Das Vermögen der Milliardärsfamilie Wallenberg wird in einem mehrgeschossigen, aber keineswegs protzigen Altbau verwaltet. Eines fällt beim Betreten des Gebäudes in der Stockholmer Innenstadt sofort auf: Hier spurten keine Trader übers Parkett. Laufbänder mit Börsenkursen? Fehlanzeige.

Das Imperium wird mit großer Ruhe und Gelassenheit gesteuert. An der Rezeption stehen frische Schnittblumen. Eine Bibliothek dient als Besprechungszimmer. An den Wänden hängen die Fotos der Vorfahren. Wer hier Deals einfädelt, dem schauen die Ahnen still über die Schulter. Tradition wird großgeschrieben.

Den Grundstein legte 1856 Kapitän André Oscar Wallenberg, der als 30-Jähriger die Seefahrt aufgab, um als Geschäftsmann tätig zu werden. Inspiriert haben ihn die vielen aufstrebenden Länder, die er bereist hatte. Er gründete Stockholms Enskilda Bank, kurz SEB. Zunächst finanzierte seine Bank Eisenbahnen und Brücken. Als die Konjunktur 1896 einbrach, wurden zahlreiche Kredite notleidend. Statt die Schuldner in die Insolvenz zu treiben, entschied der einstige Kapitän, sich bei den strauchelnden Firmen zu engagieren. So ging die SEB etliche Beteiligungen ein, die vor exakt 100 Jahren in der Holding Investor AB gebündelt wurden.

Seither ist unter diesem Dach eine Perle herangereift. Der einflussreiche Wallenberg-Clan hält 23 Prozent des Grundkapitals und 50 Prozent der Stimmrechte. Seit 1917 ist die Aktie an der Börse gelistet. Im Portfolio befinden sich Anteile am Kraftwerksbauer ABB, am Haushaltsgerätehersteller Electrolux, am Börsenbetreiber Nasdaq und am Pharmariesen AstraZeneca. Im Fokus steht naturgemäß Skandinavien. Vorstandschef Johan Forssell beschrieb auf der Hauptversammlung die Strategie so: "Es ist eigentlich einfach. Investor ABs Perspektiven werden in den kommenden Dekaden davon abhängen, wie unsere Firmen abschneiden - ganz gleich, ob sie nun börsennotiert sind wie Atlas Copco oder SEB oder ob sie uns vollständig gehören wie Mölnlycke oder Permobil."

Permobil ist der weltweit größte Hersteller von Hightech-Rollstühlen. Gegründet hat das Unternehmen der Dorfarzt Per Uddén in den 60er-Jahren. Mölnlycke vermarktet Wundversorgungsprodukte. Diese Unternehmen sorgen für einen kontinuierlichen Cashflow, der Investor AB vollständig zur Verfügung steht. Anders dagegen sind die Beteiligungen an Börsenkonzernen. Von ihnen fordern die Wallenbergs starke Bilanzen und eine angemessene Profitabilität. Sie profitieren dann indirekt über die Dividenden.

Das Prinzip erinnert an Börsenguru Warren Buffett, nur ist der Ansatz noch langfristiger. Die Haltedauer ist unbegrenzt, bei Investor AB frönt man einer extremen Form von "Buy and Hold". An ABB und Electrolux sind die Stockholmer seit 1925 respektive 1956 beteiligt.

Krisen kommen den Schweden gelegen. Sehen sie eine Bewertungslücke, schlagen sie sofort zu. Schließlich bezeichnen sie sich als Value-Anleger. Während der Weltwirtschaftskrise im Februar 2009 halfen sie der SEB mit einer Kapitalspritze, die Krise zu bewältigen. Außerdem nutzte die berühmte Familie die günstigen Kurse, um ein Aktienpaket an Wärtsilä, einem Hersteller kompletter Schiffsantriebe, zu erwerben. Mittlerweile liegt der Anteil an Wärtsilä bei rund 17 Prozent.

Der Stimmrechtsanteil ist bei vielen Investments deutlich größer als der Aktienanteil. An der Telekomequipmentgruppe von Ericsson beträgt der Aktienanteil 5,3 Prozent, die Stimmen summieren sich aber auf 21,5 Prozent. So zementiert die Dynastie ihren Einfluss - zum langfristigen Wohl der Unternehmen, heißt es in Schweden.

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Mehr als nur Wohlstandsvermehrung



Zu den Lieblingen der Wallenberg’schen Vermögensverwalter zählt Atlas Copco, ein Hersteller von Kompressoren, Generatoren und Minen-ausrüstung. Mehrere Male musste der Industriekonzern vor dem Konkurs gerettet werden. Das zahlte sich aus. Heute boomt das Geschäft. Der Anteil am Grundkapital beträgt 16,8 Prozent.

Forssell bringt es so auf den Punkt: "Ziel für unsere Investor-AB-Firmen ist es, dass sie ihre Konkurrenten auf den internationalen Märkten outperformen. Es ist unsere Pflicht als Eigentümer und meine Pflicht als Vorstandschef, danach zu streben. Das ist absolut entscheidend für unseren Erfolg." Bislang ist das bravourös gelungen. So legte der Aktienkurs in den vergangenen 25 Jahren im Schnitt um 15 Prozent pro Jahr zu. Darin berücksichtigt ist die Dividende. Die Ausschüttung steigt kontinuierlich. Eine weitere Erhöhung unterstellt, lockt die Dividendenrendite mit schätzungsweise rund vier Prozent zum Einstieg. Schwedische Pensionskassen sind von dem Anlagekonzept überzeugt und halten Aktienpakete an Investor AB. Große Fans sind außerdem amerikanische Deep-Value-Anleger und Hedgefonds, was kaum verwundert. Immerhin notiert Investor AB rund 20 Prozent unter Buchwert.

Zwei Analysten und das Management arbeiten hart daran, Werte zu schaffen. Haben die Töchter Probleme, wird sofort gehandelt. "Unsere Schlüsselaufgabe ist es sicherzustellen, dass wir die richtigen Aufsichtsräte und Direktoren in unseren Firmen haben. Wir stehen immer zu ihnen - als unterstützender Eigentümer", betont Forssell. Electrolux beispielsweise hat fast all seine Fabriken von Hoch- in Niedriglohnländer verlagert. Zwar war das ein schmerzhafter Prozess, der auch harte Einschnitte für Schweden bedeutete, was auf den ersten Blick nicht so recht zur Familienphilosophie der Wallenbergs zu passen schien, die betonen, das Wohl des Landes im Auge zu haben. Doch war der Schritt notwendig, um im umkämpften Markt für Haushaltsgeräte überleben zu können.

Was den Verwaltungsratschef Jacob Wallenberg und seine Verwandten antreibt ist, die Schweden wettbewerbsfähig zu halten. Daher spenden sie massig Geld für Bildung. Außerdem machen sie sich für einen freien Welthandel stark.



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