Im Internet kursierte eigens der Hashtag Euroboom. Doch in den vergangenen Monaten hat sich einiges geändert. Das kalte Wetter, viele Streiks und die Grippewelle haben das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone fast halbiert. Von Januar bis Märt legte das Bruttoinlandsprodukt nur noch um 0,4 Prozent zum Vorquartal zu. In den drei Quartalen davor hatte es noch zu jeweils 0,7 Prozent gereicht. Zu Beginn des zweiten Quartals verlor die Industrie weiter an Schwung: Im April liefen die Geschäfte in der Euro-Zone so schlecht wie seit über einem Jahr nicht mehr, wie aus einer Umfrage des Instituts IHS Markit unter Tausenden Betrieben hervorgeht.
Damit aber nicht genug: Anleger sorgen sich auch wegen des starken Euro und eines drohenden Handelskriegs. Der Brexit und die Aussicht auf ein künftig wieder straffere Geldpolitik der Zentralbanken erhöhen zusätzlich die Unsicherheit.
ABKÜHLUNG, ABER KEINE EISZEIT
Die Bremsspuren machen sich an den Aktienmärkten bereits bemerkbar. "Die Märkte erfahren zur Zeit einen schmerzlichen Abschied vom 'Besser-geht's-nicht-Szenario'", beschreibt der Kapitalmarktstratege Tilmann Galler von der Großbank JP Morgan die Lage. Seit Jahresbeginn liegt der Dax mit momentan rund 12.700 Punkten knapp ein Prozent im Minus, nachdem die Verluste zwischendurch schon deutlicher waren. Zum Vergleich: 2017 stand noch ein Zuwachs von 12,5 Prozent in den Büchern.
Allein in den vergangenen sieben Wochen zogen Investoren knapp 20 Milliarden Dollar aus europäischen Aktienfonds ab. Trotzdem bleiben viele Investoren entspannt und haben mit einem Herunterschalten gerechnet. Der Wirtschaftsboom 2017 sei zu gut gewesen, um wahr zu sein, sagt Anlagestratege Daniel Morris vom Vermögensverwalter BNP Paribas Asset Management. "Es war toll und jeder war begeistert, aber man hat sich nicht wirklich wohl gefühlt damit. Je höher man kommt, desto tiefer kann man fallen - so betrachtet scheint der Rückgang schlimmer, als er tatsächlich ist." Auch für Chris Dyer vom Investmenthaus Eaton Vance sind europäische Aktien in seinen weltweiten Portfolios immer noch die stärkste Position. "Es ist schwer, das Ganze so lange am Kochen zu halten und das bedeutet, dass ich nicht besorgt bin, dass es herunterkühlt."
WIDERSTANDSKRAFT BEI KRISEN NIMMT AB
Investoren wie Dyer setzen auf anhaltend solide Profite der Unternehmen in der Region. Dem Datenanbieter MSCI zufolge werden europäische Firmen in diesem Jahr im Schnitt ein Gewinnwachstum von 7,5 Prozent ausweisen. Auch an der politischen Stabilität der Euro-Zone zweifelt derzeit kaum ein Experte, trotz der Wahlerfolge populistischer Kräfte in vielen Ländern. Wie entspannt die Investoren sind, zeigt sich unter anderem am Beispiel Italien: Trotz der politischen Hängepartie nach der jüngsten Parlamentswahl zählen die dortigen Aktien mit einem Zuwachs von bislang knapp zehn Prozent zu den Favoriten.
Die Börsen sind nach Meinung einiger Marktkenner aber durchaus krisenanfällig. "Wenn die Konjunktur nicht mehr so gut läuft, dann nimmt die Widerstandskraft der Finanzmärkte gegenüber externen Schocks ab", so Martin Hüfner, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Assenagon. Die Schwankungen der Kurse werden größer, der Aufwärtstrend verliert an Kraft. "2018 wird damit nicht das gute Aktienjahr, das wir uns ursprünglich erwartet hatten."
rtr