Die Deutsche Bundesbank rechnet bis zum Ende des Jahres mit einem Anziehen der Inflationsrate auf bis zu vier Prozent. Ähnlich hohe Raten hatte es zuletzt in den 90er-Jahren gegeben. Es gebe ein Aufwärtsrisiko für den Preisausblick, schreiben die Experten im jüngsten Monatsbericht, weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass es ein vorübergehender Effekt sein dürfte.
Ursache ist die nach der Corona-Delle wieder stärker steigende gesamtwirtschaftliche Nachfrage, die Rohstoffe wie Rohöl, Nahrungsmittel und Vorprodukte bereits verteuert hat. Im Vorjahr war Öl dagegen noch sehr billig. Auch der technische Effekt im Zuge der inflationsmindernden Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020, der sich jetzt ins Gegenteil verkehrt, spielt eine Rolle. Derzeit legen die Preise um rund zwei Prozent zu, eine entsprechende Rate wird auch für das Gesamtjahr erwartet - so hoch wie zuletzt 2012.
Wie sich die Inflationsrate weiter entwickelt, wird auch von den Konjunkturprogrammen abhängen und davon, wie stark der Konsum anzieht. In den USA haben die billionenschweren Ausgabenprogramme der neuen Regierung bereits zu einem Anstieg der Inflationsrate im April auf 4,2 (Vormonat 2,6) Prozent geführt. Dies hatte Befürchtungen ausgelöst, die Inflation könnte aus dem Ruder laufen und die Notenbanken müssten härter als erwartet gegensteuern.
Die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) versuchen, derartige Szenarien zu relativieren. Die Fed betonte in dieser Woche erneut, dass sie den Inflationsanstieg für vorübergehend hält. Derzeit, so beteuert auch die EZB, gebe es keinen Handlungsbedarf einzuschreiten. "Wir werden weiter die Finanzierungsbedingungen günstig halten, um die Wirtschaft zu stützen", sagt beispielsweise EZB-Direktorin Isabel Schnabel. Steigende Zinsen seien nicht zu erwarten. Preisstabilität ist neben der Versorgung der Volkswirtschaft mit Liquidität eine Hauptaufgabe der Notenbank.
Einige Ökonomen raten allerdings zu verstärkter Wachsamkeit. FDP-Fraktionsvize Christian Dürr sieht in der Vier-Prozent-Erwartung der Bundesbank zwar auch nur einen Zwischenstand. "Es sollte dennoch Anlass für die EZB sein, sich jetzt verstärkt auf die Geldwertstabilität zu konzentrieren und nicht vorrangig andere politische Ziele zu verfolgen", sagte Dürr dem "Tagesspiegel".
Kaum Alternativen zu Aktien
Die immer wieder aufflammenden Zins- und Inflationsängste haben in den vergangenen Wochen teilweise Turbulenzen und Rücksetzer an den Aktienmärkten ausgelöst. Eine restriktivere Geldpolitik führt zu steigenden Anleihezinsen. Investoren ziehen dann ihr Geld tendenziell aus dem Aktienmarkt ab und legen es in Anleihen an. "Preissteigerungen werden in den nächsten Monaten genau beobachtet und bleiben an den Finanzmärkten ein wichtiges Thema", sagen Analysten. Allerdings blieben bei moderaten Zinsanstiegs- und Inflationserwartungen wenig Alternativen zu Aktien, die zudem als Sachwerte einen eingebauten Inflationsschutz bieten.
Den gibt es bei Geld, das auf nahezu zinslosen Sparkonten gelagert wird, nicht. Doch genau dort wird derzeit Geld gebunkert wie nie. So stieg die Sparquote der privaten Haushalte in Deutschland im ersten Quartal auf den Rekordwert von 23,2 Prozent. "Das relativ stabile Einkommen einerseits und die Konsumzurückhaltung andererseits führten dazu, dass die privaten Haushalte während der Corona-Krise erheblich mehr sparten", heißt es beim Statistischen Bundesamt. Im Schnitt der letzten 20 Jahre lag die Quote - also der gesparte Anteil am verfügbaren Einkommen - zwischen neun und elf Prozent. Allein 2020 haben die deutschen Haushalte 100 Milliarden Euro mehr gespart, als das ohne Pandemie der Fall gewesen wäre. Ein großer Teil könnte im zweiten Halbjahr auch wieder in den Konsum fließen - was ebenfalls inflationstreibend wirkt.