Wo früher noch häufig die Börsenweisheiten von Warren Buffett, André Kostolany oder Benjamin Graham eine wichtige Grundlage für Investitionen darstellten, greifen viele junge Anleger heute vermehrt zu zeitgemäßen Datenquellen, bevor sie Anlageentscheidungen treffen.
Insbesondere unter Börsenneulingen, die meist das günstige Angebot von Neobrokern wie Scalable oder Trade Republic in Anspruch nehmen, gewinnen etwa Internetforen wie Reddit, die gerade bei Meme-Aktien wie AMC und Windeln.de zuletzt eine entscheidende Rolle spielten, deutlich an Zulauf. Eine Meme-Aktie bezeichnet einen Wert, dessen Kurs nicht aufgrund der Unternehmensperformance beeinflusst wird, sondern aufgrund eines kollektiven Hypes via Social Media oder auch Internetforen wie Reddit. Ergebnis ist meist eine sehr starke Volatilität des Titels.
Neuartige digitale Audioformate werden ebenfalls zunehmend interessanter und können Anlegern als Informationsquelle dienen - man könnte bei diesem Boom von "Audio 2.0" sprechen. Im letzten Jahr ist insbesondere das Podcast-Angebot auf Spotify & Co stark erweitert worden. Laut der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien nutzten 2020 rund 95 Prozent aller 14- bis 29-Jährigen Online-Audio-Angebote, die vor allem Musik-Streaming und Podcasts umfassen, der Anteil der über 50-Jährigen lag immerhin bei über 50 Prozent.
Neue Audio- und Video-Streamingformate
Musik-Streamingdienste sind die beliebteste Anlaufstelle für Podcasts, jedoch werden auch Videoplattformen wie Youtube dazu genutzt. Streaminganbieter drängen auf den Podcast-Markt, um sich Anteile in dem hart umkämpften Markt zu sichern. Dass langjährige Podcast-Deals mit berühmten Persönlichkeiten laut "Wall Street Journal" mit bis zu 100 Millionen Dollar bewertet werden, stellt einen Indikator für eine mögliche zukünftige Entwicklung dar. Deals mit Investoren oder Börsenpersönlichkeiten für Podcast-Serien seitens der Streaminganbieter könnten schon bald folgen.
Aber nicht nur Musik- und Audio-Streaming, sondern auch Live-Audio- Formate, bei denen es darum geht, als Zuhörer während der Übertragung dabei zu sein, wie etwa die Bundesliga-Live-Übertragung bei Amazon Music als Audioformat, gewinnen an Beliebtheit. Eine der neueren Entwicklungen ist das sog. "Drop-in-Audio", ähnlich dem Live- Audio, aber mit dem großen Unterschied, dass sich Zuhörer aktiv beteiligen können. Besonders im Frühjahr 2021 war die Drop-in-Audio-App "Clubhouse" sehr populär.
Der Erfolg von "Clubhouse" war in Deutschland unter anderem auf das sehr gut gewählte Timing der Markteinführung zurückzuführen. Das Format schafft bei der Zuhörerschaft außerdem eine besondere Atmosphäre: So fühlte man sich bei den Berichten von Florian Toncar aus dem Wirecard-Untersuchungsausschuss als direkter Teil einer Telefonkonferenz.
Für Börsenenthusiasten konnten sich allerdings keine bisher bekannten Live-Audio-Formate durchsetzen. Dies könnte auch daran liegen, dass dem Anleger entweder Informationen auf Abruf bereitstehen sollten oder er sich mit anderen Personen aktiv zum Beispiel in Form einer Diskussion austauschen möchte.
Auch Plattformen wie Youtube können bei grundlegenden Themen gerade für neue Anleger als Informationsquelle dienen. Dort finden sich beispielsweise Youtuber wie "Finanztip", die mehrmals wöchentlich Videos zu Themen wie "Sorgen ETFs für den nächsten Börsencrash?" veröffentlichen.
Fachliteratur über das Anlegen braucht es weiter als Ergänzung
Auch Instagram-Livestreams gewinnen an Bedeutung, so unter anderem die von Markus Koch, Börsenmoderator an der Wall Street, der täglich aus New York berichtet. Auf Twitch gewinnen Streamer wie "Finanzfluss", gleichzeitig einer der größten deutschen Youtuber im Bereich Finanzen, an Zulauf. Die größten Social-Media-Plattformen Twitter und Facebook nehmen das Verlangen nach neuartigen Audioformaten ebenfalls wahr: So hat Twitter kürzlich die neue Funktion "Spaces" gelauncht, die Live-Gespräche ermöglichen soll. Facebook beschäftigt sich mit der Einführung der neuen Web-App "Hotline".
Da die neuen, innovativen Formate häufig auf eine große Zielgruppe setzen, werden komplexe Zusammenhänge durch eine bewusst kurze, anschauliche Darstellungsweise oft nicht vollständig abgebildet.
Deshalb ist es überaus wichtig, dass insbesondere unerfahrene und junge Investoren versuchen, sich mithilfe von Fachmagazinen und -literatur in Ergänzung zu innovativen Formaten ein grundlegendes Verständnis zur Börse und zu Anlageprodukten anzueignen, denn: ohne Wissen geht an der Börse nichts.
Jonas Walter
Vorsitzender des Aufsichtsrats beim Finance Network
Im Rahmen seines mittlerweile über fünfjährigen ehrenamtlichen Engagements konnte Walter als Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzender des Finance Network Bildungsprojekte wie FinCert und "Börse hautnah" sowie ein Echtgeldportfolio zu Bildungszwecken erfolgreich etablieren. Er ist aktuell Master-Student an der Nova School of Business & Economics in Lissabon, Portugal.