Inklusive Schulden ist der Deal neun Milliarden Euro schwer, was einige Börsianer als zu teuer einstufen. "Es ist ein stolzer Preis", räumte Vorstandschef Reinhard Ploss am Montag ein. Die Chancen seien allerdings enorm. "Damit erschließen wir große zusätzliche Wachstumspotenziale in den Bereichen Automobil, Industrie und Internet der Dinge."
Rund fünf Wochen lang liefen die Gespräche hinter verschlossenen Türen. Am Wochenende wurden sich Infineon und Cypress dann einig. Am Markt überwog nach der Bekanntgabe die Skepsis: Die Aktie des Chipherstellers aus Neubiberg bei München sackte um bis zu 8,7 Prozent auf 14,69 Euro ab. Das war der tiefste Stand seit fast drei Jahren. Sie war mit Abstand größter Verlierer im Dax. "Der Kaufpreis ist ambitioniert, insbesondere im Hinblick auf die aktuellen Marktunsicherheiten", sagte Analyst Harald Schnitzer von der DZ Bank.
Die Offerte von 23,85 Dollar je Cypress-Aktie liegt nach offiziellen Angaben 46 Prozent über dem Durchschnittskurs der vergangenen 30 Tage. Das nötige Bargeld will Infineon aus vorhandenen Mitteln, mit bereits vereinbarten Bankenkrediten und zu einem Drittel neuem Eigenkapital aufbringen. Infrage kämen etwa eine Kapitalerhöhung oder eine Pflichtwandelanleihe, sagte Finanzvorstand Sven Schneider. "Hier gibt's verschiedenste Kombinationsmöglichkeiten, die wir im Laufe der nächsten Monate und Quartale in Abhängigkeit der Marktgegebenheiten dann platzieren werden."
NEUE CHANCEN
Die Halbleiterbranche kämpft im angestammten Geschäft schon seit längerem mit einem Überangebot und dementsprechend hohen Lagerbeständen, der Boom auf dem Smartphone-Markt lässt langsam nach. Zusätzlich belastet der Handelskonflikt zwischen den USA und China die Unternehmen. Dagegen birgt die Entwicklung selbstfahrender Autos, in die die großen Hersteller gerade Milliarden stecken, neue Chancen. Denn für diese Fahrzeuge wird eine komplexe Steuertechnik benötigt. Infineon hat mit dem Cypress-Deal aber auch noch andere Geschäfte im Blick: die Vernetzung und Steuerung von Haushaltstechnik wie Heizungen, Beleuchtung oder Kühlschränken.
Spätestens Anfang kommenden Jahres soll die Übernahme unter Dach und Fach sein. Bis 2022 setzt Infineon dann auf jährliche Kostensynergien von 180 Millionen Euro. Die Übernahme soll sich bereits ab dem ersten vollen Geschäftsjahr positiv auf die Ergebnisse auswirken.
"EIN GUTES GEFÜHL"
Cypress ist deutlich kleiner als Infineon und wurde zuletzt offenbar auch noch von einem anderen Interessenten umworben, wie Infineon durchblicken ließ. Der US-Konzern beschäftigt rund 6500 Mitarbeiter und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von umgerechnet rund gut zwei Milliarden Euro. Infineon zählt weltweit mehr als 40.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2018 Erlöse von 7,6 Milliarden Euro. Zusammen kommen beide Unternehmen im weltweiten Vergleich nach Angaben von Infineon auf den achten Platz. In der Halbleiterbranche gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Übernahmen und Zusammenschlüsse.
Nicht alle Vorhaben waren allerdings von Erfolg gekrönt. Diese Erfahrung musste auch Infineon machen: Vor gut zwei Jahren hatten die Deutschen Wolfspeed ins Visier genommen. Die Übernahme, rund 850 Millionen Dollar schwer, scheiterte letztlich am Widerstand der für Sicherheitsfragen zuständigen US-Prüfbehörde. Das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) sah durch den Einstieg von Infineon die nationale Sicherheit bedroht, weil Wolfspeed auch Zulieferer für militärische Anwendungen ist.
Derartige Probleme erwartet Infineon dieses Mal nicht, wie Ploss erklärte. Nach Gesprächen mit Kartell- und Sicherheitsbehörden über den milliardenschweren Kauf von Cypress habe er ein "gutes bis sehr gutes Gefühl."
rtr