Während viele Staaten Europas gegen den finanziellen Zusammenbruch kämpfen, schwimmt das Königreich Norwegen dank seiner Rohstoffvorkommen in Geld. Noch mindestens 20 Jahre dürfte das Öl sprudeln, das Ende aber wird irgendwann kommen. Um vorbereitet zu sein auf das Leben nach dem Ölboom, hat Norwegen in den 90er-Jahren einen Staatsfonds gegründet. Der soll das Vermögen langfristig mehren und damit die sozialen Wohltaten des Staates auch für kommende Generationen sichern. 248 Milliarden Kronen, umgerechnet 30 Milliarden Euro, pumpt das Königreich allein im vergangenen Jahr in den Government Pension Fund Global, wie der Fonds offiziell heißt. Auf fünf Billionen Kronen, mehr als 600 Milliarden Euro, ist das Vermögen inzwischen angewachsen.
Der Mann, der Norwegens finanzielle Zukunft verwaltet, heißt Yngve Slyngstad. Der 51 Jahre alte Banker, Jurist und Volkswirt bestimmt die Zusammensetzung des Fonds. Mitten in den Turbulenzen der globalen Finanzkrise, im Jahr 2008, hatte der Mann mit der markanten Glatze und dem dezenten Kinnbart die Leitung übernommen.
Als eine seiner ersten Maßnahmen erhöhte Slyngstad die Aktienquote. Außerdem steckte er erstmals auch Geld in Immobilien. Zuletzt waren 61 Prozent in Aktien investiert, 37 Prozent in festverzinsliche Papiere, ein Prozent in Immobilien. Wichtigster Werttreiber des Portfolios sind die Aktien. Seit Slyngstad das Sagen hat, hat der Fonds in dieser Anlageklasse in vier von fünf Jahren den breiten Markt geschlagen. 2013 schaffte der Fonds insgesamt 15,9 Prozent Plus, die zweitbeste Performance seit Auflage. Das Aktiendepot legte um mehr als 26 Prozent zu und konnte damit die Schwäche der Anleihen auffangen.
Slyngstads Entscheidungen haben nicht nur Einfluss auf das Vermögen Norwegens. Das Aktiendepot gilt als das größte der Welt. 1,3 Prozent der globalen Aktienmarktkapitalisierung sind im Besitz des norwegischen Staates. Wenn Slyngstad umschichtet, bewegt das angesichts der Masse des Fonds also Aktienkurse rund um den Globus.
Während arabische und asiatische Staatsfonds nur spärlich Einblicke gewähren, macht Norwegen kein Geheimnis aus seinen Investments. Als demokratischer Staat ist Transparenz selbstverständlich. Dadurch bekommen Privatanleger gratis Anregungen für Depotstruktur und Aktienauswahl geliefert.
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Die Lieblinge aus dem DAX
Die nach absolutem Betrag größten Positionen sind bekannte europäische Schwergewichte: der Nahrungsmittelkonzern Nestlé, der Ölkonzern Royal Dutch, der Pharmakonzern Novartis, die Bank HSBC und der Mobilfunkkonzern Vodafone. Diese Aktien sind verlässliche Dividendenwerte, die in vielen großen Portfolios als Basisinvestment zu finden sind.
Regional ist das Vermögen breit verteilt, rund 8000 Aktien in 82 Ländern. Die Bundesrepublik ist prominent vertreten: Mehr als 200 deutsche Aktien weist der aktuelle Jahresbericht aus. Die Norweger haben auch in Deutschland klare Favoriten: Das meiste Geld steckt mit jeweils rund 18 Milliarden Kronen in Daimler und BASF. In Siemens hatte der Staatsfonds 14 Milliarden Kronen investiert, in BMW knapp 13 Milliarden Kronen. Obwohl sich der Fonds stark an den großen Aktienindizes orientiert, weicht die Gewichtung der großen deutschen Werte von der des DAX ab. Dort sind Bayer und Siemens die größten Werte.
Überraschend sind die Namen der Unternehmen, an denen Norwegen einen besonders hohen Prozentsatz besitzt. Ursprünglich sollte der Fonds nirgends mehr als zwei Prozent besitzen, um eine breite Verteilung des Vermögens zu gewährleisten. Das ist angesichts der Größe des Portfolios nicht mehr möglich, da die Investments sonst nicht mehr zu überblicken wären. Bei 45 Unternehmen ist Norwegen inzwischen mit mehr als fünf Prozent beteiligt.
Als Obergrenze für eine einzelne Position gelten zehn Prozent. Diese Schwelle ist mit 9,4 Prozent bei der Smurit Kappa Group nahezu erreicht. Bei dem Unternehmen handelt es sich um einen Verpackungshersteller aus Irland (siehe Investor- Info links). Ebenfalls etwas mehr als neun Prozent hält der Fonds an der niederländischen Immobilienfirma Eurocommercial Properties. Mehr als acht Prozent beträgt der Anteil an der britischen Immobilienfirma Great Portland Estates.
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Verbotene Aktien
Auch bei deutschen Aktien ist eine Sympathie für Immobilienwerte zu erkennen: An Deutsche Wohnen halten die Norweger 6,8 Prozent, an Deutsche Annington 5,4 Prozent. Im DAX war Norwegen zuletzt bei Linde mit knapp fünf Prozent besonders stark gewichtet, unter den Nebenwerten beim IT-Dienstleister Bechtle mit 4,4 Prozent und beim Automobilzulieferer Leoni mit 4,3 Prozent.
Da der Staatsfonds bei immer mehr Unternehmen große Anteile besitzt, steigt der Druck auf Slyngstad und sein Team, nicht nur stiller Teilhaber zu sein, sondern aktiv Einfluss auf die Unternehmen zu nehmen. Schon jetzt gibt es klare Regeln, welche Titel ins Depot dürfen. Tabu sind Unternehmen, die gegen moralische Grundprinzipien verstoßen, etwa Menschenrechte verletzt haben oder die Umwelt unangemessen stark belasten.
Der Bann trifft auch Tabakaktien, obwohl diese eigentlich attraktive Dividendenrenditen abwerfen. Rüstungskonzerne stehen ebenfalls auf der schwarzen Liste. Zuletzt verabschiedete sich der Fonds von einigen Bergbaukonzernen, weil sie Umweltauflagen nicht erfüllt hatten.
Auch die Investmentstrategie des Fonds könnte sich bald ändern. Oeystein Olsen, Gouverneur der norwegischen Zentralbank, fordert, dass der Fonds mehr ins Risiko geht und den Anteil der festverzinslichen Wertpapiere reduziert, da diese Papiere kaum Rendite abwerfen. Ein Strategieschwenk würde wohl mehr Geld in den Aktienmarkt kanalisieren. Auch alternative Investments, etwa die direkte Beteiligung an Infrastrukturprojekten, werden geprüft.
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Armes Deutschland
Wirklich Sorgen um ihre Zukunft müssen sich die Norweger nicht machen. Allein durch die noch immer sprudelnden Einnahmen des Ölgeschäfts wächst das Vermögen des Staatsfonds weiter. Laut der Hochrechnung des Finanzministeriums wird das Volumen bis zum Jahr 2020 um die Hälfte auf 7,3 Billionen Kronen, umgerechnet 880 Milliarden Euro anwachsen. Jeder der etwas mehr als fünf Millionen Norweger käme dann rechnerisch auf knapp 175000 Euro. Zum Vergleich: Die Bilanz der Bundesrepublik Deutschland weist laut Bund der Steuerzahler für jeden Einwohner heute etwas mehr als 25000 Euro aus. Natürlich Schulden.
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