrebendes Schwellenland wie Indonesien. Schuld daran sind auch die stark gefallenen Rohstoffpreise. Denn die indonesische Wirtschaft hängt noch immer stark von Rohstoffexporten nach China, Singapur, Japan und Korea ab. Die wichtigsten Ausfuhrgüter sind dabei Kohle, Palmöl, Gas und Erdöl.

Der im Oktober 2014 angetretene Präsident Jokowi will, dass das südostasiatische Land künftig auch als exportorientierter Industriestandort punktet - und so mittelfristig das angestrebte Wachstum von sieben Prozent erreicht.

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Jahr des Übergangs



"Präsident Jokowi packt die Probleme an", lobt Prijono Sugiarto, Vorstandschef von Astra International, einem der größten privaten Unternehmen Indonesiens. Astra ist der größte Produzent von Automobilen und Kraftfahrzeugen des Landes, außerdem die Nummer 1 im Bereich Versicherungen und Leasing. Auch in den Bereichen Agrarindustrie, Informationstechnologie, Immobilien und Infrastruktur ist der Konzern aktiv. Deshalb rechnet Sugiarto auch damit, dass Astra von dem Infrastrukturprogramm profitiert. Das Unternehmen ist am Bau von vier der fünf geplanten Mautstraßen sowie an der Konstruktion von zwei großen Kohlekraftwerken beteiligt. "Wenn es wieder aufwärts geht, wird Astra als Erster davon profitieren", gibt sich der Konzernchef gegenüber BÖRSE ONLINE optimistisch.

Zuletzt hat die Wirtschaft des Landes wieder angezogen. In der zweiten Jahreshälfte stiegen die Neuzulassungen für Kraftfahrzeuge, ein Indikator, dass die Indonesier wieder mehr Geld für Konsum ausgeben. "Eine echte Trendwende gibt es aber nicht, zumal auch die Aussichten für 2017 nicht spürbar besser sind", warnt die deutsche Gesellschaft für Außenwirtschaft (GTAI). Auch Astra-Chef Sugiarto geht davon aus, dass 2017 noch ein Jahr des Übergangs ist. "Das Potenzial in Indonesien ist vorhanden, man muss nur Geduld haben", sagt der Konzernlenker.

Auch Samuel Siahaan betont das enorme Potenzial Indonesiens: "Deutschland hat 80 Millionen Einwohner und 45 Millionen Autos. Indonesien hat 255 Millionen Einwohner, aber nur 13 Millionen Autos", sagt der ranghohe Manager von Indofood, einem der größten Nahrungsmittelkonzerne Indonesiens.

Der große Binnenmarkt und die junge, wachsende Bevölkerung gelten als bedeutende Wachstumschance für das viertgrößte Land der Welt. Der private Konsum sorgte 2015 für mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts. "In den letzten Jahren hat sich eine gewisse Abkopplung des Konsums von der allgemeinen Konjunktur eingestellt", haben die Experten von GTAI beobachtet. Dass lässt sich auch an der stabilen Umsatzentwicklung von Indofood ablesen. Der Gewinn in den ersten drei Quartalen hat bereits das Ergebnis aus dem Rekordjahr 2014 übertroffen.

Gute Aussichten auf einen neuen Rekordgewinn hat auch der halbstaatliche Telekommunikationsanbieter PT Telekomunikasi. Er profitiert von der wachsenden Nachfrage nach schnellem Breitband-internet sowie mobilen Datentarifen für Smartphones.

Allerdings sind indonesische Aktien keine Schnäppchen. Im Gegenteil, seit der letzten Empfehlung in BÖRSE ONLINE 35/2016 haben sich die Werte noch einmal verteuert. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt bei vielen Aktien - auch bei den genannten Unternehmen - bei über 20. Angesichts der verhaltenen Aussichten für 2017 sollten Anleger deshalb Rücksetzer abwarten, um zu- oder nachzukaufen.

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Entscheidende Rohstoffpreise



Die Außenhandelsexperten von GTAI vergleichen Indonesien mit "einem riesigen Öltanker". Kurskorrekturen, wie das von Präsident Jokowi angeschobene Reformprogramm, wirkten sich erst mit großer zeitlicher Verzögerung aus. Grund dafür sei vor allem die ineffiziente und korruptionsanfällige Bürokratie. Diese sei auch Schuld daran, dass viele Infrastrukturinitiativen versanden.

Analysten machen wenig Hoffnung, dass Indonesien sein Potenzialwachstum von sieben Prozent in der laufenden Amtszeit von Joko Widodo, also bis 2019, aus eigener Kraft erreicht. Nur ein starker Anstieg der weltweiten Rohstoffpreise könnte den Stau, in dem die Wirtschaft derzeit feststeckt, schneller auflösen, als derzeit erwartet. Dann wäre auch der Weg frei für einen weiteren Wertzuwachs indonesischer Aktien.



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