Das Läuten der Glocke der Alten Börse in Frankfurt am Main hört ein Großteil des Vorstands von Stemmer Imaging bereits zum zweiten Mal. Der Börsengang ist erst knapp ein Jahr her. Schon damals stand die Führung des Spezialisten für industrielle Bildverarbeitung auf dem Parkett. Jetzt ist Stemmer in den Prime Standard gewechselt, und auch zu diesem Anlass läutet die Glocke.
Vorstandschef Arne Dehn, der Anfang März die Leitung des Unternehmens übernommen hat, will mit dem Läuten Investoren anlocken: "Wir wollen uns Wachstumschancen öffnen und die Internationalität vorantreiben." Nicht nur geschäftlich. Ein breiterer Anlegerkreis soll Zugang zum Unternehmen bekommen.
Auch Enis Ersü, Chef des Konkurrenten Isra Vision, hat zuletzt einiges getan, um Investoren zu überzeugen. Anfang des Jahres hat er die Dividende erhöht, zuvor war bloß eine Zahlung auf Vorjahresniveau geplant. Zudem hat Ersü weitere Großaufträge angekündigt.
Trotz allen Werbens haben sich die Aktienkurse von Stemmer und Isra Vision vom großen Einbruch im vergangenen Jahr nicht vollständig erholt. Beide Unternehmen zählen zur Branche der Maschinenbauer. Investieren Unternehmen in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten weniger in ihre Ausrüstung, schlägt das bei den Fertigern der Anlagen meist negativ auf Auftragseingang und Umsatz durch. Besonders die Halbleiter- und Elektroniksparte, an welche die Bildverarbeiter andocken, darbt. Zudem haben beide große Autobauer im Kundenportfolio. Der Autoabsatz aber schwächelt. Diese Umstände lassen Investoren misstrauisch werden.
Als Ersü Anfang des Jahres einen nur im niedrigen zweistelligen Bereich wachsenden Umsatz in Ausblick stellte, ging die Aktie auf Talfahrt. Nicht dass ein Wachstum in dieser Größenordnung außergewöhnlich schlecht wäre, aber die Anspannung ist groß.
2017 war laut Industrieverband VDMA mit einem Wachstum von 18 Prozent ein Rekordjahr für die deutsche Bildverarbeitungsindustrie. In den vier Jahren zuvor lag das Wachstum im Schnitt bei 13 Prozent. Vor allem die Elektronik- und die Automobilindustrie investierten. Im Jahr darauf hat sich das Wachstum verlangsamt, die noch unbestätigte Prognose geht von einer Stagnation aus.
Dieses Jahr soll der Markt aber wieder wachsen, um geschätzte zwei bis fünf Prozent. "Trotz aller Herausforderungen ist die Stimmung in der Branche gut. Der Wachstumstrend wird sich grundsätzlich fortsetzen. Die Bildverarbeitung ist in der Produktion fest etabliert und erobert sich ständig neue Anwendungsfelder, auch außerhalb des Fabrikumfelds", sagt Klaus-Henning Noffz, Vorstandschef der VDMA-Fachabteilung Industrielle Bildverarbeitung.
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Die Branchenplayer bringen Maschinen und Computern mittels digitaler Kameras Sehen und Verstehen bei. Das ist bei der Vernetzung und Automatisierung von Produktionsanlagen wichtig, nicht nur in der Automobilindustrie. "Unsere Kameras können erkennen, ob ein Apfel innen faul ist oder nicht. Sie sehen, ob in einem Tablettenpäckchen Paracetamol ist oder nicht", erklärte Stemmer-Chef Dehn jüngst vor Investoren in Frankfurt. In der Lebensmittelindustrie, der Pharma- und Medizinbranche sowie im Sport- und Entertainmentbereich erkennt er Wachstumschancen.
Um in Äpfel hineinschauen zu können, hat sich Stemmer am österreichischen Anbieter Perception Park beteiligt. Über die Akquisition von Firmen in Frankreich, Spanien und den Niederlanden hat das Münchner Unternehmen die Internationalisierung vorangetrieben. Im abgelaufenen Quartal, dessen Ergebnis Stemmer kurz nach dem Wechsel in den Prime Standard vorgelegt hat, betrug der Auslandsumsatz erstmals über 50 Prozent.
Ganz unberechtigt ist die Sorge der Investoren trotz der Diversifizierung allerdings nicht. In den jüngsten Zahlen hat Stemmer ein Umsatzplus von sechs Prozent auf 28,7 Millionen Euro ausgewiesen. Im Vergleich zum Umsatzwachstum des vergangenen Jahres von über 14 Prozent ist das wenig. Gleichwohl liegt Stemmer damit über dem Niveau des Markts. Die Analysten der Bank M. M. Warburg bleiben bei ihrer Empfehlung: "Trotz der zwischenzeitlichen Abkühlung des Sektors bleiben die langfristigen Trendtreiber der Aktie intakt."
Der Spezialmaschinenbauer Isra Vision hat im ersten Geschäftshalbjahr vor allem von guten Geschäften in Asien sowie Europa profitiert. Der konzernweite Umsatz kletterte um 10 Prozent, das Vorsteuerergebnis um 17 Prozent. Die Orderbücher sind weiterhin gut gefüllt. Entsprechend bestätigten die Darmstädter ihre Jahresziele.
Einen Vorgeschmack darauf gab Dirk Hanusch bei der Frühjahrskonferenz: "Wir sehen nicht, dass die Lage in der Auto- und Halbleiterindustrie unser Geschäft negativ beeinflusst", so der Business Development Manager. Zum Jahreswechsel hatte der Auftragsbestand um 16 Prozent auf 96 Millionen Euro zugelegt, seither ist unter anderem eine Order über sechs Millionen Euro aus China eingetrudelt. Auch ein Blick zurück beruhigt: Seit der Jahrtausendwende wuchsen Umsatz und Gewinn bis auf ein Jahr stetig und meist zweistellig.
Auch Isra Vision diversifiziert sich über Zukäufe. Mehr als zehn hat das Darmstädter Unternehmen bereits gestemmt, seit einem halben Jahr kündigt das Management weitere Zukäufe an. "Auch wenn es um unsere Übernahmeverhandlung still geworden ist, laufen die Gespräche weiter. In den kommenden ein bis zwei Monaten dürfte es Neuigkeiten geben", sagt Hanusch.
Die Gerüchteküche brodelt bereits. Auch Stemmer wird als Übernahmekandidat gehandelt. Ebenso wie Basler in Ahrensburg. Das Unternehmen dürfte mit einer Marktkapitalisierung von rund 525 Millionen Euro zwar etwas zu groß sein, doch hat die Konjunkturabkühlung Basler voll erwischt: Im jüngsten Quartal schrumpfte der Umsatz, der operative Gewinn brach in der Folge um 70 Prozent ein.
Das Geschäft läuft schon länger unrund: Während Isra Vision und Stemmer 2018 Marktanteile gewannen, stagnierte der Umsatz bei Basler. Zwar ist Besserung für das zweite Quartal angekündigt, doch Anleger werden ungeduldig. Bei Basler ist ihre Sorge wohl berechtigt. Stemmer und Isra Vision hingegen bleibt nichts anderes übrig, als weiter Überzeugungsarbeit zu leisten - oder über Konsolidierung die gesamte Branche zu stärken.
Investor-Info
Stemmer Imaging
Voll im Bild
Über 35 Prozent rutschte die Aktie in den vergangenen zwölf Monaten ins Minus. Stemmer gewinnt jedoch Marktanteile, die Eigenkapitalquote liegt bei äußert soliden 85 Prozent, die Verschuldung ist extrem gering. Die Akquisitionen aus dem vergangenen Jahr dürften bald ihre volle Ertragskraft entfalten. Der Gewinn soll sich im Geschäftsjahr bis Ende Juni mehr als verdoppeln. Für die kommende Periode werden über 40 Prozent Gewinnplus erwartet. Mit Limit ordern.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 33,00 Euro
Stoppkurs: 23,00 Euro
Isra Vision
Spannende Aussicht
In der Branche steht Isra Vision beispielhaft für kontinuierlich hohes Wachstum. Ob das 2019 so bleibt, darauf dürften die Zahlen am 31. Mai Hinweise geben. Das Management ist bekannt rührig, das mittelfristige Ziel von 200 Millionen Euro Umsatz nach den über 150 Millionen Euro im vergangenen Jahr will Chef Enis Ersü möglichst schnell erreichen. Die hohe Marge sowie eine im Branchenvergleich hohe Dividende sprechen für die Aktie.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 36,00 Euro
Stoppkurs: 26,00 Euro
Basler
Getrübte Perspektive
Der Konzern kämpft seit Anfang 2018 mit einem nach eigenen Angaben "sehr schwachen Marktumfeld". Zudem belastet die Übernahme des Bildverarbeitungsgeschäfts eines chinesischen Kooperationspartners die Profitabilität. Basler will in den Bereich der integrierten Kamerasysteme mit der Übernahme von My Cable vordringen. Der zweite Zukauf, Silicon Software, erweitert das Angebot. Der Plan muss erst aufgehen, derzeit scheint die Aktie angesichts schwacher Zahlen zu teuer.
Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 165,00 Euro
Stoppkurs: 116,00 Euro