Bus- und Bahnfahrer im US-Bundesstaat Washington können ihre Hand zwar noch nicht als Fahrkarte einsetzen, dennoch dürfte ihnen der Ticketkauf künftig deutlich leichter fallen. In der Region um den Puget Sound rüstet Init den Verkehrsverbund Sound Transit mit einem neuen Zahlungssystem aus. Während die Karlsruher in ihrer Entwicklungsabteilung daran arbeiten, die eigene Hand per Infrarotscanner als Fahr- und Guthabenkarte nutzen zu können, kommt in den USA noch die Smartphone-App oder die ID-Karte zum Einsatz. Durch das System kann kontaktlos mit nur einem Ticket bei sechs verschiedenen Verkehrsbetrieben, einschließlich dem Fährverkehr, bezahlt werden. Die Order aus den USA ist der größte Auftrag in der Firmengeschichte.
Das ab 2019 über vier Jahre laufende Projekt zur Einführung des neuen Systems ist 50 Millionen Dollar schwer. Anschließend kommen elf Jahre Wartung und Betrieb für über 40 Millionen Dollar hinzu. Die wiederkehrenden Betriebseinnahmen sind laut Firmenkennern rentabler als das Projektgeschäft und machten zuletzt bereits 36 Prozent aller Einnahmen von Init aus.
Welche Dimension die Bestellung für Init hat, zeigt der Ordereingang. Im vergangenen Jahr gewannen die Karlsruher Aufträge im Wert von 140 Millionen Euro, für dieses Jahr sind 140 bis 150 Millionen Euro geplant. Nach dem Erfolg in Washington geht Oddo-BHF-Analyst Felix Lutz davon aus, dass Init sein Ziel übertrifft und im US-Markt noch sichtbarer wird. In Übersee macht das als Uni-Ausgründung gestartete Unternehmen den meisten Umsatz. Die 2017 erzielten Einnahmen von 130,6 Millionen Euro stammten zu über einem Drittel aus Amerika. Deutschland und die übrigen europäischen Länder steuerten je rund 27 Prozent bei. 2017 hatte Init ein System wie in Washington in der US-Stadt Portland installiert. Bei dem Leuchtturmprojekt handelt es sich um ein kontenbasiertes Ticketingsystem. Damit können Fahrgäste Bus, Bahn oder Metro unabhängig vom Anbieter mit nur einem Ticket nutzen. Als weltweit erstes System integrierte Init dabei auch Google Pay als Zahlungsmethode. In Washington ermöglicht das System zusätzlich die Einbindung von Car- und Bikesharing und soll so die nahtlose Reiseplanung mit verschiedensten Verkehrsmitteln ermöglichen.
Obwohl die USA bereits der größte Markt für die 1983 gegründete Init sind, sieht das Unternehmen laut Finanzvorstand Jennifer Bodenseh im Bereich der Ticketingprojekte und des ID-basierten Ticketings erhebliches Potenzial: "Portland beweist, dass unser System in einer Großstadt funktioniert. Mit Sound Transit steigen wir nun auf die nächste Stufe ganzer Metropolregionen."
Teurer Megatrend
Treiber der Entwicklung sind die wachsenden Stadtbevölkerungen. Weltweit fuhren die Menschen im vergangenen Jahr 53 Milliarden Mal mit dem öffentlichen Nahverkehr. Busse und Bahnen wurden damit neun Milliarden Mal öfter genutzt als noch 2012. Um der steigenden Anforderungen Herr zu werden, bietet Init nicht nur Ticketsysteme an, sondern auch Programme zur Disposition, Betriebssteuerung, Fahrgastinformation oder Datenanalyse. "Der Megatrend Urbanisierung führt zu einer steigenden Anzahl von Projektausschreibungen. Wir rechnen daher damit, dass wir unser Wachstum in den kommenden Jahren weiter fortsetzen können", sagt Bodenseh. Im vergangenen Jahr lag das organische Umsatzwachstum mit plus zehn Millionen Euro mehr als dreimal so hoch wie in den Vorjahren. Auch 2018 soll es mit Mehreinnahmen von fünf bis zehn Millionen Euro ähnlich hoch ausfallen.
Doch Innovationen wie das System in Washington kosten auch Init Geld. Um seine Marktführerschaft zu verteidigen, gab der IT-Spezialist im vergangenen Jahr mit 6,9 Millionen Euro über ein Drittel mehr für die Produktentwicklung aus. Und Bodenseh rechnet "auf absehbare Zeit mit erhöhten Entwicklungsausgaben". Überspitzt formuliert will Init damit Antworten geben, bevor die Verkehrsbetriebe Fragen stellen. So werde etwa die Betriebsplanung mit Elektrobussen deutlich komplexer. Schließlich hänge die Reichweite auch davon ab, ob Umwege nötig würden oder die Klimaanlage laufe. Für diese sowie mit der Digitalisierung oder neuen Wettbewerbern wie Uber verbundene Herausforderungen machen die Karlsruher ihre Angebote derzeit fit.
Wieder stabile Dividende
Wegen der teuren Forschung musste Init seine Dividende für 2015 von 80 auf 20 Cent je Aktie kürzen, was die Aktie von ihren Höchstkursen um die 25 Euro auf fast zwölf Euro einbrechen ließ. Seit Mitte 2017 aber erholt sich der Kurs - auch weil die Ausschüttung seither bei 22 Cent stabil blieb und Entwicklungsausgaben aus dem laufenden Geschäft gezahlt werden. Laut Bodenseh wird die Gewinnbeteiligung daher "mindestens stabil bleiben".
Gleichzeitig hat die Finanzchefin das Projektmanagement für Großaufträge verbessert. Bereits für Transit Sound werden so laut Firmenkennern zehn ProzentMarge im Projekt- sowie 15 Prozent im Wartungsgeschäft möglich. Zusätzlich werden mehr und mehr Projekte mit höheren Gewinnspannen abgearbeitet, weshalb sich die zuletzt auf 6,5 Prozent gefallene Rentabilität erholen sollte. Mit geplanten zehn bis zwölf Millionen Euro Ebit rechnet Init in diesem Jahr daher mit einem überproportional hohen Gewinnwachstum von mindestens 16 Prozent. Für die Zukunft erwartet Bodenseh, das "in diesem Jahr angestrebte Margenniveau von 7,4 bis 8,3 Prozent zu halten". Ein Ticket bei Init zu lösen, dürfte sich für Anleger daher lohnen.