Blickt man auf die Performance-Rangliste der globalen Aktienmärkte, rangiert Brasilien mit einem Minus von 43 Prozent tief im Keller. Das Anlegervertrauen ist erschüttert, Konsum und Produktion sind im Zuge der Corona-Pandemie eingebrochen. Die Regierung erwartet einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung in diesem Jahr von 4,7 Prozent. Es wäre der massivste Einbruch seit dem Jahr 1900. Möglicherweise fällt die Rezession noch dramatischer aus. Société Générale etwa prognostiziert ein Minus von 7,4 Prozent. Auch die zunehmenden politischen Risiken drücken die Kurse. Staatspräsident Jair Bolsonaro verliert wegen seines unzulänglichen Krisenmanagements und möglicher politischer Einflussnahme auf die Bundespolizei immer mehr an Popularität.
Goldman Sachs will dennoch ein Ende der Talfahrt erkennen und rät zum Einstieg. "Brasilianische Aktien kommen in der zweiten Jahreshälfte zurück", meint Kamakshya Trivedi. Der Südamerika-Spezialist der Investmentbank rechnet mit einer Zunahme des Risikoappetits internationaler Investoren, ausgelöst durch anziehende Rohstoffnotierungen. Die Entwicklung ist bereits im Gange. Der Preis für das zur Stahlherstellung benötigte Eisenerz ging in den vergangenen Wochen infolge eines Angebotsrückgangs und wieder steigender Nachfrage Chinas nach oben.
Davon profitiert der Rohstoffriese Vale. Die Aktie legte zuletzt deutlich zu. Das Unternehmen ist im iShares MSCI Brazil ETF mit elf Prozent gewichtet. Unter den Top-Ten-Positionen des ETFs findet sich auch der Energiekonzern Petrobras. Nach der starken Korrektur infolge des Ölpreisrückgangs macht der Titel wieder Boden gut. Insgesamt enthält der ETF 55 Positionen. Finanzwerte sind mit 31 Prozent gewichtet. Auf Rohstoff- und Energieaktien entfallen rund 30, auf die Konsumbranche 20 Prozent der Mittel.
Garant für Reformen
Ob Investoren dem Rat von Goldmans Sachs folgen, dürfte auch vom Verbleib Paulo Guedes’ im Wirtschaftsministerium abhängen. Noch genießt der 70-Jährige die Rückendeckung des Präsidenten, er hat aber an Einfluss verloren. Guedes steht für Ausgabendisziplin und will mit marktfreundlichen Reformen und wettbewerbsstärkenden Maßnahmen das Wachstum ankurbeln. Gegen seine Überzeugung hat das Kabinett jedoch milliardenschwere Stimulierungsmaßnahmen beschlossen.
Gegen unterstützende Maßnahmen seitens der Notenbank hat Guedes jedoch nichts. Anfang Mai senkte diese den Leitzins um 75 Basispunkte auf drei Prozent. Eine weitere Senkung um bis zu 75 Basispunkte im Juni gilt als wahrscheinlich. Das dürfte die Kurse unterstützen. Trotzdem sollten nur sehr risikobereite Anleger jetzt schon einsteigen.