Selten war es so günstig, Urlaub in Hongkong zu machen. Eine Woche im Fünf-Sterne-Hotel mit Hin- und Rückflug von Frankfurt aus kosten derzeit nur 900 Euro. Das Schnäppchen hat seinen Grund. Die seit sieben Monaten andauernden Proteste in der 7,5-Millionen-Einwohner-Metropole halten immer mehr Reisende davon ab, die Stadt zu besuchen. Um etwa 25 Prozent ist die Zahl der Gäste nach Angaben der städtischen Touristenbehörde in diesem Jahr zurückgegangen.

Ursache ist vor allem, dass die Aus­einandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei zunehmend von ­Aggressivität begleitet werden. Die Gewaltfreiheit der ersten Protestmonate ist passé. Unversöhnlich stehen sich die beiden Seiten gegenüber. Die Gegner des wachsenden politischen Einflusses von China auf Hongkong haben dadurch neuen Auftrieb erhalten, dass sich der US-Kongress eindeutig auf ihre Seite ­gestellt hat und sie bei den Bezirkswahlen einen Erdrutschsieg errangen.

Proteste bremsen Wirtschaft


Die Unruhen wirken sich negativ auf die Wirtschaft aus. Während das BIP 2017 noch um 3,1 Prozent und 2018 um 3,0 Prozent wuchs, sind es dieses Jahr wohl nur noch 0,3 Prozent. Vor allem der darbende Tourismus, der fast 20 Prozent zum BIP beiträgt, bereitet Probleme. Aber auch der Flughafen, der fünf Prozent des BIP ausmacht, hat ­wegen mehrerer Blockaden durch Demonstranten kräftige Geschäftseinbußen erlitten. Hinzu kommt, dass die Zahl der Flüge der Festlandchinesen, die nach Hongkong kommen, nach Schätzungen um fast 50 Prozent gesunken ist. Sie sind die mit Abstand größte Touristengruppe.

Kaum zurück gingen bisher die In­vestitionen, die über die Sonderverwaltungszone Hongkong nach China fließen. Rund 60 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen gehen diesen Weg. Denn das hat für die Kapitalgeber mehrere Vorteile: Zum einen grenzt die exportstärkste chinesische Provinz ­Guangdong an den Stadtstaat. Zum anderen kaufen Ausländer über Hongkong oft chinesische Aktien an den Börsen Shanghai oder Shenzhen.

Umgekehrt tätigen auch Unternehmen und Privatleute aus dem Reich der Mitte ihre internationalen Investitionen über die Sonderverwaltungszone. "Hongkong hat für Investoren einen besonderen Charme. Es gibt eine frei konvertierbare Währung, freie Kapital- und Warenflüsse und vor allem ein unabhängiges Rechtssystem", zählt Max Zenglein, Leiter der Forschungsgruppe Wirtschaft beim Thinktank Mercator ­Institute for China Studies, die Vorzüge auf. "Wenn die Volksbefreiungsarmee einmarschiert, ist der Handelsplatz Hongkong tot", prognostiziert er.

Das weiß auch die Führung in Peking, und es dürfte neben dem dann entstehenden globalen Reputationsschaden der wichtigste Grund dafür sein, dass China die Proteste schon seit Monaten duldet. Das Reich der Mitte braucht den Stadtstaat, um Zugang zum weltweiten Kapitalmarkt zu haben und seine eigenen internationalen Interessen zu finanzieren. Der besondere Vorteil dabei ist, dass Hongkong unter der Kontrolle Chinas steht. "Andere chinesische Handelsplätze wie Shanghai und Shenzhen können Hongkong noch nicht ersetzen", so Zenglein. Das zeigte sich auch diese Woche wieder. Der Internetkonzern Alibaba wurde beim global größten Börsengang des Jahres in Hongkong gelistet - nicht in Shanghai oder Shenzhen.

Dennoch überlegen derzeit wohl zahlreiche Unternehmen und Privatleute, ob sie neue Gelder in Hongkong investieren sollen. Vor allem die Bedrohung der unabhängigen Justiz durch den wachsenden Einfluss Pekings lässt die Kapitalgeber zögern.

Singapur als attraktive Alternative


Als Alternative bietet sich das vier Flugstunden entfernte Singapur an. Bislang halten sich die Abflüsse von Kapital aus Hongkong in den an der Südspitze Malaysias liegenden zweiten ökonomisch bedeutenden Stadtstaat Asiens zwar in Grenzen. Aber internationale Kanzleien berichten, dass sie verstärkt Anfragen von Firmen erhalten, die sich überlegen, ihren Asien-Sitz von Hongkong nach Singapur zu verlegen. Auch bei Neuinvestitionen denken Konzerne und Privatpersonen darüber nach, lieber das stabilere Singapur zu präfe­rieren. Insbesondere Family Offices fürchten ein Eingreifen der Kommunistischen Partei in Hongkong. Seit jeher suchen wohlhabende Familien aber Rechtssicherheit und Stabilität.

Auch für Festland- und Hongkong- Chinesen ist Singapur attraktiv. Dort sind drei Viertel der Bewohner chinesischstämmig. Mandarin ist neben Englisch die zweite Landessprache, was die Kommunikation sehr erleichtert.

Eindeutige Verlagerungstendenzen sind nach Angaben der "Financial Times" aber schon bei in Hongkong gelagerten Goldbarren und -münzen festzustellen. Die Vorstellung, dass bald die Volksbefreiungsarmee in Hongkong ­patrouillieren könnte, hat wohl viele ­sicherheitsorientierte Anleger aufgeschreckt, die ihre letzte Reserve lieber nach Südostasien verfrachtet haben.

Auch das Segment Luxusimmobilien boomt in Singapur. Seit 2017 haben Festlandchinesen mehr als 1.000 hochpreisige Häuser und Wohnungen auf der Tropeninsel gekauft. Dieser Trend hat sich zuletzt offenbar noch verstärkt.

Ein Teil der chinesischen Touristen, die Hongkong meiden, scheint nach ­Singapur auszuweichen. Die Hotels dort haben mit 94 Prozent die höchste Auslastungsquote seit 2005. Ein Grund dafür ist sicherlich auch, dass zuletzt wegen Protesten und Flughafenblockade viele Konferenzen in Hongkong abgesagt und nach Singapur verlegt wurden.

Familienclan regiert autokratisch


Dabei gilt Singapur sogar als weniger demokratisch als Hongkong. Seit fast 60 Jahren herrscht dort der Lee-Familienclan, der autokratisch regiert und nur sehr begrenzt Opposition und freie Presse zulässt. Unruhen wie in Hongkong drohen auf der Tropeninsel nicht. Mit üppigen Sozialleistungen hat sich die Herrscherfamilie die Loyalität ihrer Untertanen erkauft: gutes Bildungs- und hervorragendes Gesundheitssystem, Garantie einer günstigen Wohnung und eine Top-Altersversorgung. Der Stadtstaat hat den zweithöchsten Lebensstandard Asiens. Das sorgt für Stabilität. Zudem gibt es hohe Rechtssicherheit und kaum Korruption. Das gefällt Kapitalanlegern, die daher gern dort investieren und ihr Geld parken.

Da das Land sehr exportorientiert ist, litt es zuletzt stark unter dem Handelskonflikt USA - China. Das BIP wuchs 2019 nur um 0,8 Prozent. Da ist die unfreiwillige Unterstützung aus Hongkong sehr willkommen. "Wenn der Handelskrieg sich aber entspannt, dürfte Singapur als Handels- und Exportnation einer der Hauptprofiteure weltweit sein", sagt Gerhard Heinrich, Asien-Analyst beim Infodienst Emerging Markets Trader.

Hinzu kommt, dass der Konkurrent Hongkong über kurz oder lang wohl abgehängt wird. Das könnte schon kurzfristig der Fall sein, wenn Peking sich entscheiden sollte, die Proteste niederzuschlagen. Wahrscheinlicher ist aber, dass die KP-Führung die Protestbewegung aussitzt und China seinen politischen Einfluss in Hongkong nach und nach schleichend ausbaut. Einher ginge das mit einer Erosion des Rechtsstaats - mit der Folge, dass immer mehr An­leger nach Singapur ausweichen, das politische Stabilität, ökonomische Freiheit und Rechtssicherheit garantiert.

Der mögliche Anfang vom Ende


Der in Hongkong ansässige unabhängige Finanzanalyst Francis Lun bringt es auf den Punkt: "Wir sehen gerade den Anfang vom allmählichen Abstieg der Stadt Hongkong als führender Finanzstandort." Diese Entwicklung ist an den Währungs- und Aktienmärkten bereits im Gange. Während der Singapurer Aktienindex Straits Times seit Beginn der Proteste Anfang April fast gleich geblieben ist, hat das Hongkonger Pendant Hang Seng acht Prozent verloren. Bei den Währungen kletterte der Singapur-­Dollar (SGD) seit der Eskalation des Konflikts Ende August um fast zwei Prozent zum Hongkong-Dollar (HKD).

Mit CFDs können Anleger daran verdienen, indem sie Singapur-Aktien long gehen und zugleich den Hang Seng Index short. Oder sie setzen auf einen steigenden SGD und einen fallenden HKD (siehe Investor-Info unten).

Glossar:

Reines Differenzgeschäft
Was sind CFDs?


Der Begriff CFD bedeutet "Contract for Difference" (Differenzgeschäft). Mit CFDs spekulieren Anleger auf die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskurs eines Basiswerts. Das sind Indizes, Aktien, Rohstoffe oder Devisen. Der Basiswert selbst wird nicht physisch erworben. Anleger können auf steigende oder fallende Kurse setzen. Sie investieren nur einen kleinen Teil des Kapitals, so entsteht ein Hebeleffekt (siehe unten). CFDs eignen sich nur für erfahrene Investoren, die hohe Risiken nicht scheuen. Totalverlust ist möglich, aber auch enorme Gewinne.

Hebeleffekt
Kleine Margin, großes Risiko


Der Hebel entsteht bei Differenzkontrakten, indem der Anleger nur einen geringen Anteil des Basiswerts als Sicherheitsleistung - die ­sogenannte Margin - hinterlegt. Dabei gilt: je kleiner die Margin, desto größer der Hebel. Der errechnet sich, indem die Positionsgröße durch die Margin geteilt wird. Beispiele: Eine ­Margin von zehn Prozent des Basiswerts ­ergibt den Hebel von zehn, eine Margin von fünf Prozent des Basiswerts bewirkt Hebel 20.

Investor-Info

Asiatische Indizes und Devisen
Singapur hui, Hongkong pfui


Mit CFDs können Anleger auf Aktienindizes und Währungen setzen. Gut 80 Prozent des deutschen CFD-Markts entfallen auf Indizes, nur 13 Prozent auf Devisen. Auch exotische Indizes und Devisen sind bei einigen Brokern handelbar wie der Singapurer Straits Times Index und der Hang Seng Index sowie der Singapur-Dollar (SGD) und der Hongkong-­Dollar (HKD). Die Broker CMC Markets und WH Selfinvest offerieren diese etwa. Anzu­raten ist, mit einem CFD auf steigende Kurse des Straits Times zu setzen, also long zu gehen, und zugleich mit einem CFD auf fallende Kurse des Hang Seng zu spekulieren, also in Hongkong short zu sein. Maximal sind hier Hebel von zehn erlaubt. Das Devisenpaar SGD/HKD gehen Anleger mit dem CFD long, wenn sie auf einen zum HKD anziehenden SGD wetten wollen. Hier ist der Einsatz eines hohen Hebels zu empfehlen, da bei Devisen die Gewinne, anders als bei Indizes, in der ­Regel eher niedrig sind. Maximal ist hier ein Hebel von 20 realisierbar. Falls die Spekulation nicht aufgeht, drohen hohe Verluste.