"Infineon ist gut in das neue Geschäftsjahr gestartet. Trotz des Gegenwinds durch den schwachen US-Dollar konnten wir im ersten Quartal bei Umsatz und Ergebnis deutlich zulegen. Neben der wirtschaftlichen Erholung in einigen Regionen kommt uns der Digitalisierungsschub in allen Lebensbereichen zugute. Halbleiter werden mehr denn je gebraucht", erklärte Dr. Reinhard Ploss, Vorstandschef von Infineon, am Donnerstag in Neubiberg bei München.
Vor allem aus der Autoindustrie, die sich schneller als erwartet vom Corona-Crash erholte, war die Nachfrage bereits im ersten Quartal groß. Die Branche klagte zuletzt über Engpässe beim Chip-Nachschub. Infineon profitierte von dem gestiegenen Bedarf: Von Oktober bis Dezember zogen die Umsätze um sechs Prozent auf 2,63 Milliarden Euro an. Damit lag der Konzern im oberen Bereich der erwarteten 2,4 bis 2,7 Milliarden Euro - trotz der Belastungen durch den schwachen Dollar. Noch im vierten Quartal des abgelaufenen Geschäftsjahres erzielte Infineon Umsätze in Höhe von 2,49 Milliarden Euro. Auch in der Marge schlug sich die hohe Chip-Nachfrage nieder. Die operative Umsatzrendite übertraf mit 18,6 Prozent die eigenen Erwartungen um 2,6 Prozent. Analysten hatten hier ebenfalls weniger erwartet.
Außerdem verdoppelte sich der Nettogewinn im Vergleich zum Vorquartal von 109 auf 256 Millionen Euro. Die Kosten im Zusammenhang mit der Übernahme des US-Chipherstellers Cypress fielen niedriger aus als im Vorquartal, das kam den Quartalsergebnissen zugute. Auch zum Vorjahr konnte Infineon bei Umsatz und Ergebnis deutlich zulegen. Da die Cypress-Übernahme erst im vergangenen April abgeschlossen wurde, sind diese Zahlen allerdings nur bedingt vergleichbar.
Geplante Investitionen wegen Chip-Mangel
Neben den Autobauern klagen auch Maschinenbauer über fehlende Chips. Infineon rechnet deshalb damit, dass die Nachfrage dort und in der Sparte Power & Sensor Systems (PSS) im zweiten Halbjahr 2020/21 weiter zulegt. Der Konzern erhöht deshalb die Investitionen und baut die Fertigungskapazitäten schneller aus. Der Bereich PSS bündelt unter anderem das Geschäft mit Chips für die Stromversorgung sowie für mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets.
So wurde die Höhe der geplanten Investitionen auf 1,6 Milliarden Euro angehoben. Zuvor war eine Spanne von rund 1,4 bis 1,5 Milliarden angedacht. In diesem Zuge soll die neue Fabrik für Leistungshalbleiter im österreichischen Villach noch im Sommer in Betrieb gehen, kündigte Ploss an. Bislang war Ende 2021 geplant.
Prognose erhöht
Insgesamt ist Infineon trotz anhaltender Risiken - etwa durch die Corona-Pandemie - positiv gestimmt und schraubt die Zielspannen für den Umsatz und die Segmentergebnis-Marge leicht nach oben. "Fortbestehende Risiken behalten wir im Blick. Angesichts dynamisch anziehender Auftragseingänge und in weiten Teilen gut gefüllter Fertigungen heben wir unsere Jahresprognose leicht an", so Vorstandschef Ploss. Für das zweite Quartal erwartet Infineon einen Umsatz von 2,5 bis 2,8 Milliarden Euro. Die Segmentergebnis-Marge wird in der Mitte der Spanne bei 16,5 Prozent gesehen. Damit sind die Neubiberger etwas optimistischer als die meisten Experten.
Im gesamten Geschäftsjahr 2020/21 (per Ende September) soll der Umsatz um gut ein Viertel auf etwa 10,8 Milliarden Euro - plus/minus fünf Prozent - steigen, wie das Unternehmen mitteilte. Bisher hatte Infineon mit etwa 10,5 Milliarden gerechnet. Im abgelaufenen Geschäftsjahr erzielte der Chiphersteller einen Umsatz in Höhe von 8,6 Milliarden Euro.
Vom steigenden Umsatz werde auch die Segmentergebnis-Marge profitieren: Sie soll auf etwa 17,5 Prozent zulegen, bisher lag die Erwartung bei 16,5 Prozent. Im Geschäftsjahr 2019/20 lag der Wert bei 13,7 Prozent. Dies ergibt rechnerisch einen operativen Gewinn von knapp 1,9 Milliarden. Die neuen Prognosen des Unternehmens liegen etwas über den bisherigen Schätzungen der Analysten.
Unsere Einschätzung:
Die leicht erhöhte Prognose für das laufende Geschäftsjahr stellte Infineon-Anleger am Donnerstag vorbörslich nicht zufrieden. Womöglich hatten sie sich etwas mehr erhofft. Die Aktie verlor eine halbe Stunde vor dem offiziellen Börsenstart auf der Handelsplattform Tradegate ein Prozent im Vergleich zu ihrem Xetra-Schlusskurs. In den ersten Handelsminuten in einem festeren Markt gab das Papier dann um fast zwei Prozent nach. Zuletzt trat die Aktie auf der Stelle.
Das Papier des Halbleiterherstellers gehörte in den vergangenen Wochen und Monaten allerdings zu den größten Gewinnern im DAX. Vom Corona-Crash Mitte März konnte sich die Aktie gut erholen. Das Papier war auf 10,42 Euro abgerutscht - danach stieg der Kurs rasant bis zuletzt auf ein neues Allzeithoch bei über 35 Euro an. Das entspricht seit dem Crash einer Steigerung um mehr als 230 Prozent.
Die angehobene Prognose kam nicht überraschend, Analysten hatten die Zielanpassung bereits erwartet. Möglicherweise reagierten Anleger deshalb eher unbeeindruckt. Achal Sultania von der Credit Suisse hatte bei der Umsatz-Zielspanne am Vortag schon einen Mittelwert von 10,8 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Damit hat der Analyst die neue Zielmarke getroffen. Ähnliches gilt für die Marge, die Infineon nun im Mittel bei 17,5 Prozent erwartet.
Mit einem Preis von fast 34 Euro ist die Aktie derzeit hoch bewertet und eignet sich deshalb eher für spekulative Anleger. Die anhaltende Digitalisierung und die damit einhergehende Nachfrage nach Halbleitern kommen dem Neubiberger Konzern allerdings zugute. Wir stufen die Infineon-Aktie weiterhin als kaufenswert ein.
Mit Material von dpa-AFX und rtr