So lebhaft wurde an der Irish Stock Exchange noch nie gehandelt: In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres erreichte das durchschnittliche tägliche Transaktionsvolumen den Rekordwert von 380 Millionen Euro. Gegenüber dem vierten Quartal 2014 ist das ein Plus von 70 Prozent. Die Nachfrage nach Wertpapieren dürfte künftig noch intensiver ausfallen. Für Hector McNeil, Co-Chef des ETF-Anbieters Wisdom Tree, jedenfalls ist der Finanzplatz Dublin ein "schlafender Riese". Um ihn zu wecken, bedarf es einer sich kräftig erholenden Wirtschaft, wachstumsstarker Unternehmen und Übernahmen. Damit kann die Insel dienen.
Zum Beispiel mit dem Verpackungsspezialisten Smurfit Kappa. Die Kaufabsicht des US-Unternehmens International Paper treibt den Kurs. Auch die Aktien von Glanbia stoßen auf reges Interesse. Das Unternehmen ist weltweit einer der größten Käsehersteller und erzielt steigende Gewinne mit Ernährungsmitteln für Kraftsportler.
Die Kauflaune der Anleger zieht nicht nur den irischen Leitindex Iseq Overall nach oben - seit Jahresanfang legte er um mehr als 20 Prozent zu. Sie motiviert auch die Unternehmen, Kapital an der Börse aufzunehmen. So flossen der Immobilienfirma Irish Residential Properties Reit im Zuge des Börsengangs 215 Millionen Euro zu. Das Life-Science-Unternehmen Malin sammelte gleich 330 Millionen Euro ein, für Europas Biotechbranche war dies bislang einer der größten Börsengänge.
Zu den Malin-Zeichnern zählt auch der im Dezember gegründete Ireland Strategic Investmentfund. Mit dem Staatsfonds, der vielversprechende Unternehmen unterstützt, will die Regierung von Premierminister Enda Kenny die Konjunktur auf der Insel weiter antreiben.
Schon jetzt ist die Dynamik hoch. Im vergangenen Jahr ist das Bruttoinlandsprodukt bereits um 4,8 Prozent gewachsen, die Eurozone schaffte dagegen nur 0,9 Prozent. Der Abstand Irlands zu den übrigen Ländern des Euroraums kann sich 2015 noch vergrößern. Der irische Arbeitgeberverband IBEC rechnet mit einem Zuwachs von 5,4 Prozent.
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Noch nicht in Top-Form
Etwas weniger euphorisch beurteilt der Internationale Währungsfonds (IWF) die Aussichten. Er erwartet eine Zunahme von lediglich 3,5 Prozent, aber auch damit würde das Land immer noch zur Spitzengruppe in Europa zählen. Irlands Wirtschaft komme immer mehr auf Touren, heißt es im jüngsten Jahresbericht der Währungshüter. Allerdings seien "die Narben" der schweren Verwerfungen weiterhin sichtbar. So ist die Arbeitslosigkeit zwar von 15 auf zehn Prozent gefallen, doch die Rate liegt weiterhin über dem Vorkrisenniveau von 4,5 Prozent. Und mit 123 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigt die Staatsverschuldung den Maastricht- Zielwert von 60 Prozent.
Verantwortlich für die angespannte Lage auf dem Jobmarkt und die hohen Verbindlichkeiten ist die Finanzkrise. Diese hatte im Jahr 2008 Irlands gewaltige Immobilienblase zum Platzen gebracht. In der Folge gerieten irische Banken schwer unter Druck und mussten von der Regierung massiv finanziell unterstützt werden. Die Gläubiger verloren daraufhin das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des Landes, die zehnjährige Staatsanleihe rentierte zwischenzeitlich bei 14 Prozent. Um den Staatsbankrott zu vermeiden, flüchtete sich Dublin unter den Euro-Rettungsschirm. 85 Milliarden Euro gewährten die Geldgeber, verlangten dafür aber erhebliche Einsparungen und Reformen.
Die Auflagen erfüllte die Regierung zügig. Unter anderem wurden die Sozialausgaben und die Beamtengehälter drastisch gekürzt und die Mehrwertsteuer erhöht. Bereits Ende 2013 konnte Irland den Rettungsschirm wieder verlassen. Seitdem zog der Leitindex rund 40 Prozent an. Die Entwicklung fiel auch deshalb so gut aus, weil sich Dublin den Forderungen der Geldgeber nach Erhöhung der Körperschaftsteuer gegenüber unnachgiebig zeigte. 12,5 Prozent - das ist der niedrigste Wert in der Eurozone. Der damit einhergehende Wettbewerbsvorteil ist für Irland entscheidend. Die niedrigen Steuern locken zahlreiche ausländische Unternehmen an. Laut der Irish Development Agency beschäftigen sie über 270 000 Mitarbeiter und zahlen jährliche Gehälter in Höhe von insgesamt 17 Milliarden Euro.
Eine Variante, den Hauptsitz nach Irland zu verlagern, sind Übernahmen. So erwarb beispielsweise der US-Medizintechniker Medtronic den irischen Mitbewerber Covidien. Dem Beispiel dürften vor allem USUnternehmen folgen. In den Staaten beträgt der Satz für die Körperschaftsteuer 35 Prozent. Auch daran entzünden sich Kursfantasien für irische Werte.
Allerdings sind die Möglichkeiten, die Chancen in Dublin breit zu nutzen, bislang überschaubar. Lediglich mit einem Zertifikat von BNP Paribas können Anleger derzeit den gesamten Markt spielen. Wisdom Tree erwägt jedoch, einen ETF auf den Auswahlindex Iseq 20 an der Deutschen Börse zu listen. Bis dahin müssen Investoren auf Einzelwerte setzen. An attraktiven Titeln ist kein Mangel.